Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735.Betrachtung So, daß man hier nicht nur die Tages-Zeiten; garDie Jahres-Zeiten auch zugleich, und zwar Auf einmahl, fühlt und sieht. Erwege dieß mit Lust und Andacht, mein Gemüth! Es lassen des Gebirgs so rauh' als schöne Höhen Ein Bild von irdischen Verwirrungen uns sehen: Jndem ja Freud und Leid, und Schertz und Schmertz auf Erden, Wie Lust und Grauen hier, vereint gefunden werden. Allein, was seh ich ferner hier Bey dieses Berges rauher Zier? Was müssen nicht für Reichthum, welchen Segen Von Marmor und Metall der Berge Bäuche hegen! Kann ich doch überall Den schönsten Marmor-Stein in grossen Stücken So gar schon auf der Fläch' erblicken! Wie gläntzet dieser hier, als wär' er schon polirt! Wie bunt ist jener dort! ich kann mich nicht enthalten, Der unterschiedlichen unzehligen Gestalten Und Farben Meng' im Marmor zu besehn, Und, in der drob verspührten Augen-Lust, Mit inniglich dadurch gerührter Brust, Ein all-erschaffendes allmächtges Wunder-Wesen, Ohn Den nichts ist, was ist, bewundernd zu erhöhn. Man kann alhier, sowol vermischt als einzeln, schön, (Ob wir gleich von der Schrift den Jnnhalt nicht verstehn) Auch in gebrochnen Lettern lesen, Daß, was geschrieben, sey, den Schöpfer anzuweisen, Um auch im Marmor-Stein Sein Wunder-Werck zu preisen. Man
Betrachtung So, daß man hier nicht nur die Tages-Zeiten; garDie Jahres-Zeiten auch zugleich, und zwar Auf einmahl, fuͤhlt und ſieht. Erwege dieß mit Luſt und Andacht, mein Gemuͤth! Es laſſen des Gebirgs ſo rauh’ als ſchoͤne Hoͤhen Ein Bild von irdiſchen Verwirrungen uns ſehen: Jndem ja Freud und Leid, und Schertz und Schmertz auf Erden, Wie Luſt und Grauen hier, vereint gefunden werden. Allein, was ſeh ich ferner hier Bey dieſes Berges rauher Zier? Was muͤſſen nicht fuͤr Reichthum, welchen Segen Von Marmor und Metall der Berge Baͤuche hegen! Kann ich doch uͤberall Den ſchoͤnſten Marmor-Stein in groſſen Stuͤcken So gar ſchon auf der Flaͤch’ erblicken! Wie glaͤntzet dieſer hier, als waͤr’ er ſchon polirt! Wie bunt iſt jener dort! ich kann mich nicht enthalten, Der unterſchiedlichen unzehligen Geſtalten Und Farben Meng’ im Marmor zu beſehn, Und, in der drob verſpuͤhrten Augen-Luſt, Mit inniglich dadurch geruͤhrter Bruſt, Ein all-erſchaffendes allmaͤchtges Wunder-Weſen, Ohn Den nichts iſt, was iſt, bewundernd zu erhoͤhn. Man kann alhier, ſowol vermiſcht als einzeln, ſchoͤn, (Ob wir gleich von der Schrift den Jnnhalt nicht verſtehn) Auch in gebrochnen Lettern leſen, Daß, was geſchrieben, ſey, den Schoͤpfer anzuweiſen, Um auch im Marmor-Stein Sein Wunder-Werck zu preiſen. Man
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Betrachtung
So, daß man hier nicht nur die Tages-Zeiten; gar
Die Jahres-Zeiten auch zugleich, und zwar
Auf einmahl, fuͤhlt und ſieht.
Erwege dieß mit Luſt und Andacht, mein Gemuͤth!
Es laſſen des Gebirgs ſo rauh’ als ſchoͤne Hoͤhen
Ein Bild von irdiſchen Verwirrungen uns ſehen:
Jndem ja Freud und Leid, und Schertz und Schmertz auf
Erden,
Wie Luſt und Grauen hier, vereint gefunden werden.
Allein, was ſeh ich ferner hier
Bey dieſes Berges rauher Zier?
Was muͤſſen nicht fuͤr Reichthum, welchen Segen
Von Marmor und Metall der Berge Baͤuche hegen!
Kann ich doch uͤberall
Den ſchoͤnſten Marmor-Stein in groſſen Stuͤcken
So gar ſchon auf der Flaͤch’ erblicken!
Wie glaͤntzet dieſer hier, als waͤr’ er ſchon polirt!
Wie bunt iſt jener dort! ich kann mich nicht enthalten,
Der unterſchiedlichen unzehligen Geſtalten
Und Farben Meng’ im Marmor zu beſehn,
Und, in der drob verſpuͤhrten Augen-Luſt,
Mit inniglich dadurch geruͤhrter Bruſt,
Ein all-erſchaffendes allmaͤchtges Wunder-Weſen,
Ohn Den nichts iſt, was iſt, bewundernd zu erhoͤhn.
Man kann alhier, ſowol vermiſcht als einzeln, ſchoͤn,
(Ob wir gleich von der Schrift den Jnnhalt nicht verſtehn)
Auch in gebrochnen Lettern leſen,
Daß, was geſchrieben, ſey, den Schoͤpfer anzuweiſen,
Um auch im Marmor-Stein Sein Wunder-Werck zu preiſen.
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