Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Lammes-Kopf.
Jch meine, nein! denn ob wir gleich an GOTTES Macht
nicht zweifeln sollen;

So scheint es doch aus der Natur, GOtt habe so nicht wollen
wollen.

Will einer noch hingegen sagen, daß es der Finger
GOTTES sey,

Der alles das unmittelbar verrichte; so gesteh' ich frey,
Es scheine mir die erste Meinung von GOTTES Weisheit,
Gröss' und Macht,

Geschickter, würdiger, erhabner, und GOTT anständiger
gedacht.

Denn, ausser, daß ich in den Worten, und in der wircklichen
Jdee

Vom Finger GOttes, was verblühmtes, und nicht was ei-
gentlichs verstehe:

So deucht mich, daß dergleichen Wercke durch Seine Die-
ner machen lassen,

Sey einer Gottheit würdiger, als Selbst damit sich zu be-
fassen.
Vermindert es ja doch die Ehre des Schöpfers im ge-
ringsten nicht,

Wenn so viel künstliches auf Erden durch Menschen-Witz
und Hand geschicht;

Sonst könnte ja der Schöpfer auch, als Dem es nicht an Macht
gebricht,

Aus Holtz und Stein formirte Bilder, Gebäude, Gärten,
Kleider, Tücher,

Auch Gläser, Haus-Geräthe, Schräncke, Gemählde, Fenster-
Scheiben, Bücher,

Ohn unsern Beytritt, wachsen lassen. Wir sehen aber auf
der Welt,

Daß es Jhm, unser sich dabey auch zu gebrauchen, nicht miß-
fällt.
Und

Der Lammes-Kopf.
Jch meine, nein! denn ob wir gleich an GOTTES Macht
nicht zweifeln ſollen;

So ſcheint es doch aus der Natur, GOtt habe ſo nicht wollen
wollen.

Will einer noch hingegen ſagen, daß es der Finger
GOTTES ſey,

Der alles das unmittelbar verrichte; ſo geſteh’ ich frey,
Es ſcheine mir die erſte Meinung von GOTTES Weisheit,
Groͤſſ’ und Macht,

Geſchickter, wuͤrdiger, erhabner, und GOTT anſtaͤndiger
gedacht.

Denn, auſſer, daß ich in den Worten, und in der wircklichen
Jdee

Vom Finger GOttes, was verbluͤhmtes, und nicht was ei-
gentlichs verſtehe:

So deucht mich, daß dergleichen Wercke durch Seine Die-
ner machen laſſen,

Sey einer Gottheit wuͤrdiger, als Selbſt damit ſich zu be-
faſſen.
Vermindert es ja doch die Ehre des Schoͤpfers im ge-
ringſten nicht,

Wenn ſo viel kuͤnſtliches auf Erden durch Menſchen-Witz
und Hand geſchicht;

Sonſt koͤñte ja der Schoͤpfer auch, als Dem es nicht an Macht
gebricht,

Aus Holtz und Stein formirte Bilder, Gebaͤude, Gaͤrten,
Kleider, Tuͤcher,

Auch Glaͤſer, Haus-Geraͤthe, Schraͤncke, Gemaͤhlde, Fenſter-
Scheiben, Buͤcher,

Ohn unſern Beytritt, wachſen laſſen. Wir ſehen aber auf
der Welt,

Daß es Jhm, unſer ſich dabey auch zu gebrauchen, nicht miß-
faͤllt.
Und
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="6">
              <pb facs="#f0299" n="267"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Der Lammes-Kopf.</hi> </fw><lb/>
              <l>Jch meine, nein! denn ob wir gleich an GOTTES Macht<lb/><hi rendition="#et">nicht zweifeln &#x017F;ollen;</hi></l><lb/>
              <l>So &#x017F;cheint es doch aus der Natur, GOtt habe &#x017F;o nicht wollen<lb/><hi rendition="#et">wollen.</hi></l>
            </lg><lb/>
            <lg n="7">
              <l>Will einer noch hingegen &#x017F;agen, daß es der Finger<lb/><hi rendition="#et">GOTTES &#x017F;ey,</hi></l><lb/>
              <l>Der alles das unmittelbar verrichte; &#x017F;o ge&#x017F;teh&#x2019; ich frey,</l><lb/>
              <l>Es &#x017F;cheine mir die er&#x017F;te Meinung von GOTTES Weisheit,<lb/><hi rendition="#et">Gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;&#x2019; und Macht,</hi></l><lb/>
              <l>Ge&#x017F;chickter, wu&#x0364;rdiger, erhabner, und <hi rendition="#g">GOTT</hi> an&#x017F;ta&#x0364;ndiger<lb/><hi rendition="#et">gedacht.</hi></l><lb/>
              <l>Denn, au&#x017F;&#x017F;er, daß ich in den Worten, und in der wircklichen<lb/><hi rendition="#et">Jdee</hi></l><lb/>
              <l>Vom Finger GOttes, was verblu&#x0364;hmtes, und nicht was ei-<lb/><hi rendition="#et">gentlichs ver&#x017F;tehe:</hi></l><lb/>
              <l>So deucht mich, daß dergleichen Wercke durch Seine Die-<lb/><hi rendition="#et">ner machen la&#x017F;&#x017F;en,</hi></l><lb/>
              <l>Sey einer Gottheit wu&#x0364;rdiger, als Selb&#x017F;t damit &#x017F;ich zu be-<lb/><hi rendition="#et">fa&#x017F;&#x017F;en.</hi></l>
            </lg><lb/>
            <lg n="8">
              <l>Vermindert es ja doch die Ehre des Scho&#x0364;pfers im ge-<lb/><hi rendition="#et">ring&#x017F;ten nicht,</hi></l><lb/>
              <l>Wenn &#x017F;o viel ku&#x0364;n&#x017F;tliches auf Erden durch Men&#x017F;chen-Witz<lb/><hi rendition="#et">und Hand ge&#x017F;chicht;</hi></l><lb/>
              <l>Son&#x017F;t ko&#x0364;n&#x0303;te ja der Scho&#x0364;pfer auch, als Dem es nicht an Macht<lb/><hi rendition="#et">gebricht,</hi></l><lb/>
              <l>Aus Holtz und Stein formirte Bilder, Geba&#x0364;ude, Ga&#x0364;rten,<lb/><hi rendition="#et">Kleider, Tu&#x0364;cher,</hi></l><lb/>
              <l>Auch Gla&#x0364;&#x017F;er, Haus-Gera&#x0364;the, Schra&#x0364;ncke, Gema&#x0364;hlde, Fen&#x017F;ter-<lb/><hi rendition="#et">Scheiben, Bu&#x0364;cher,</hi></l><lb/>
              <l>Ohn un&#x017F;ern Beytritt, wach&#x017F;en la&#x017F;&#x017F;en. Wir &#x017F;ehen aber auf<lb/><hi rendition="#et">der Welt,</hi></l><lb/>
              <l>Daß es Jhm, un&#x017F;er &#x017F;ich dabey auch zu gebrauchen, nicht miß-<lb/><hi rendition="#et">fa&#x0364;llt.</hi></l>
            </lg><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Und</fw><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[267/0299] Der Lammes-Kopf. Jch meine, nein! denn ob wir gleich an GOTTES Macht nicht zweifeln ſollen; So ſcheint es doch aus der Natur, GOtt habe ſo nicht wollen wollen. Will einer noch hingegen ſagen, daß es der Finger GOTTES ſey, Der alles das unmittelbar verrichte; ſo geſteh’ ich frey, Es ſcheine mir die erſte Meinung von GOTTES Weisheit, Groͤſſ’ und Macht, Geſchickter, wuͤrdiger, erhabner, und GOTT anſtaͤndiger gedacht. Denn, auſſer, daß ich in den Worten, und in der wircklichen Jdee Vom Finger GOttes, was verbluͤhmtes, und nicht was ei- gentlichs verſtehe: So deucht mich, daß dergleichen Wercke durch Seine Die- ner machen laſſen, Sey einer Gottheit wuͤrdiger, als Selbſt damit ſich zu be- faſſen. Vermindert es ja doch die Ehre des Schoͤpfers im ge- ringſten nicht, Wenn ſo viel kuͤnſtliches auf Erden durch Menſchen-Witz und Hand geſchicht; Sonſt koͤñte ja der Schoͤpfer auch, als Dem es nicht an Macht gebricht, Aus Holtz und Stein formirte Bilder, Gebaͤude, Gaͤrten, Kleider, Tuͤcher, Auch Glaͤſer, Haus-Geraͤthe, Schraͤncke, Gemaͤhlde, Fenſter- Scheiben, Buͤcher, Ohn unſern Beytritt, wachſen laſſen. Wir ſehen aber auf der Welt, Daß es Jhm, unſer ſich dabey auch zu gebrauchen, nicht miß- faͤllt. Und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735/299
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735/299>, abgerufen am 01.11.2024.