Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735.genommene Gedancken. Jch finde, daß die Bänme, welche klein Und von der Mittel-Gattung seyn, Die niedlichsten und besten Früchte bringen. Je mehr sie in die Höhe dringen, Je minder ist die Frucht für uns bequem. Woraus ich diese Lehre nehm, Und deucht mich, daß insonderheit die Reben Jn ihrer Sprache mir dieselbe deutlich geben: Daß in der Niedrigkeit, und nahe bey der Erden, Die besten Früchte meist gefunden werden. Die andern, welche nichts als Blätter tragen, nützen Nicht weniger, als die, so fruchtbar, da durch Stärcke Sie in den Häusern uns für Frost und Regen, schützen. Sie dienen ferner uns in mancherley Gewercke, Zur Schiff-Fahrt sonderlich; so daß in ihnen, Da sie uns noch fast mehr, als die, so fruchtbar, dienen, Wenn wir es mit Vernunfft und ernstlich überlegen; Man Göttliche Versehung auch deßwegen Nicht guug erhöhn und preisen kann. Wenn man, von so bewunderns-wehrten Höhen, Und Dicke, keine Bäum' in Wäldern ie gesehen Und angetroffen; sollte man Wol glauben und begreiffen können, Daß sie von wenig Tropffen Regen Zur Gnüge Krafft und Nahrungs-Segen, Zu solchem Wachsthum zu gelangen, Auch ein so fruchtbar Saltz in selbigen empfangen? Denn sie gebrauchen einen Safft, Der voller Geistigkeit, voll Saltz und voller Krafft, Von S 4
genommene Gedancken. Jch finde, daß die Baͤnme, welche klein Und von der Mittel-Gattung ſeyn, Die niedlichſten und beſten Fruͤchte bringen. Je mehr ſie in die Hoͤhe dringen, Je minder iſt die Frucht fuͤr uns bequem. Woraus ich dieſe Lehre nehm, Und deucht mich, daß inſonderheit die Reben Jn ihrer Sprache mir dieſelbe deutlich geben: Daß in der Niedrigkeit, und nahe bey der Erden, Die beſten Fruͤchte meiſt gefunden werden. Die andern, welche nichts als Blaͤtter tragen, nuͤtzen Nicht weniger, als die, ſo fruchtbar, da durch Staͤrcke Sie in den Haͤuſern uns fuͤr Froſt und Regen, ſchuͤtzen. Sie dienen ferner uns in mancherley Gewercke, Zur Schiff-Fahrt ſonderlich; ſo daß in ihnen, Da ſie uns noch faſt mehr, als die, ſo fruchtbar, dienen, Wenn wir es mit Vernunfft und ernſtlich uͤberlegen; Man Goͤttliche Verſehung auch deßwegen Nicht guug erhoͤhn und preiſen kann. Wenn man, von ſo bewunderns-wehrten Hoͤhen, Und Dicke, keine Baͤum’ in Waͤldern ie geſehen Und angetroffen; ſollte man Wol glauben und begreiffen koͤnnen, Daß ſie von wenig Tropffen Regen Zur Gnuͤge Krafft und Nahrungs-Segen, Zu ſolchem Wachsthum zu gelangen, Auch ein ſo fruchtbar Saltz in ſelbigen empfangen? Denn ſie gebrauchen einen Safft, Der voller Geiſtigkeit, voll Saltz und voller Krafft, Von S 4
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genommene Gedancken.
Jch finde, daß die Baͤnme, welche klein
Und von der Mittel-Gattung ſeyn,
Die niedlichſten und beſten Fruͤchte bringen.
Je mehr ſie in die Hoͤhe dringen,
Je minder iſt die Frucht fuͤr uns bequem.
Woraus ich dieſe Lehre nehm,
Und deucht mich, daß inſonderheit die Reben
Jn ihrer Sprache mir dieſelbe deutlich geben:
Daß in der Niedrigkeit, und nahe bey der Erden,
Die beſten Fruͤchte meiſt gefunden werden.
Die andern, welche nichts als Blaͤtter tragen, nuͤtzen
Nicht weniger, als die, ſo fruchtbar, da durch Staͤrcke
Sie in den Haͤuſern uns fuͤr Froſt und Regen, ſchuͤtzen.
Sie dienen ferner uns in mancherley Gewercke,
Zur Schiff-Fahrt ſonderlich; ſo daß in ihnen,
Da ſie uns noch faſt mehr, als die, ſo fruchtbar, dienen,
Wenn wir es mit Vernunfft und ernſtlich uͤberlegen;
Man Goͤttliche Verſehung auch deßwegen
Nicht guug erhoͤhn und preiſen kann.
Wenn man, von ſo bewunderns-wehrten Hoͤhen,
Und Dicke, keine Baͤum’ in Waͤldern ie geſehen
Und angetroffen; ſollte man
Wol glauben und begreiffen koͤnnen,
Daß ſie von wenig Tropffen Regen
Zur Gnuͤge Krafft und Nahrungs-Segen,
Zu ſolchem Wachsthum zu gelangen,
Auch ein ſo fruchtbar Saltz in ſelbigen empfangen?
Denn ſie gebrauchen einen Safft,
Der voller Geiſtigkeit, voll Saltz und voller Krafft,
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