Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735.

Bild:
<< vorherige Seite

Das herrliche Geschöpf

Der Argwohn, nebst der Furcht, der Menschen Plage-
Geister,

Sind durch dich weggejagt. Du machst, an ihrer Stelle,
Dich aller meiner Sinnen Meister.
Es wird in meiner Seelen helle.
Vertraulichkeit, Muth, Großmuth, holde Triebe
Der fast erstorbnen Nächsten-Liebe
Verziehen mein Gemüth, beherrschen meinen Sinn.
Kaum bin ich mehr derselbe, der ich bin.

Ein Etwas, welches ich empfinde,
Jst süß, ist lieblich, ist gelinde:
Mich rührt ein reiner Anmuths-Strahl.
Es wallt mein fröhliches Geblüte,
Und mein erheitertes Gemüthe
Jst reg' und ruhig auf einmahl.
Noch mehr! ich eile fort. Jch dencke:
Woher kommt diese Lust? Wie können Neben
Mir Tugenden, die ich nicht hatte, geben?
Vermag ihr Safft
Jn mir der Redlichkeit und des Verstandes Krafft
Zu mehren, zu erheben?
Nein, nein! Ja, ja! Es ist gewiß:
Gleich ietzt verlässet mich des Zweifels Finsterniß.
Du zeigest, da durch dich der Argwohn uns verlässt,
Zusammt der Brut der Furcht, des Hasses und der Sorgen,
Daß

Das herrliche Geſchoͤpf

Der Argwohn, nebſt der Furcht, der Menſchen Plage-
Geiſter,

Sind durch dich weggejagt. Du machſt, an ihrer Stelle,
Dich aller meiner Sinnen Meiſter.
Es wird in meiner Seelen helle.
Vertraulichkeit, Muth, Großmuth, holde Triebe
Der faſt erſtorbnen Naͤchſten-Liebe
Verziehen mein Gemuͤth, beherrſchen meinen Sinn.
Kaum bin ich mehr derſelbe, der ich bin.

Ein Etwas, welches ich empfinde,
Jſt ſuͤß, iſt lieblich, iſt gelinde:
Mich ruͤhrt ein reiner Anmuths-Strahl.
Es wallt mein froͤhliches Gebluͤte,
Und mein erheitertes Gemuͤthe
Jſt reg’ und ruhig auf einmahl.
Noch mehr! ich eile fort. Jch dencke:
Woher kommt dieſe Luſt? Wie koͤnnen Neben
Mir Tugenden, die ich nicht hatte, geben?
Vermag ihr Safft
Jn mir der Redlichkeit und des Verſtandes Krafft
Zu mehren, zu erheben?
Nein, nein! Ja, ja! Es iſt gewiß:
Gleich ietzt verlaͤſſet mich des Zweifels Finſterniß.
Du zeigeſt, da durch dich der Argwohn uns verlaͤſſt,
Zuſammt der Brut der Furcht, des Haſſes und der Sorgen,
Daß
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="17">
              <l>
                <pb facs="#f0380" n="348"/>
                <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Das herrliche Ge&#x017F;cho&#x0364;pf</hi> </fw>
              </l><lb/>
              <l>Der Argwohn, neb&#x017F;t der Furcht, der Men&#x017F;chen Plage-<lb/><hi rendition="#et">Gei&#x017F;ter,</hi></l><lb/>
              <l>Sind durch dich weggejagt. Du mach&#x017F;t, an ihrer Stelle,</l><lb/>
              <l>Dich aller meiner Sinnen Mei&#x017F;ter.</l><lb/>
              <l>Es wird in meiner Seelen helle.</l><lb/>
              <l>Vertraulichkeit, Muth, Großmuth, holde Triebe</l><lb/>
              <l>Der fa&#x017F;t er&#x017F;torbnen Na&#x0364;ch&#x017F;ten-Liebe</l><lb/>
              <l>Verziehen mein Gemu&#x0364;th, beherr&#x017F;chen meinen Sinn.</l><lb/>
              <l>Kaum bin ich mehr der&#x017F;elbe, der ich bin.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="18">
              <l>Ein Etwas, welches ich empfinde,</l><lb/>
              <l>J&#x017F;t &#x017F;u&#x0364;ß, i&#x017F;t lieblich, i&#x017F;t gelinde:</l><lb/>
              <l>Mich ru&#x0364;hrt ein reiner Anmuths-Strahl.</l><lb/>
              <l>Es wallt mein fro&#x0364;hliches Geblu&#x0364;te,</l><lb/>
              <l>Und mein erheitertes Gemu&#x0364;the</l><lb/>
              <l>J&#x017F;t reg&#x2019; und ruhig auf einmahl.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="19">
              <l>Noch mehr! ich eile fort. Jch dencke:</l><lb/>
              <l>Woher kommt die&#x017F;e Lu&#x017F;t? Wie ko&#x0364;nnen Neben</l><lb/>
              <l>Mir Tugenden, die ich nicht hatte, geben?</l><lb/>
              <l>Vermag ihr Safft</l><lb/>
              <l>Jn mir der Redlichkeit und des Ver&#x017F;tandes Krafft</l><lb/>
              <l>Zu mehren, zu erheben?</l><lb/>
              <l>Nein, nein! Ja, ja! Es i&#x017F;t gewiß:</l><lb/>
              <l>Gleich ietzt verla&#x0364;&#x017F;&#x017F;et mich des Zweifels Fin&#x017F;terniß.</l><lb/>
              <l>Du zeige&#x017F;t, da durch dich der Argwohn uns verla&#x0364;&#x017F;&#x017F;t,</l><lb/>
              <l>Zu&#x017F;ammt der Brut der Furcht, des Ha&#x017F;&#x017F;es und der Sorgen,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Daß</fw><lb/></l>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[348/0380] Das herrliche Geſchoͤpf Der Argwohn, nebſt der Furcht, der Menſchen Plage- Geiſter, Sind durch dich weggejagt. Du machſt, an ihrer Stelle, Dich aller meiner Sinnen Meiſter. Es wird in meiner Seelen helle. Vertraulichkeit, Muth, Großmuth, holde Triebe Der faſt erſtorbnen Naͤchſten-Liebe Verziehen mein Gemuͤth, beherrſchen meinen Sinn. Kaum bin ich mehr derſelbe, der ich bin. Ein Etwas, welches ich empfinde, Jſt ſuͤß, iſt lieblich, iſt gelinde: Mich ruͤhrt ein reiner Anmuths-Strahl. Es wallt mein froͤhliches Gebluͤte, Und mein erheitertes Gemuͤthe Jſt reg’ und ruhig auf einmahl. Noch mehr! ich eile fort. Jch dencke: Woher kommt dieſe Luſt? Wie koͤnnen Neben Mir Tugenden, die ich nicht hatte, geben? Vermag ihr Safft Jn mir der Redlichkeit und des Verſtandes Krafft Zu mehren, zu erheben? Nein, nein! Ja, ja! Es iſt gewiß: Gleich ietzt verlaͤſſet mich des Zweifels Finſterniß. Du zeigeſt, da durch dich der Argwohn uns verlaͤſſt, Zuſammt der Brut der Furcht, des Haſſes und der Sorgen, Daß

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735/380
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735, S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735/380>, abgerufen am 31.10.2024.