Daß noch in unsrer Brust ein Rest Von Menschen-Lieb' und Billigkeit verborgen, Die durch Gewohnheit gantz versteckt, Verhüllt gewesen und verdeckt. Wie aber in der Lufft der Sonnen Licht Der Wolcken Dufft zertheilt: iedoch derselben Hitze, (Wenn sie zu starck) uns brennt: so ist bey dieser Gluth, Die Ubermasse auch nicht gut, Die Masse nöthig, heilsam, nütze. Drüm dencke, wer ihn trinckt, aus Danckbarkeit dabey, Daß übermass' uns untersaget, Daß Mass' absonderlich Dem, Der ihn giebt, behaget; Ja daß sie noch die Lust zu mehren dienlich sey.
So trinck ich nur noch eins. Wie Wunder-süß, Wie angenehm, wie sanft ist dieß! Wie lieblich beissend, wie verschiedlich Jst der verbundene Geschmack, wie niedlich!
Der, durch den süssen Druck, gerührte Geist, verspüret, Vernimmt und mercket gleichsam hie, Jm Wolschmack, eine Harmonie, Die ihm sehr angenehm, und die ihn allgemach, Denckt er der Anmuth nur vernünftig nach; Jn seiner Lust, zum grossen Geber führet.
Jch sehe, mit vergnügten Blicken, Jch schmecke, gleichsam mit Entzücken,
Wie
Des Tockayer-Weins.
Daß noch in unſrer Bruſt ein Reſt Von Menſchen-Lieb’ und Billigkeit verborgen, Die durch Gewohnheit gantz verſteckt, Verhuͤllt geweſen und verdeckt. Wie aber in der Lufft der Sonnen Licht Der Wolcken Dufft zertheilt: iedoch derſelben Hitze, (Wenn ſie zu ſtarck) uns brennt: ſo iſt bey dieſer Gluth, Die Ubermaſſe auch nicht gut, Die Maſſe noͤthig, heilſam, nuͤtze. Druͤm dencke, wer ihn trinckt, aus Danckbarkeit dabey, Daß uͤbermaſſ’ uns unterſaget, Daß Maſſ’ abſonderlich Dem, Der ihn giebt, behaget; Ja daß ſie noch die Luſt zu mehren dienlich ſey.
So trinck ich nur noch eins. Wie Wunder-ſuͤß, Wie angenehm, wie ſanft iſt dieß! Wie lieblich beiſſend, wie verſchiedlich Jſt der verbundene Geſchmack, wie niedlich!
Der, durch den ſuͤſſen Druck, geruͤhrte Geiſt, verſpuͤret, Vernimmt und mercket gleichſam hie, Jm Wolſchmack, eine Harmonie, Die ihm ſehr angenehm, und die ihn allgemach, Denckt er der Anmuth nur vernuͤnftig nach; Jn ſeiner Luſt, zum groſſen Geber fuͤhret.
Jch ſehe, mit vergnuͤgten Blicken, Jch ſchmecke, gleichſam mit Entzuͤcken,
Wie
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Des Tockayer-Weins.
Daß noch in unſrer Bruſt ein Reſt
Von Menſchen-Lieb’ und Billigkeit verborgen,
Die durch Gewohnheit gantz verſteckt,
Verhuͤllt geweſen und verdeckt.
Wie aber in der Lufft der Sonnen Licht
Der Wolcken Dufft zertheilt: iedoch derſelben Hitze,
(Wenn ſie zu ſtarck) uns brennt: ſo iſt bey dieſer Gluth,
Die Ubermaſſe auch nicht gut,
Die Maſſe noͤthig, heilſam, nuͤtze.
Druͤm dencke, wer ihn trinckt, aus Danckbarkeit dabey,
Daß uͤbermaſſ’ uns unterſaget,
Daß Maſſ’ abſonderlich Dem, Der ihn giebt, behaget;
Ja daß ſie noch die Luſt zu mehren dienlich ſey.
So trinck ich nur noch eins. Wie Wunder-ſuͤß,
Wie angenehm, wie ſanft iſt dieß!
Wie lieblich beiſſend, wie verſchiedlich
Jſt der verbundene Geſchmack, wie niedlich!
Der, durch den ſuͤſſen Druck, geruͤhrte Geiſt, verſpuͤret,
Vernimmt und mercket gleichſam hie,
Jm Wolſchmack, eine Harmonie,
Die ihm ſehr angenehm, und die ihn allgemach,
Denckt er der Anmuth nur vernuͤnftig nach;
Jn ſeiner Luſt, zum groſſen Geber fuͤhret.
Jch ſehe, mit vergnuͤgten Blicken,
Jch ſchmecke, gleichſam mit Entzuͤcken,
Wie
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735, S. 349. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735/381>, abgerufen am 22.11.2024.
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