Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736.Hirten-Gedicht. Die man, zu unserm Nutz, Erhaltung, Lust und Freude, Jm Saamen überall, doch meistens im Getraide, Verspühret. Wer begreift doch die Vermehrungs-Kraft So jedes Saamen-Körnlein heget! Und welche GOtt, der alles wirckt und schafft, So wunderbar darein geleget! Da sie nur blos um uns zu nähren, So unbegreiflich sich vermehren! Begreift ihr denn, geliebte Menschen nicht, Wie würcklich hier ein Wunderwerck geschicht, Da GOtt sich jährlich hier so Gnaden-reich erweis't, Und mit so wenig Korn viel tausend Menschen speis't? Da, trotz den Vögeln, wilden Thieren, Gewürm', in deren Meng' und Zahl wir uns verliehren, Die alle theils die Frucht, den Saamen theils, verzehren, Wir biß zum Ueberfluß, dennoch gesättigt seyn. Wo etwas auf der Welt der GOttheit Allmacht zeiget Und daß den menschlichen Begrif weit übersteiget, So ist es die Vermehrungs-Eigenschaft, Die er, bloß durch ein Wort, ins erste Korn geleget, Und eine solche Wunder-Kraft Jn solchen kleinen Raum gepräget, Daß alle Körner, so die Welt, Von je enthalten hat, noch jetzt enthält, Und die biß zum Vergehn der Erden, Darin verwunderlich gezeuget werden, Aus dieser Kraft noch ihre Kräft' empfangen, Und aus dem Wunder-Wort noch ihre Daur erlangen. Denn ob wir gleich die Art nicht fassen; So wird sich dieß doch leicht begreiffen lassen, Daß
Hirten-Gedicht. Die man, zu unſerm Nutz, Erhaltung, Luſt und Freude, Jm Saamen uͤberall, doch meiſtens im Getraide, Verſpuͤhret. Wer begreift doch die Vermehrungs-Kraft So jedes Saamen-Koͤrnlein heget! Und welche GOtt, der alles wirckt und ſchafft, So wunderbar darein geleget! Da ſie nur blos um uns zu naͤhren, So unbegreiflich ſich vermehren! Begreift ihr denn, geliebte Menſchen nicht, Wie wuͤrcklich hier ein Wunderwerck geſchicht, Da GOtt ſich jaͤhrlich hier ſo Gnaden-reich erweiſ’t, Und mit ſo wenig Korn viel tauſend Menſchen ſpeiſ’t? Da, trotz den Voͤgeln, wilden Thieren, Gewuͤrm’, in deren Meng’ und Zahl wir uns verliehren, Die alle theils die Frucht, den Saamen theils, verzehren, Wir biß zum Ueberfluß, dennoch geſaͤttigt ſeyn. Wo etwas auf der Welt der GOttheit Allmacht zeiget Und daß den menſchlichen Begrif weit uͤberſteiget, So iſt es die Vermehrungs-Eigenſchaft, Die er, bloß durch ein Wort, ins erſte Korn geleget, Und eine ſolche Wunder-Kraft Jn ſolchen kleinen Raum gepraͤget, Daß alle Koͤrner, ſo die Welt, Von je enthalten hat, noch jetzt enthaͤlt, Und die biß zum Vergehn der Erden, Darin verwunderlich gezeuget werden, Aus dieſer Kraft noch ihre Kraͤft’ empfangen, Und aus dem Wunder-Wort noch ihre Daur erlangen. Denn ob wir gleich die Art nicht faſſen; So wird ſich dieß doch leicht begreiffen laſſen, Daß
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0108" n="92"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Hirten-Gedicht.</hi> </fw><lb/> <lg n="24"> <l>Die man, zu unſerm Nutz, Erhaltung, Luſt und Freude,</l><lb/> <l>Jm Saamen uͤberall, doch meiſtens im Getraide,</l><lb/> <l>Verſpuͤhret. Wer begreift doch die Vermehrungs-Kraft</l><lb/> <l>So jedes Saamen-Koͤrnlein heget!</l><lb/> <l>Und welche GOtt, der alles wirckt und ſchafft,</l><lb/> <l>So wunderbar darein geleget!</l><lb/> <l>Da ſie nur blos um uns zu naͤhren,</l><lb/> <l>So unbegreiflich ſich vermehren!</l><lb/> <l>Begreift ihr denn, geliebte Menſchen nicht,</l><lb/> <l>Wie wuͤrcklich hier ein Wunderwerck geſchicht,</l><lb/> <l>Da GOtt ſich jaͤhrlich hier ſo Gnaden-reich erweiſ’t,</l><lb/> <l>Und mit ſo wenig Korn viel tauſend Menſchen ſpeiſ’t?</l><lb/> <l>Da, trotz den Voͤgeln, wilden Thieren,</l><lb/> <l>Gewuͤrm’, in deren Meng’ und Zahl wir uns verliehren,</l><lb/> <l>Die alle theils die Frucht, den Saamen theils, verzehren,</l><lb/> <l>Wir biß zum Ueberfluß, dennoch geſaͤttigt ſeyn.</l><lb/> <l>Wo etwas auf der Welt der GOttheit Allmacht zeiget</l><lb/> <l>Und daß den menſchlichen Begrif weit uͤberſteiget,</l><lb/> <l>So iſt es die Vermehrungs-Eigenſchaft,</l><lb/> <l>Die er, bloß durch ein Wort, ins erſte Korn geleget,</l><lb/> <l>Und eine ſolche Wunder-Kraft</l><lb/> <l>Jn ſolchen kleinen Raum gepraͤget,</l><lb/> <l>Daß alle Koͤrner, ſo die Welt,</l><lb/> <l>Von je enthalten hat, noch jetzt enthaͤlt,</l><lb/> <l>Und die biß zum Vergehn der Erden,</l><lb/> <l>Darin verwunderlich gezeuget werden,</l><lb/> <l>Aus dieſer Kraft noch ihre Kraͤft’ empfangen,</l><lb/> <l>Und aus dem Wunder-Wort noch ihre Daur erlangen.</l><lb/> <l>Denn ob wir gleich die Art nicht faſſen;</l><lb/> <l>So wird ſich dieß doch leicht begreiffen laſſen,</l> </lg><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Daß</fw><lb/> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [92/0108]
Hirten-Gedicht.
Die man, zu unſerm Nutz, Erhaltung, Luſt und Freude,
Jm Saamen uͤberall, doch meiſtens im Getraide,
Verſpuͤhret. Wer begreift doch die Vermehrungs-Kraft
So jedes Saamen-Koͤrnlein heget!
Und welche GOtt, der alles wirckt und ſchafft,
So wunderbar darein geleget!
Da ſie nur blos um uns zu naͤhren,
So unbegreiflich ſich vermehren!
Begreift ihr denn, geliebte Menſchen nicht,
Wie wuͤrcklich hier ein Wunderwerck geſchicht,
Da GOtt ſich jaͤhrlich hier ſo Gnaden-reich erweiſ’t,
Und mit ſo wenig Korn viel tauſend Menſchen ſpeiſ’t?
Da, trotz den Voͤgeln, wilden Thieren,
Gewuͤrm’, in deren Meng’ und Zahl wir uns verliehren,
Die alle theils die Frucht, den Saamen theils, verzehren,
Wir biß zum Ueberfluß, dennoch geſaͤttigt ſeyn.
Wo etwas auf der Welt der GOttheit Allmacht zeiget
Und daß den menſchlichen Begrif weit uͤberſteiget,
So iſt es die Vermehrungs-Eigenſchaft,
Die er, bloß durch ein Wort, ins erſte Korn geleget,
Und eine ſolche Wunder-Kraft
Jn ſolchen kleinen Raum gepraͤget,
Daß alle Koͤrner, ſo die Welt,
Von je enthalten hat, noch jetzt enthaͤlt,
Und die biß zum Vergehn der Erden,
Darin verwunderlich gezeuget werden,
Aus dieſer Kraft noch ihre Kraͤft’ empfangen,
Und aus dem Wunder-Wort noch ihre Daur erlangen.
Denn ob wir gleich die Art nicht faſſen;
So wird ſich dieß doch leicht begreiffen laſſen,
Daß
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |