Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736.

Bild:
<< vorherige Seite
Der geschlagene Hund.
Neulich rannt ein grosser Hund, mit erbärmlichem
Geschrey,
Weil man ihn geschlagen hatte, Sporenstreichs mein Haus
vorbey,
Als ich an der Thüre stand. Dieser laute Ton durchdrang
Nicht nur mein beleidigt Ohr, sondern der zu scharfe
Klang
Drang mir durchs Gehör ins Hertz. Da ich denn bewun-
derte
Wie, durch wunderbare Wege, die Natur so gar den
Thieren,
Wenn sie Ungemach und Weh,
Welches ihren Cörpern schädlich, und beschwehrlich ist,
verspühren,
Nicht nur einen Trieb zu schreyen, sondern Werck-Zeug'
ihnen schenckt,
Wodurch laute Tön' erreget, und wir zur Aufmercksamkeit,
Ja zum Mitleid, wenigstens zur Verdrießlichkeit, gelencket,
Ein so wüst Geschrey zu hören, wodurch sie denn oft
befreit,
Bald aus Mitleid zu uns selbst, bald aus Mitleid gegen
sie.
Diesem Wunder in den Tönen, und den herrlichen Ge-
setzen
Der verständigen Natur, dacht ich ferner, mit Ergötzen
Und mit Ehrfurcht, ernstlich nach. Letztlich kam ich von
dem Vieh
Gar
J 3
Der geſchlagene Hund.
Neulich rannt ein groſſer Hund, mit erbaͤrmlichem
Geſchrey,
Weil man ihn geſchlagen hatte, Sporenſtreichs mein Haus
vorbey,
Als ich an der Thuͤre ſtand. Dieſer laute Ton durchdrang
Nicht nur mein beleidigt Ohr, ſondern der zu ſcharfe
Klang
Drang mir durchs Gehoͤr ins Hertz. Da ich denn bewun-
derte
Wie, durch wunderbare Wege, die Natur ſo gar den
Thieren,
Wenn ſie Ungemach und Weh,
Welches ihren Coͤrpern ſchaͤdlich, und beſchwehrlich iſt,
verſpuͤhren,
Nicht nur einen Trieb zu ſchreyen, ſondern Werck-Zeug’
ihnen ſchenckt,
Wodurch laute Toͤn’ erreget, und wir zur Aufmerckſamkeit,
Ja zum Mitleid, wenigſtens zur Verdrießlichkeit, gelencket,
Ein ſo wuͤſt Geſchrey zu hoͤren, wodurch ſie denn oft
befreit,
Bald aus Mitleid zu uns ſelbſt, bald aus Mitleid gegen
ſie.
Dieſem Wunder in den Toͤnen, und den herrlichen Ge-
ſetzen
Der verſtaͤndigen Natur, dacht ich ferner, mit Ergoͤtzen
Und mit Ehrfurcht, ernſtlich nach. Letztlich kam ich von
dem Vieh
Gar
J 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0149" n="133"/>
        <lg type="poem">
          <head> <hi rendition="#b">Der ge&#x017F;chlagene Hund.</hi> </head><lb/>
          <l><hi rendition="#in">N</hi>eulich rannt ein gro&#x017F;&#x017F;er Hund, mit erba&#x0364;rmlichem</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">Ge&#x017F;chrey,</hi> </l><lb/>
          <l>Weil man ihn ge&#x017F;chlagen hatte, Sporen&#x017F;treichs mein Haus</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">vorbey,</hi> </l><lb/>
          <l>Als ich an der Thu&#x0364;re &#x017F;tand. Die&#x017F;er laute Ton durchdrang</l><lb/>
          <l>Nicht nur mein beleidigt Ohr, &#x017F;ondern der zu &#x017F;charfe</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">Klang</hi> </l><lb/>
          <l>Drang mir durchs Geho&#x0364;r ins Hertz. Da ich denn bewun-</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">derte</hi> </l><lb/>
          <l>Wie, durch wunderbare Wege, die Natur &#x017F;o gar den</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">Thieren,</hi> </l><lb/>
          <l>Wenn &#x017F;ie Ungemach und Weh,</l><lb/>
          <l>Welches ihren Co&#x0364;rpern &#x017F;cha&#x0364;dlich, und be&#x017F;chwehrlich i&#x017F;t,</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">ver&#x017F;pu&#x0364;hren,</hi> </l><lb/>
          <l>Nicht nur einen Trieb zu &#x017F;chreyen, &#x017F;ondern Werck-Zeug&#x2019;</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">ihnen &#x017F;chenckt,</hi> </l><lb/>
          <l>Wodurch laute To&#x0364;n&#x2019; erreget, und wir zur Aufmerck&#x017F;amkeit,</l><lb/>
          <l>Ja zum Mitleid, wenig&#x017F;tens zur Verdrießlichkeit, gelencket,</l><lb/>
          <l>Ein &#x017F;o wu&#x0364;&#x017F;t Ge&#x017F;chrey zu ho&#x0364;ren, wodurch &#x017F;ie denn oft</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">befreit,</hi> </l><lb/>
          <l>Bald aus Mitleid zu uns &#x017F;elb&#x017F;t, bald aus Mitleid gegen</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">&#x017F;ie.</hi> </l><lb/>
          <l>Die&#x017F;em Wunder in den To&#x0364;nen, und den herrlichen Ge-</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">&#x017F;etzen</hi> </l><lb/>
          <l>Der ver&#x017F;ta&#x0364;ndigen Natur, dacht ich ferner, mit Ergo&#x0364;tzen</l><lb/>
          <l>Und mit Ehrfurcht, ern&#x017F;tlich nach. Letztlich kam ich von</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">dem Vieh</hi> </l>
        </lg><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">J 3</fw>
        <fw place="bottom" type="catch">Gar</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[133/0149] Der geſchlagene Hund. Neulich rannt ein groſſer Hund, mit erbaͤrmlichem Geſchrey, Weil man ihn geſchlagen hatte, Sporenſtreichs mein Haus vorbey, Als ich an der Thuͤre ſtand. Dieſer laute Ton durchdrang Nicht nur mein beleidigt Ohr, ſondern der zu ſcharfe Klang Drang mir durchs Gehoͤr ins Hertz. Da ich denn bewun- derte Wie, durch wunderbare Wege, die Natur ſo gar den Thieren, Wenn ſie Ungemach und Weh, Welches ihren Coͤrpern ſchaͤdlich, und beſchwehrlich iſt, verſpuͤhren, Nicht nur einen Trieb zu ſchreyen, ſondern Werck-Zeug’ ihnen ſchenckt, Wodurch laute Toͤn’ erreget, und wir zur Aufmerckſamkeit, Ja zum Mitleid, wenigſtens zur Verdrießlichkeit, gelencket, Ein ſo wuͤſt Geſchrey zu hoͤren, wodurch ſie denn oft befreit, Bald aus Mitleid zu uns ſelbſt, bald aus Mitleid gegen ſie. Dieſem Wunder in den Toͤnen, und den herrlichen Ge- ſetzen Der verſtaͤndigen Natur, dacht ich ferner, mit Ergoͤtzen Und mit Ehrfurcht, ernſtlich nach. Letztlich kam ich von dem Vieh Gar J 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen05_1736
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen05_1736/149
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen05_1736/149>, abgerufen am 21.11.2024.