Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736.Der geschlagene Hund. Neulich rannt ein grosser Hund, mit erbärmlichemGeschrey, Weil man ihn geschlagen hatte, Sporenstreichs mein Haus vorbey, Als ich an der Thüre stand. Dieser laute Ton durchdrang Nicht nur mein beleidigt Ohr, sondern der zu scharfe Klang Drang mir durchs Gehör ins Hertz. Da ich denn bewun- derte Wie, durch wunderbare Wege, die Natur so gar den Thieren, Wenn sie Ungemach und Weh, Welches ihren Cörpern schädlich, und beschwehrlich ist, verspühren, Nicht nur einen Trieb zu schreyen, sondern Werck-Zeug' ihnen schenckt, Wodurch laute Tön' erreget, und wir zur Aufmercksamkeit, Ja zum Mitleid, wenigstens zur Verdrießlichkeit, gelencket, Ein so wüst Geschrey zu hören, wodurch sie denn oft befreit, Bald aus Mitleid zu uns selbst, bald aus Mitleid gegen sie. Diesem Wunder in den Tönen, und den herrlichen Ge- setzen Der verständigen Natur, dacht ich ferner, mit Ergötzen Und mit Ehrfurcht, ernstlich nach. Letztlich kam ich von dem Vieh Gar J 3
Der geſchlagene Hund. Neulich rannt ein groſſer Hund, mit erbaͤrmlichemGeſchrey, Weil man ihn geſchlagen hatte, Sporenſtreichs mein Haus vorbey, Als ich an der Thuͤre ſtand. Dieſer laute Ton durchdrang Nicht nur mein beleidigt Ohr, ſondern der zu ſcharfe Klang Drang mir durchs Gehoͤr ins Hertz. Da ich denn bewun- derte Wie, durch wunderbare Wege, die Natur ſo gar den Thieren, Wenn ſie Ungemach und Weh, Welches ihren Coͤrpern ſchaͤdlich, und beſchwehrlich iſt, verſpuͤhren, Nicht nur einen Trieb zu ſchreyen, ſondern Werck-Zeug’ ihnen ſchenckt, Wodurch laute Toͤn’ erreget, und wir zur Aufmerckſamkeit, Ja zum Mitleid, wenigſtens zur Verdrießlichkeit, gelencket, Ein ſo wuͤſt Geſchrey zu hoͤren, wodurch ſie denn oft befreit, Bald aus Mitleid zu uns ſelbſt, bald aus Mitleid gegen ſie. Dieſem Wunder in den Toͤnen, und den herrlichen Ge- ſetzen Der verſtaͤndigen Natur, dacht ich ferner, mit Ergoͤtzen Und mit Ehrfurcht, ernſtlich nach. Letztlich kam ich von dem Vieh Gar J 3
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Der geſchlagene Hund.
Neulich rannt ein groſſer Hund, mit erbaͤrmlichem
Geſchrey,
Weil man ihn geſchlagen hatte, Sporenſtreichs mein Haus
vorbey,
Als ich an der Thuͤre ſtand. Dieſer laute Ton durchdrang
Nicht nur mein beleidigt Ohr, ſondern der zu ſcharfe
Klang
Drang mir durchs Gehoͤr ins Hertz. Da ich denn bewun-
derte
Wie, durch wunderbare Wege, die Natur ſo gar den
Thieren,
Wenn ſie Ungemach und Weh,
Welches ihren Coͤrpern ſchaͤdlich, und beſchwehrlich iſt,
verſpuͤhren,
Nicht nur einen Trieb zu ſchreyen, ſondern Werck-Zeug’
ihnen ſchenckt,
Wodurch laute Toͤn’ erreget, und wir zur Aufmerckſamkeit,
Ja zum Mitleid, wenigſtens zur Verdrießlichkeit, gelencket,
Ein ſo wuͤſt Geſchrey zu hoͤren, wodurch ſie denn oft
befreit,
Bald aus Mitleid zu uns ſelbſt, bald aus Mitleid gegen
ſie.
Dieſem Wunder in den Toͤnen, und den herrlichen Ge-
ſetzen
Der verſtaͤndigen Natur, dacht ich ferner, mit Ergoͤtzen
Und mit Ehrfurcht, ernſtlich nach. Letztlich kam ich von
dem Vieh
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