Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736.Sonnen-Lehre. Quell des Lichts und aller Wonne! "Lebens Ursprung! helle Sonne! "Du läß't alles, was auf Erden, "Warm und licht und fruchtbar werden; "Sollte denn dein Lebens-Schein "Nicht die wahre GOttheit seyn? Es würd' ein Perser so zu sprechen Sich nicht entbrechen. Allein die Sonne selbst, indem sie uns verläßt, Zeigt, daß sie solchen Ruhm nicht könn' ertragen. Sie setzet diese Wahrheit fest, Ja scheinet, wenn sie weicht, uns gleichsam dieß zu sagen: Laß, liebster Mensch, doch meine Pracht und Zier, So wie dein leiblich Auge, dir Nicht auch dein Seelen Auge blenden! Wär' ich ein GOtt; wie könnte sich Mein Glantz entfernen, und ich mich, Gehemmt von etwas, weg- und abwärts wenden, Allein, wilt du die GOttheit sehn, Und seine Grösse kennen lernen; So kann es zwar durch mich geschehn, Doch muß ich mich so dann entfernen. Jhr alle könnt durch mich, in seinen Creaturen, Vom grossen Schöpfer, helle Spuren; Doch ohne mich von ihm noch grössre, sehn. So bald durch eurer Erde drehn, Jhr mich verliert, und ich für euch verschwunden; So
Sonnen-Lehre. Quell des Lichts und aller Wonne! „Lebens Urſprung! helle Sonne! „Du laͤß’t alles, was auf Erden, „Warm und licht und fruchtbar werden; „Sollte denn dein Lebens-Schein „Nicht die wahre GOttheit ſeyn? Es wuͤrd’ ein Perſer ſo zu ſprechen Sich nicht entbrechen. Allein die Sonne ſelbſt, indem ſie uns verlaͤßt, Zeigt, daß ſie ſolchen Ruhm nicht koͤnn’ ertragen. Sie ſetzet dieſe Wahrheit feſt, Ja ſcheinet, wenn ſie weicht, uns gleichſam dieß zu ſagen: Laß, liebſter Menſch, doch meine Pracht und Zier, So wie dein leiblich Auge, dir Nicht auch dein Seelen Auge blenden! Waͤr’ ich ein GOtt; wie koͤnnte ſich Mein Glantz entfernen, und ich mich, Gehemmt von etwas, weg- und abwaͤrts wenden, Allein, wilt du die GOttheit ſehn, Und ſeine Groͤſſe kennen lernen; So kann es zwar durch mich geſchehn, Doch muß ich mich ſo dann entfernen. Jhr alle koͤnnt durch mich, in ſeinen Creaturen, Vom groſſen Schoͤpfer, helle Spuren; Doch ohne mich von ihm noch groͤſſre, ſehn. So bald durch eurer Erde drehn, Jhr mich verliert, und ich fuͤr euch verſchwunden; So
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Sonnen-Lehre.
Quell des Lichts und aller Wonne!
„Lebens Urſprung! helle Sonne!
„Du laͤß’t alles, was auf Erden,
„Warm und licht und fruchtbar werden;
„Sollte denn dein Lebens-Schein
„Nicht die wahre GOttheit ſeyn?
Es wuͤrd’ ein Perſer ſo zu ſprechen
Sich nicht entbrechen.
Allein die Sonne ſelbſt, indem ſie uns verlaͤßt,
Zeigt, daß ſie ſolchen Ruhm nicht koͤnn’ ertragen.
Sie ſetzet dieſe Wahrheit feſt,
Ja ſcheinet, wenn ſie weicht, uns gleichſam dieß zu ſagen:
Laß, liebſter Menſch, doch meine Pracht und Zier,
So wie dein leiblich Auge, dir
Nicht auch dein Seelen Auge blenden!
Waͤr’ ich ein GOtt; wie koͤnnte ſich
Mein Glantz entfernen, und ich mich,
Gehemmt von etwas, weg- und abwaͤrts wenden,
Allein, wilt du die GOttheit ſehn,
Und ſeine Groͤſſe kennen lernen;
So kann es zwar durch mich geſchehn,
Doch muß ich mich ſo dann entfernen.
Jhr alle koͤnnt durch mich, in ſeinen Creaturen,
Vom groſſen Schoͤpfer, helle Spuren;
Doch ohne mich von ihm noch groͤſſre, ſehn.
So bald durch eurer Erde drehn,
Jhr mich verliert, und ich fuͤr euch verſchwunden;
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