Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736.Erinnerung. Sind denn vielleicht nicht auf der WeltDie Wunder, die man sieht, uns würcklich vorgestellt? Bebüschte Hügel? grüne Felder? Beblühmte Wiesen? kühle Wälder? Gesunde Kräuter? süsse Früchte? Den nährenden Geschmack vergnügende Gerichte? Christallen-gleiche reine Bäche? So mancher Berg? so manche Fläche? Es sind vielleicht, in süssen Chören, Die bunten Vögel nicht zu hören; Jst es vielleicht nicht wahr, daß Blumen uns erqvicken? Daß sie, für uns, die Erde schmücken? Sieht man, nebst tausend Seltenheiten, Und ungezehlten Herrlichkeiten, Das all-erfreu'nde Sonnen-Licht Vielleicht mit unsern Augen nicht? Jst etwann alles dieß nicht würcklich da? O ja! Jst alles denn nun würcklich da; wie man Unmöglich leugnen kann; Warum denn sieht man es nicht an? Warum will man an aller Pracht, Warum will man an allen Schätzen Sich nicht ergetzen; Noch loben den, der sie gemacht? Es scheint wir wollen, blos um GOtt nur nicht zu ehren, Nicht schmecken, riechen, sehn und hören. Wir sehn ja überall die Spur Von einer gütigen Natur, Die
Erinnerung. Sind denn vielleicht nicht auf der WeltDie Wunder, die man ſieht, uns wuͤrcklich vorgeſtellt? Bebuͤſchte Huͤgel? gruͤne Felder? Bebluͤhmte Wieſen? kuͤhle Waͤlder? Geſunde Kraͤuter? ſuͤſſe Fruͤchte? Den naͤhrenden Geſchmack vergnuͤgende Gerichte? Chriſtallen-gleiche reine Baͤche? So mancher Berg? ſo manche Flaͤche? Es ſind vielleicht, in ſuͤſſen Choͤren, Die bunten Voͤgel nicht zu hoͤren; Jſt es vielleicht nicht wahr, daß Blumen uns erqvicken? Daß ſie, fuͤr uns, die Erde ſchmuͤcken? Sieht man, nebſt tauſend Seltenheiten, Und ungezehlten Herrlichkeiten, Das all-erfreu’nde Sonnen-Licht Vielleicht mit unſern Augen nicht? Jſt etwann alles dieß nicht wuͤrcklich da? O ja! Jſt alles denn nun wuͤrcklich da; wie man Unmoͤglich leugnen kann; Warum denn ſieht man es nicht an? Warum will man an aller Pracht, Warum will man an allen Schaͤtzen Sich nicht ergetzen; Noch loben den, der ſie gemacht? Es ſcheint wir wollen, blos um GOtt nur nicht zu ehren, Nicht ſchmecken, riechen, ſehn und hoͤren. Wir ſehn ja uͤberall die Spur Von einer guͤtigen Natur, Die
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Erinnerung.
Sind denn vielleicht nicht auf der Welt
Die Wunder, die man ſieht, uns wuͤrcklich vorgeſtellt?
Bebuͤſchte Huͤgel? gruͤne Felder?
Bebluͤhmte Wieſen? kuͤhle Waͤlder?
Geſunde Kraͤuter? ſuͤſſe Fruͤchte?
Den naͤhrenden Geſchmack vergnuͤgende Gerichte?
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So mancher Berg? ſo manche Flaͤche?
Es ſind vielleicht, in ſuͤſſen Choͤren,
Die bunten Voͤgel nicht zu hoͤren;
Jſt es vielleicht nicht wahr, daß Blumen uns erqvicken?
Daß ſie, fuͤr uns, die Erde ſchmuͤcken?
Sieht man, nebſt tauſend Seltenheiten,
Und ungezehlten Herrlichkeiten,
Das all-erfreu’nde Sonnen-Licht
Vielleicht mit unſern Augen nicht?
Jſt etwann alles dieß nicht wuͤrcklich da?
O ja!
Jſt alles denn nun wuͤrcklich da; wie man
Unmoͤglich leugnen kann;
Warum denn ſieht man es nicht an?
Warum will man an aller Pracht,
Warum will man an allen Schaͤtzen
Sich nicht ergetzen;
Noch loben den, der ſie gemacht?
Es ſcheint wir wollen, blos um GOtt nur nicht zu ehren,
Nicht ſchmecken, riechen, ſehn und hoͤren.
Wir ſehn ja uͤberall die Spur
Von einer guͤtigen Natur,
Die
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