Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736.Aufgelöseter Zweiffel. Jch habe, leider! oft, wie ich bereits erzehlet,Mit einem Zweiffel mich gequälet: Ob für den Schöpfer aller Dinge, Nicht aller Menschen Danck und Ehre, zu geringe, Zu elend, zu verächtlich wären? Jtzt wünsch' ich, dir und mir noch ferner zu erklären, Daß diese Zweifels-Last, wie starck sie scheint, wie fest; Durch die Vernunft sich dennoch heben läßt. Wie künstlich unser Leib von aussen und von innen Gebildet sey, ist klar; daß dessen Kunst die Sinnen Zu ihrem Endzweck hab', ist auch nicht minder wahr; Daß durch dieselben nun die Seelen Sich mit der Creatur vermählen, Jst gleichfals sonder Streit. Dieß scheint der Endzweck nun, Die Absicht und der Grund. Daß, von der Menschen Thun So herrlich nichts, als die Gedancken, seyn; Stimmt mit Erfahrung überein: Da alle Dinge nun uns ferner überzeugen, Daß die Gedancken höher steigen, Als das was Cörperlich; So zeigt von selbsten sich, Daß die Gedancken ja von uns das gröste, Das herrlichste, das beste. Das Beste nun von einem jeden Wesen Scheint für die GOttheit ja mit allem Recht erlesen. Von
Aufgeloͤſeter Zweiffel. Jch habe, leider! oft, wie ich bereits erzehlet,Mit einem Zweiffel mich gequaͤlet: Ob fuͤr den Schoͤpfer aller Dinge, Nicht aller Menſchen Danck und Ehre, zu geringe, Zu elend, zu veraͤchtlich waͤren? Jtzt wuͤnſch’ ich, dir und mir noch ferner zu erklaͤren, Daß dieſe Zweifels-Laſt, wie ſtarck ſie ſcheint, wie feſt; Durch die Vernunft ſich dennoch heben laͤßt. Wie kuͤnſtlich unſer Leib von auſſen und von innen Gebildet ſey, iſt klar; daß deſſen Kunſt die Sinnen Zu ihrem Endzweck hab’, iſt auch nicht minder wahr; Daß durch dieſelben nun die Seelen Sich mit der Creatur vermaͤhlen, Jſt gleichfals ſonder Streit. Dieß ſcheint der Endzweck nun, Die Abſicht und der Grund. Daß, von der Menſchen Thun So herrlich nichts, als die Gedancken, ſeyn; Stimmt mit Erfahrung uͤberein: Da alle Dinge nun uns ferner uͤberzeugen, Daß die Gedancken hoͤher ſteigen, Als das was Coͤrperlich; So zeigt von ſelbſten ſich, Daß die Gedancken ja von uns das groͤſte, Das herrlichſte, das beſte. Das Beſte nun von einem jeden Weſen Scheint fuͤr die GOttheit ja mit allem Recht erleſen. Von
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Aufgeloͤſeter Zweiffel.
Jch habe, leider! oft, wie ich bereits erzehlet,
Mit einem Zweiffel mich gequaͤlet:
Ob fuͤr den Schoͤpfer aller Dinge,
Nicht aller Menſchen Danck und Ehre, zu geringe,
Zu elend, zu veraͤchtlich waͤren?
Jtzt wuͤnſch’ ich, dir und mir noch ferner zu erklaͤren,
Daß dieſe Zweifels-Laſt, wie ſtarck ſie ſcheint, wie feſt;
Durch die Vernunft ſich dennoch heben laͤßt.
Wie kuͤnſtlich unſer Leib von auſſen und von innen
Gebildet ſey, iſt klar; daß deſſen Kunſt die Sinnen
Zu ihrem Endzweck hab’, iſt auch nicht minder wahr;
Daß durch dieſelben nun die Seelen
Sich mit der Creatur vermaͤhlen,
Jſt gleichfals ſonder Streit. Dieß ſcheint der Endzweck
nun,
Die Abſicht und der Grund. Daß, von der Menſchen
Thun
So herrlich nichts, als die Gedancken, ſeyn;
Stimmt mit Erfahrung uͤberein:
Da alle Dinge nun uns ferner uͤberzeugen,
Daß die Gedancken hoͤher ſteigen,
Als das was Coͤrperlich;
So zeigt von ſelbſten ſich,
Daß die Gedancken ja von uns das groͤſte,
Das herrlichſte, das beſte.
Das Beſte nun von einem jeden Weſen
Scheint fuͤr die GOttheit ja mit allem Recht erleſen.
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