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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736.

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Nothwendigkeit die gegenwärtige Zeit,
und das Gute, so wir darin besitzen,
zu erwegen.
Wie unglückseelig sind wir Menschen, und zwar da-
durch fast blos allein,
Daß wir für das besessne Gute, unbillig, unempfindlich seyn!
Die grösten Schätze, die wir haben, sind, wie wir ja
gestehen müssen,
Gesundheit, Güter, gut Gerüchte, Bequemlichkeit und
gut Gewissen;
Doch wird uns leider ihr Genuß blos durch Gewohnheit
so entrissen,
Daß, da wir nicht daran gedencken, uns der Besitz gantz
unbewust
Und wir sie leider gar nicht fühlen, als in derselbigen
Verlust.
Die Ursach ist leicht zu ergründen: Wir sind vom Schö-
pfer so gemacht,
Daß des Genusses bester Theil in anders nichts besteht, als
Dencken;
Doch wir bemüh'n uns leider nicht, der Seelen Kraft
darauf zu lencken,
Wodurch zugleich der Danck verschwindet. Da dieses
nun unstreitig wahr,
So wird zugleich der gantze Fehler durch solche Wahr-
heit offenbahr.
Allein
P 5
Nothwendigkeit die gegenwaͤrtige Zeit,
und das Gute, ſo wir darin beſitzen,
zu erwegen.
Wie ungluͤckſeelig ſind wir Menſchen, und zwar da-
durch faſt blos allein,
Daß wir fuͤr das beſeſſne Gute, unbillig, unempfindlich ſeyn!
Die groͤſten Schaͤtze, die wir haben, ſind, wie wir ja
geſtehen muͤſſen,
Geſundheit, Guͤter, gut Geruͤchte, Bequemlichkeit und
gut Gewiſſen;
Doch wird uns leider ihr Genuß blos durch Gewohnheit
ſo entriſſen,
Daß, da wir nicht daran gedencken, uns der Beſitz gantz
unbewuſt
Und wir ſie leider gar nicht fuͤhlen, als in derſelbigen
Verluſt.
Die Urſach iſt leicht zu ergruͤnden: Wir ſind vom Schoͤ-
pfer ſo gemacht,
Daß des Genuſſes beſter Theil in anders nichts beſteht, als
Dencken;
Doch wir bemuͤh’n uns leider nicht, der Seelen Kraft
darauf zu lencken,
Wodurch zugleich der Danck verſchwindet. Da dieſes
nun unſtreitig wahr,
So wird zugleich der gantze Fehler durch ſolche Wahr-
heit offenbahr.
Allein
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[233/0249] Nothwendigkeit die gegenwaͤrtige Zeit, und das Gute, ſo wir darin beſitzen, zu erwegen. Wie ungluͤckſeelig ſind wir Menſchen, und zwar da- durch faſt blos allein, Daß wir fuͤr das beſeſſne Gute, unbillig, unempfindlich ſeyn! Die groͤſten Schaͤtze, die wir haben, ſind, wie wir ja geſtehen muͤſſen, Geſundheit, Guͤter, gut Geruͤchte, Bequemlichkeit und gut Gewiſſen; Doch wird uns leider ihr Genuß blos durch Gewohnheit ſo entriſſen, Daß, da wir nicht daran gedencken, uns der Beſitz gantz unbewuſt Und wir ſie leider gar nicht fuͤhlen, als in derſelbigen Verluſt. Die Urſach iſt leicht zu ergruͤnden: Wir ſind vom Schoͤ- pfer ſo gemacht, Daß des Genuſſes beſter Theil in anders nichts beſteht, als Dencken; Doch wir bemuͤh’n uns leider nicht, der Seelen Kraft darauf zu lencken, Wodurch zugleich der Danck verſchwindet. Da dieſes nun unſtreitig wahr, So wird zugleich der gantze Fehler durch ſolche Wahr- heit offenbahr. Allein P 5

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Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen05_1736/249>, abgerufen am 17.05.2024.