Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736.Eigentliche Ehre Wer den Zusammenhang recht eigentlich Von dieser Lehr' erweget, der befindet, Daß auch die Nächsten-Liebe sich Auf Göttlichen Geschöpfs Betracht- und Achtung gründet: Uns ist, als eine Pflicht, befohlen, Daß man den Nächsten lieben soll; Der Grund von dieser Pflicht ist, daß er ja so wol, Als wir, von eben dem den Ursprung hergenommen, Von welchen wir gekommen. Des Nächsten Cörper ist so künstlich, als der deine; Mit deinem stammt sein Geist aus einer Quelle her; Er ist zu unsers Schöpfers Ehr' Ein Werckzeug ja so wol, als wie du selber bist; Dein Wesen ist nicht besser, als das Seine. Betrachteten wir ihn als GOttes Creatur, Wie er ja würcklich ist; Und wären erst gewohnt, den Schöpfer in den Wercken, Nach unsrer Schuldigkeit, mit Ehrfurcht, zu bemercken; So würden wir, dadurch gerührt, nicht nur Des Nächsten Leben ihm nicht mehr verleiden, Jhn weder hassen noch beneiden, Jhn nicht verfolgen, nicht verfluchen, Wie leider oft geschicht: o nein, vielmehr Würd' jeder selbst des Schöpfers Ehr', Den Nächsten hoch zu achten, Auch Nächsten-Liebe, suchen. Be-
Eigentliche Ehre Wer den Zuſammenhang recht eigentlich Von dieſer Lehr’ erweget, der befindet, Daß auch die Naͤchſten-Liebe ſich Auf Goͤttlichen Geſchoͤpfs Betracht- und Achtung gruͤndet: Uns iſt, als eine Pflicht, befohlen, Daß man den Naͤchſten lieben ſoll; Der Grund von dieſer Pflicht iſt, daß er ja ſo wol, Als wir, von eben dem den Urſprung hergenommen, Von welchen wir gekommen. Des Naͤchſten Coͤrper iſt ſo kuͤnſtlich, als der deine; Mit deinem ſtammt ſein Geiſt aus einer Quelle her; Er iſt zu unſers Schoͤpfers Ehr’ Ein Werckzeug ja ſo wol, als wie du ſelber biſt; Dein Weſen iſt nicht beſſer, als das Seine. Betrachteten wir ihn als GOttes Creatur, Wie er ja wuͤrcklich iſt; Und waͤren erſt gewohnt, den Schoͤpfer in den Wercken, Nach unſrer Schuldigkeit, mit Ehrfurcht, zu bemercken; So wuͤrden wir, dadurch geruͤhrt, nicht nur Des Naͤchſten Leben ihm nicht mehr verleiden, Jhn weder haſſen noch beneiden, Jhn nicht verfolgen, nicht verfluchen, Wie leider oft geſchicht: o nein, vielmehr Wuͤrd’ jeder ſelbſt des Schoͤpfers Ehr’, Den Naͤchſten hoch zu achten, Auch Naͤchſten-Liebe, ſuchen. Be-
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Eigentliche Ehre
Wer den Zuſammenhang recht eigentlich
Von dieſer Lehr’ erweget, der befindet,
Daß auch die Naͤchſten-Liebe ſich
Auf Goͤttlichen Geſchoͤpfs Betracht- und Achtung gruͤndet:
Uns iſt, als eine Pflicht, befohlen,
Daß man den Naͤchſten lieben ſoll;
Der Grund von dieſer Pflicht iſt, daß er ja ſo wol,
Als wir, von eben dem den Urſprung hergenommen,
Von welchen wir gekommen.
Des Naͤchſten Coͤrper iſt ſo kuͤnſtlich, als der deine;
Mit deinem ſtammt ſein Geiſt aus einer Quelle her;
Er iſt zu unſers Schoͤpfers Ehr’
Ein Werckzeug ja ſo wol, als wie du ſelber biſt;
Dein Weſen iſt nicht beſſer, als das Seine.
Betrachteten wir ihn als GOttes Creatur,
Wie er ja wuͤrcklich iſt;
Und waͤren erſt gewohnt, den Schoͤpfer in den Wercken,
Nach unſrer Schuldigkeit, mit Ehrfurcht, zu bemercken;
So wuͤrden wir, dadurch geruͤhrt, nicht nur
Des Naͤchſten Leben ihm nicht mehr verleiden,
Jhn weder haſſen noch beneiden,
Jhn nicht verfolgen, nicht verfluchen,
Wie leider oft geſchicht: o nein, vielmehr
Wuͤrd’ jeder ſelbſt des Schoͤpfers Ehr’,
Den Naͤchſten hoch zu achten,
Auch Naͤchſten-Liebe, ſuchen.
Be-
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