Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736.Sonnen-Licht. Sonnen-Licht. Jm Herbst, bey einer mehrentheils bedeckten und be- wölckten Luft, Stand ich an einem glatten Wasser, das Rohr und schwan- ckes Schilf bekräntzte, Jn einer angenehmen Landschaft. Das still' und klare Wasser gläntzte, Doch nur in schwach-und grauem Lichte. Ein sanfter zwar, doch trüber, Duft, Der nicht allein die Luft erfüllte, der auch die Bäum' und Wiesen deckte, Und, wo nicht gantz, doch guten Theils, der Landschaft Pracht und Schmuck versteckte, War allenthalben ausgespannt. Was man noch sah, war falb' und kalt. Es wirckte die sonst helle Gegend dem, der sie jetzt voll Dämmrung sieht, Mit einer schleichenden Gewalt, Fast eine Dämmrung im Gemüth. Jch schlug demnach von ungefehr, betrübt, die Augen vor mich nieder, Jedoch nicht zwo Minuten lang. Darauf erhub ich ihre Lieder Geschwinde wieder in die Höh'. Allein wie sehr entsetzt' ich mich, Als ich, mit fast geblendeten und gantz für Lust erstaunten Blicken, Der Landschaft gantzen Stand verändert, erleuchtet, ja verwunderlich Erheitert und verklähret sah! Es nahm ein angenehm Entzücken Mein Hertz, mein gantzes Wesen ein. Es
Sonnen-Licht. Sonnen-Licht. Jm Herbſt, bey einer mehrentheils bedeckten und be- woͤlckten Luft, Stand ich an einem glatten Waſſer, das Rohr und ſchwan- ckes Schilf bekraͤntzte, Jn einer angenehmen Landſchaft. Das ſtill’ und klare Waſſer glaͤntzte, Doch nur in ſchwach-und grauem Lichte. Ein ſanfter zwar, doch truͤber, Duft, Der nicht allein die Luft erfuͤllte, der auch die Baͤum’ und Wieſen deckte, Und, wo nicht gantz, doch guten Theils, der Landſchaft Pracht und Schmuck verſteckte, War allenthalben ausgeſpannt. Was man noch ſah, war falb’ und kalt. Es wirckte die ſonſt helle Gegend dem, der ſie jetzt voll Daͤmmrung ſieht, Mit einer ſchleichenden Gewalt, Faſt eine Daͤmmrung im Gemuͤth. Jch ſchlug demnach von ungefehr, betruͤbt, die Augen vor mich nieder, Jedoch nicht zwo Minuten lang. Darauf erhub ich ihre Lieder Geſchwinde wieder in die Hoͤh’. Allein wie ſehr entſetzt’ ich mich, Als ich, mit faſt geblendeten und gantz fuͤr Luſt erſtaunten Blicken, Der Landſchaft gantzen Stand veraͤndert, erleuchtet, ja verwunderlich Erheitert und verklaͤhret ſah! Es nahm ein angenehm Entzuͤcken Mein Hertz, mein gantzes Weſen ein. Es
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Sonnen-Licht.
Sonnen-Licht.
Jm Herbſt, bey einer mehrentheils bedeckten und be-
woͤlckten Luft,
Stand ich an einem glatten Waſſer, das Rohr und ſchwan-
ckes Schilf bekraͤntzte,
Jn einer angenehmen Landſchaft. Das ſtill’ und klare
Waſſer glaͤntzte,
Doch nur in ſchwach-und grauem Lichte. Ein ſanfter zwar,
doch truͤber, Duft,
Der nicht allein die Luft erfuͤllte, der auch die Baͤum’ und
Wieſen deckte,
Und, wo nicht gantz, doch guten Theils, der Landſchaft
Pracht und Schmuck verſteckte,
War allenthalben ausgeſpannt. Was man noch ſah, war
falb’ und kalt.
Es wirckte die ſonſt helle Gegend dem, der ſie jetzt voll
Daͤmmrung ſieht,
Mit einer ſchleichenden Gewalt,
Faſt eine Daͤmmrung im Gemuͤth.
Jch ſchlug demnach von ungefehr, betruͤbt, die Augen vor
mich nieder,
Jedoch nicht zwo Minuten lang. Darauf erhub ich ihre
Lieder
Geſchwinde wieder in die Hoͤh’. Allein wie ſehr entſetzt’
ich mich,
Als ich, mit faſt geblendeten und gantz fuͤr Luſt erſtaunten
Blicken,
Der Landſchaft gantzen Stand veraͤndert, erleuchtet, ja
verwunderlich
Erheitert und verklaͤhret ſah! Es nahm ein angenehm
Entzuͤcken
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