Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736.(***) Othem-hohlen. Mein GOtt, ich habe lang auf dieser Welt gelebet, Jch hab' auch in der Welt auf deiner Wercke Pracht Mit Freuden dann und wann gedacht, Und, in Verwunderung, dich zu erhöhn gestrebet; Allein Wie hab ich doch so unempfindlich, ja Unfühl- und folglich auch undanckbar können seyn, Für eins, das, da ichs jetzt bemercke, Der allergrösten Wunder-Wercke Ohn allen Zweifel eins. Es ist mir dieß so nah, Als sonst fast keines ist, Es wird kein Augenblick Von mir zurück geleget, Daß es nicht meine gantze Brust, Und zwar zugleich voll Nutz und Lust, Mit einer sanften Macht beweget. Mein Leben selbst besteht in diesem Wunder bloß; Je mehr es mich betrift, je öfter ich es brauche, Wenn ich den Othem zieh' und stets ihn von mir hauche. Je mehr es wunderbar und groß: Je mehr und öfter sollt' auch ich daran gedencken, Und dem, der es mich würdigt, mir zu schencken, Und der es mir erhält, mit recht gerührter Seelen, Lobsingen, ihn erhöhn, und auf besondre Weise, Zu seiner Weisheit, Lieb' und Allmacht Preise, Der Wunder Meng' und Größ' erwegen und erzehlen. Es ist zwar unsers Cörpers Bau, Und alles, was ich an ihm schan, Erstaunens-würdig, wunderbar; Doch X 2
(***) Othem-hohlen. Mein GOtt, ich habe lang auf dieſer Welt gelebet, Jch hab’ auch in der Welt auf deiner Wercke Pracht Mit Freuden dann und wann gedacht, Und, in Verwunderung, dich zu erhoͤhn geſtrebet; Allein Wie hab ich doch ſo unempfindlich, ja Unfuͤhl- und folglich auch undanckbar koͤnnen ſeyn, Fuͤr eins, das, da ichs jetzt bemercke, Der allergroͤſten Wunder-Wercke Ohn allen Zweifel eins. Es iſt mir dieß ſo nah, Als ſonſt faſt keines iſt, Es wird kein Augenblick Von mir zuruͤck geleget, Daß es nicht meine gantze Bruſt, Und zwar zugleich voll Nutz und Luſt, Mit einer ſanften Macht beweget. Mein Leben ſelbſt beſteht in dieſem Wunder bloß; Je mehr es mich betrift, je oͤfter ich es brauche, Wenn ich den Othem zieh’ und ſtets ihn von mir hauche. Je mehr es wunderbar und groß: Je mehr und oͤfter ſollt’ auch ich daran gedencken, Und dem, der es mich wuͤrdigt, mir zu ſchencken, Und der es mir erhaͤlt, mit recht geruͤhrter Seelen, Lobſingen, ihn erhoͤhn, und auf beſondre Weiſe, Zu ſeiner Weisheit, Lieb’ und Allmacht Preiſe, Der Wunder Meng’ und Groͤß’ erwegen und erzehlen. Es iſt zwar unſers Coͤrpers Bau, Und alles, was ich an ihm ſchan, Erſtaunens-wuͤrdig, wunderbar; Doch X 2
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(***)
Othem-hohlen.
Mein GOtt, ich habe lang auf dieſer Welt gelebet,
Jch hab’ auch in der Welt auf deiner Wercke
Pracht
Mit Freuden dann und wann gedacht,
Und, in Verwunderung, dich zu erhoͤhn geſtrebet;
Allein
Wie hab ich doch ſo unempfindlich, ja
Unfuͤhl- und folglich auch undanckbar koͤnnen ſeyn,
Fuͤr eins, das, da ichs jetzt bemercke,
Der allergroͤſten Wunder-Wercke
Ohn allen Zweifel eins. Es iſt mir dieß ſo nah,
Als ſonſt faſt keines iſt,
Es wird kein Augenblick
Von mir zuruͤck geleget,
Daß es nicht meine gantze Bruſt,
Und zwar zugleich voll Nutz und Luſt,
Mit einer ſanften Macht beweget.
Mein Leben ſelbſt beſteht in dieſem Wunder bloß;
Je mehr es mich betrift, je oͤfter ich es brauche,
Wenn ich den Othem zieh’ und ſtets ihn von mir hauche.
Je mehr es wunderbar und groß:
Je mehr und oͤfter ſollt’ auch ich daran gedencken,
Und dem, der es mich wuͤrdigt, mir zu ſchencken,
Und der es mir erhaͤlt, mit recht geruͤhrter Seelen,
Lobſingen, ihn erhoͤhn, und auf beſondre Weiſe,
Zu ſeiner Weisheit, Lieb’ und Allmacht Preiſe,
Der Wunder Meng’ und Groͤß’ erwegen und erzehlen.
Es iſt zwar unſers Coͤrpers Bau,
Und alles, was ich an ihm ſchan,
Erſtaunens-wuͤrdig, wunderbar;
Doch
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