Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736.Mittel gefällig zu werden. Wie viel ein schön Gesicht vermag; und was in wol- formirten Zügen, Nicht für geheime Kräfte stecken, wie sie, den Seelen selbst Vergnügen Und Gunst und Neigung zu erwecken, Geschickt und fähig sind; ist klar: Nun aber ist auch dieses wahr, Daß unsre Seelen zu besiegen, Jn der beliebten Freundlichkeit Die süss- und stärcksten Kräfte liegen. Derselben Sitz nun sind die Augen, Auch unser Mund; drey rege Glieder, von denen wir ihr schnelles Regen Und ihr uns nimmer wiederspenstig, nie ungehorsames, Bewegen Zu leiten, zu regieren, taugen. Es sind ja, wie bekannt, die Augen in unsrer Stirne gleichsam Thüren, Wodurch die Seelen sich einander am allermeisten sichtbar seyn, Wodurch, wie unsre gegen sie gesinnt, sie glauben zu verspühren, Und folglich, durch dergleichen Minen erregt- und aufge- brachte Triebe Uns eingepflantzter Eigen-Liebe, Dergleichen Leidenschaft in ihr so dann erregen und er- wecken, Als wie sie in der andern Seele, durchs Auge, meinen zu entdecken. Da- B b 3
Mittel gefaͤllig zu werden. Wie viel ein ſchoͤn Geſicht vermag; und was in wol- formirten Zuͤgen, Nicht fuͤr geheime Kraͤfte ſtecken, wie ſie, den Seelen ſelbſt Vergnuͤgen Und Gunſt und Neigung zu erwecken, Geſchickt und faͤhig ſind; iſt klar: Nun aber iſt auch dieſes wahr, Daß unſre Seelen zu beſiegen, Jn der beliebten Freundlichkeit Die ſuͤſſ- und ſtaͤrckſten Kraͤfte liegen. Derſelben Sitz nun ſind die Augen, Auch unſer Mund; drey rege Glieder, von denen wir ihr ſchnelles Regen Und ihr uns nimmer wiederſpenſtig, nie ungehorſames, Bewegen Zu leiten, zu regieren, taugen. Es ſind ja, wie bekannt, die Augen in unſrer Stirne gleichſam Thuͤren, Wodurch die Seelen ſich einander am allermeiſten ſichtbar ſeyn, Wodurch, wie unſre gegen ſie geſinnt, ſie glauben zu verſpuͤhren, Und folglich, durch dergleichen Minen erregt- und aufge- brachte Triebe Uns eingepflantzter Eigen-Liebe, Dergleichen Leidenſchaft in ihr ſo dann erregen und er- wecken, Als wie ſie in der andern Seele, durchs Auge, meinen zu entdecken. Da- B b 3
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Mittel gefaͤllig zu werden.
Wie viel ein ſchoͤn Geſicht vermag; und was in wol-
formirten Zuͤgen,
Nicht fuͤr geheime Kraͤfte ſtecken, wie ſie, den Seelen ſelbſt
Vergnuͤgen
Und Gunſt und Neigung zu erwecken,
Geſchickt und faͤhig ſind; iſt klar:
Nun aber iſt auch dieſes wahr,
Daß unſre Seelen zu beſiegen,
Jn der beliebten Freundlichkeit
Die ſuͤſſ- und ſtaͤrckſten Kraͤfte liegen.
Derſelben Sitz nun ſind die Augen,
Auch unſer Mund; drey rege Glieder, von denen wir ihr
ſchnelles Regen
Und ihr uns nimmer wiederſpenſtig, nie ungehorſames,
Bewegen
Zu leiten, zu regieren, taugen.
Es ſind ja, wie bekannt, die Augen in unſrer Stirne
gleichſam Thuͤren,
Wodurch die Seelen ſich einander am allermeiſten ſichtbar
ſeyn,
Wodurch, wie unſre gegen ſie geſinnt, ſie glauben zu
verſpuͤhren,
Und folglich, durch dergleichen Minen erregt- und aufge-
brachte Triebe
Uns eingepflantzter Eigen-Liebe,
Dergleichen Leidenſchaft in ihr ſo dann erregen und er-
wecken,
Als wie ſie in der andern Seele, durchs Auge, meinen
zu entdecken.
Da-
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