Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736.Neu-Jahrs Gedichte. Denn so wenig als wir selbst fähig wären, unser Leben, Ehe wie gebohren worden, uns aus eigner Kraft zu geben; Ja so wenig kunten wir auch für Kleidung, Milch und Brodt, Für die Nahrung, Speis' und Tranck, ja für alles, das uns noth, Sorgen oder es verschaffen. GOTT der, nach dem weisen Rath, Für die Blumen auf dem Felde, ja der auch gesorget hat Für die Vögel, hat zugleich auch für Menschen zugesehn, Daß, was für dieselben nöthig, werden müssen und entstehn. Hat der Schöpfer diese Vorsorg über sich denn nun genommen; Jst es ja wol überflüßig und unnöthig, ja so gar Würcklich schädlich, wenn wir Menschen, wie es leider mehr als wahr, Auf die ängstliche Versorgung mit so bitterm Grämen kommen, Weil wir, durch dergleichen sorgen, lauffen, rennen und bemühn, Uns vom Dienst des wahren Schöpfers auf den Dienst des Mammons ziehn, Alle Zuversicht verliehren, und statt dessen, unsre Seelen, Mit zukünfftgen ungewissen Unglücks-Fällen also quählen, Als ob sie schon gegenwärtig. Wenn wir so ins Künfft'ge dencken, Und uns voller Gram und Sorgen gleichsam dahinein versencken, Ziehen wir die Plag' und Lasten von dem noch entfernten Tage Zum voraus schon zu uns her, Als ob gleich, wenn jeder Tag nur allein sein' eigne Plage Mit sich führte, nicht für uns es schon zur Gnüge wär. Was
Neu-Jahrs Gedichte. Denn ſo wenig als wir ſelbſt faͤhig waͤren, unſer Leben, Ehe wie gebohren worden, uns aus eigner Kraft zu geben; Ja ſo wenig kunten wir auch fuͤr Kleidung, Milch und Brodt, Fuͤr die Nahrung, Speiſ’ und Tranck, ja fuͤr alles, das uns noth, Sorgen oder es verſchaffen. GOTT der, nach dem weiſen Rath, Fuͤr die Blumen auf dem Felde, ja der auch geſorget hat Fuͤr die Voͤgel, hat zugleich auch fuͤr Menſchen zugeſehn, Daß, was fuͤr dieſelben noͤthig, werden muͤſſen und entſtehn. Hat der Schoͤpfer dieſe Vorſorg uͤber ſich denn nun genommen; Jſt es ja wol uͤberfluͤßig und unnoͤthig, ja ſo gar Wuͤrcklich ſchaͤdlich, wenn wir Menſchen, wie es leider mehr als wahr, Auf die aͤngſtliche Verſorgung mit ſo bitterm Graͤmen kommen, Weil wir, durch dergleichen ſorgen, lauffen, rennen und bemuͤhn, Uns vom Dienſt des wahren Schoͤpfers auf den Dienſt des Mammons ziehn, Alle Zuverſicht verliehren, und ſtatt deſſen, unſre Seelen, Mit zukuͤnfftgen ungewiſſen Ungluͤcks-Faͤllen alſo quaͤhlen, Als ob ſie ſchon gegenwaͤrtig. Wenn wir ſo ins Kuͤnfft’ge dencken, Und uns voller Gram und Sorgen gleichſam dahinein verſencken, Ziehen wir die Plag’ und Laſten von dem noch entfernten Tage Zum voraus ſchon zu uns her, Als ob gleich, wenn jeder Tag nur allein ſein’ eigne Plage Mit ſich fuͤhrte, nicht fuͤr uns es ſchon zur Gnuͤge waͤr. Was
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Neu-Jahrs Gedichte.
Denn ſo wenig als wir ſelbſt faͤhig waͤren, unſer Leben,
Ehe wie gebohren worden, uns aus eigner Kraft zu geben;
Ja ſo wenig kunten wir auch fuͤr Kleidung, Milch und Brodt,
Fuͤr die Nahrung, Speiſ’ und Tranck, ja fuͤr alles, das uns
noth,
Sorgen oder es verſchaffen. GOTT der, nach dem weiſen
Rath,
Fuͤr die Blumen auf dem Felde, ja der auch geſorget hat
Fuͤr die Voͤgel, hat zugleich auch fuͤr Menſchen zugeſehn,
Daß, was fuͤr dieſelben noͤthig, werden muͤſſen und entſtehn.
Hat der Schoͤpfer dieſe Vorſorg uͤber ſich denn nun
genommen;
Jſt es ja wol uͤberfluͤßig und unnoͤthig, ja ſo gar
Wuͤrcklich ſchaͤdlich, wenn wir Menſchen, wie es leider mehr
als wahr,
Auf die aͤngſtliche Verſorgung mit ſo bitterm Graͤmen
kommen,
Weil wir, durch dergleichen ſorgen, lauffen, rennen und
bemuͤhn,
Uns vom Dienſt des wahren Schoͤpfers auf den Dienſt des
Mammons ziehn,
Alle Zuverſicht verliehren, und ſtatt deſſen, unſre Seelen,
Mit zukuͤnfftgen ungewiſſen Ungluͤcks-Faͤllen alſo quaͤhlen,
Als ob ſie ſchon gegenwaͤrtig. Wenn wir ſo ins Kuͤnfft’ge
dencken,
Und uns voller Gram und Sorgen gleichſam dahinein
verſencken,
Ziehen wir die Plag’ und Laſten von dem noch entfernten Tage
Zum voraus ſchon zu uns her,
Als ob gleich, wenn jeder Tag nur allein ſein’ eigne Plage
Mit ſich fuͤhrte, nicht fuͤr uns es ſchon zur Gnuͤge waͤr.
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