Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736.Neu-Jahrs Gedichte. Was die Handlungen der Menschen und ihr Wir- cken nun betrift, Hangen sie vom Willen ab. Gleichwol aber spricht die Schrift: HErr! ich weiß des Menschen Thun stehet nicht in seiner Macht, Wie er seine Gänge richte, und auf welche Weis' er wandelt; Zwar scheint dieß ein Wiederspruch, daß der Mensch nach Willkühr handelt Und es stehe, was er thue, doch in seinem Willen nicht, Wie er seine Gänge richt; Aber dieser Wiederspruch fället offenbar dahin, Wenn man zwischen eines Menschen Absicht, Vorsatz, Zweck und Sinn, Und den äussern Handlungen, sammt dem, was daraus entspriesset, Einen Unterscheid nur macht. Wenn der Mensch was überleget, Was beschließt, und einen Zweck und ein' Absicht darin heget, Das geschicht in seiner Seelen, und in dem, was er beschliesset, Hat er vollenkommne Freyheit, die der Schöpfer darum eben, Weil er ein vernünftiges Wesen seyn sol, ihm anheim gegeben, Und die er ihm nimmer nimmt. Weil der Mensch sonst das nicht wäre, Was er ist und was er seyn soll. Nach der freyen Neigung nun Und nach dieser freyen Wahl, Zweck und Vorsatz, wird sein Thun Von dem Schöpfer angesehn. Aber es ins Werck zu stellen, Stehen unsre Handlungen, sammt den Aendrungen und Fällen, Nicht
Neu-Jahrs Gedichte. Was die Handlungen der Menſchen und ihr Wir- cken nun betrift, Hangen ſie vom Willen ab. Gleichwol aber ſpricht die Schrift: HErr! ich weiß des Menſchen Thun ſtehet nicht in ſeiner Macht, Wie er ſeine Gaͤnge richte, und auf welche Weiſ’ er wandelt; Zwar ſcheint dieß ein Wiederſpruch, daß der Menſch nach Willkuͤhr handelt Und es ſtehe, was er thue, doch in ſeinem Willen nicht, Wie er ſeine Gaͤnge richt; Aber dieſer Wiederſpruch faͤllet offenbar dahin, Wenn man zwiſchen eines Menſchen Abſicht, Vorſatz, Zweck und Sinn, Und den aͤuſſern Handlungen, ſammt dem, was daraus entſprieſſet, Einen Unterſcheid nur macht. Wenn der Menſch was uͤberleget, Was beſchließt, und einen Zweck und ein’ Abſicht darin heget, Das geſchicht in ſeiner Seelen, und in dem, was er beſchlieſſet, Hat er vollenkommne Freyheit, die der Schoͤpfer darum eben, Weil er ein vernuͤnftiges Weſen ſeyn ſol, ihm anheim gegeben, Und die er ihm nimmer nimmt. Weil der Menſch ſonſt das nicht waͤre, Was er iſt und was er ſeyn ſoll. Nach der freyen Neigung nun Und nach dieſer freyen Wahl, Zweck und Vorſatz, wird ſein Thun Von dem Schoͤpfer angeſehn. Aber es ins Werck zu ſtellen, Stehen unſre Handlungen, ſammt den Aendrungen und Faͤllen, Nicht
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Neu-Jahrs Gedichte.
Was die Handlungen der Menſchen und ihr Wir-
cken nun betrift,
Hangen ſie vom Willen ab. Gleichwol aber ſpricht die
Schrift:
HErr! ich weiß des Menſchen Thun ſtehet nicht in ſeiner
Macht,
Wie er ſeine Gaͤnge richte, und auf welche Weiſ’ er
wandelt;
Zwar ſcheint dieß ein Wiederſpruch, daß der Menſch nach
Willkuͤhr handelt
Und es ſtehe, was er thue, doch in ſeinem Willen nicht,
Wie er ſeine Gaͤnge richt;
Aber dieſer Wiederſpruch faͤllet offenbar dahin,
Wenn man zwiſchen eines Menſchen Abſicht, Vorſatz, Zweck
und Sinn,
Und den aͤuſſern Handlungen, ſammt dem, was daraus
entſprieſſet,
Einen Unterſcheid nur macht. Wenn der Menſch was
uͤberleget,
Was beſchließt, und einen Zweck und ein’ Abſicht darin heget,
Das geſchicht in ſeiner Seelen, und in dem, was er beſchlieſſet,
Hat er vollenkommne Freyheit, die der Schoͤpfer darum eben,
Weil er ein vernuͤnftiges Weſen ſeyn ſol, ihm anheim gegeben,
Und die er ihm nimmer nimmt. Weil der Menſch ſonſt das
nicht waͤre,
Was er iſt und was er ſeyn ſoll. Nach der freyen Neigung
nun
Und nach dieſer freyen Wahl, Zweck und Vorſatz, wird
ſein Thun
Von dem Schoͤpfer angeſehn. Aber es ins Werck zu ſtellen,
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