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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736.

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Neu-Jahrs Gedichte.
Und was auch uns, in unsers Lebens Jahren,
Bald trauriges, bald lieblichs wiederfahren,
Zum Ruhm desjenigen, der alle Welt,
Und, in derselben, auch die kleinsten Ding' erhält,
So daß ohn ihn kein Haar von unsern Haupte fällt,
Jn ernstliche Betrachtungen zu ziehn,
Uns mit vergnügter Seel' und frohem Sinn bemühn.
Mein GOtt, wie liebreich, gut, wie weis' und wun-
derbar

Auch deine Führungen, im abgewichnen Jahr,
Jn Ansehn meiner, auch gewesen;
Zu welchem Vorwurff deiner Huld
Du gleich die Meinigen, mich und mein Haus erlesen;
Mit welcher Langmuth und Gedult
Du meine Schwachheit, mein Vergehen,
Recht väterlich, recht liebreich übersehen;
Mit welchem reichen Wolfarths-Regen,
Mit welcher Liebe, Gnad' und Seegen
Du mich aufs neu gelabt, erquicket und beschencket,
So hast du mich doch auch mit einer herben Frucht
(Dir sey auch dafür Danck) im vor'gen Jahr gespeiset.

Du hast nicht nur mit Unmuth meinen Geist,
Durch andrer Neid, durch Argwohn, bösen Willen,
Und theils durch Unverstand, erfüllen,
Versuchungen entstehn, der Ruhe Glantz verhüllen
Und doch, GOtt Lob nicht lang, mich etwas leiden lassen.
Jch hab' erblickt, wie leicht die Menschen sich vergehn,
Wie so verschiedne Fäll' und Umständ' offt entstehn,
Die nicht vorher zu sehn,
Und wie so leicht es wiederum geschehn,
Daß eines Wetters Wuth (es merck es jederman)
Auf GOttes Winck sich schnell vertheilen kan.
Du
Neu-Jahrs Gedichte.
Und was auch uns, in unſers Lebens Jahren,
Bald trauriges, bald lieblichs wiederfahren,
Zum Ruhm desjenigen, der alle Welt,
Und, in derſelben, auch die kleinſten Ding’ erhaͤlt,
So daß ohn ihn kein Haar von unſern Haupte faͤllt,
Jn ernſtliche Betrachtungen zu ziehn,
Uns mit vergnuͤgter Seel’ und frohem Sinn bemuͤhn.
Mein GOtt, wie liebreich, gut, wie weiſ’ und wun-
derbar

Auch deine Fuͤhrungen, im abgewichnen Jahr,
Jn Anſehn meiner, auch geweſen;
Zu welchem Vorwurff deiner Huld
Du gleich die Meinigen, mich und mein Haus erleſen;
Mit welcher Langmuth und Gedult
Du meine Schwachheit, mein Vergehen,
Recht vaͤterlich, recht liebreich uͤberſehen;
Mit welchem reichen Wolfarths-Regen,
Mit welcher Liebe, Gnad’ und Seegen
Du mich aufs neu gelabt, erquicket und beſchencket,
So haſt du mich doch auch mit einer herben Frucht
(Dir ſey auch dafuͤr Danck) im vor’gen Jahr geſpeiſet.

Du haſt nicht nur mit Unmuth meinen Geiſt,
Durch andrer Neid, durch Argwohn, boͤſen Willen,
Und theils durch Unverſtand, erfuͤllen,
Verſuchungen entſtehn, der Ruhe Glantz verhuͤllen
Und doch, GOtt Lob nicht lang, mich etwas leiden laſſen.
Jch hab’ erblickt, wie leicht die Menſchen ſich vergehn,
Wie ſo verſchiedne Faͤll’ und Umſtaͤnd’ offt entſtehn,
Die nicht vorher zu ſehn,
Und wie ſo leicht es wiederum geſchehn,
Daß eines Wetters Wuth (es merck es jederman)
Auf GOttes Winck ſich ſchnell vertheilen kan.
Du
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[426/0442] Neu-Jahrs Gedichte. Und was auch uns, in unſers Lebens Jahren, Bald trauriges, bald lieblichs wiederfahren, Zum Ruhm desjenigen, der alle Welt, Und, in derſelben, auch die kleinſten Ding’ erhaͤlt, So daß ohn ihn kein Haar von unſern Haupte faͤllt, Jn ernſtliche Betrachtungen zu ziehn, Uns mit vergnuͤgter Seel’ und frohem Sinn bemuͤhn. Mein GOtt, wie liebreich, gut, wie weiſ’ und wun- derbar Auch deine Fuͤhrungen, im abgewichnen Jahr, Jn Anſehn meiner, auch geweſen; Zu welchem Vorwurff deiner Huld Du gleich die Meinigen, mich und mein Haus erleſen; Mit welcher Langmuth und Gedult Du meine Schwachheit, mein Vergehen, Recht vaͤterlich, recht liebreich uͤberſehen; Mit welchem reichen Wolfarths-Regen, Mit welcher Liebe, Gnad’ und Seegen Du mich aufs neu gelabt, erquicket und beſchencket, So haſt du mich doch auch mit einer herben Frucht (Dir ſey auch dafuͤr Danck) im vor’gen Jahr geſpeiſet. Du haſt nicht nur mit Unmuth meinen Geiſt, Durch andrer Neid, durch Argwohn, boͤſen Willen, Und theils durch Unverſtand, erfuͤllen, Verſuchungen entſtehn, der Ruhe Glantz verhuͤllen Und doch, GOtt Lob nicht lang, mich etwas leiden laſſen. Jch hab’ erblickt, wie leicht die Menſchen ſich vergehn, Wie ſo verſchiedne Faͤll’ und Umſtaͤnd’ offt entſtehn, Die nicht vorher zu ſehn, Und wie ſo leicht es wiederum geſchehn, Daß eines Wetters Wuth (es merck es jederman) Auf GOttes Winck ſich ſchnell vertheilen kan. Du

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Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736, S. 426. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen05_1736/442>, abgerufen am 14.06.2024.