Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736.Neu-Jahrs Gedichte. Nachdem die Werckzeug' ietzt betrachtet; betrachten wir die Fähigkeit, Der Seelen, Zeichen zu erdencken, sie zu behalten, ja so gar (Wie unbegreiflich gleich und groß die Menge sammt dem Unterscheid) Sie abzubilden, und nicht nur den Ohren, auch sie hell und klar, Durch Schrift, den Augen vorzustellen. Dieß stammt aus keiner Menschen Kraft, Vielmehr ist es unwiedersprechlich was geistigs, und ein' Eigenschaft, Die ihrem Grund im Schöpfer hat, Und welche wehrt, daß unser Geist, so viel er dazu Kräfte heget, Sich alles Ernsts dahin bestrebe, daß mans nach Möglich- keit erweget; Weil nicht allein dieß Wunder-Werck auch an sich selber mehr als wehrt, Daß man in ämsiger Betrachtung der GOttheit Göttlichs Wesen ehrt; Nein, weil so gar, auf diese Weise, die wir in Andacht vor- genommen, Wir gleichsam selbst begreiffen können, wie wir dem Schöp- fer näher kommen. Auf, laßt uns denn, mit stiller Andacht, in Ehrfurcht et- was stille stehn, Und hier den Brunnen aller Wörter und aller Sprachen Ursprung sehn, Die Seele nemlich; und nachher den Flug, wo möglich höher treiben, Um auch von ihrer grossen Urqvell, woraus sie stammen, was zu schreiben. Wenn
Neu-Jahrs Gedichte. Nachdem die Werckzeug’ ietzt betrachtet; betrachten wir die Faͤhigkeit, Der Seelen, Zeichen zu erdencken, ſie zu behalten, ja ſo gar (Wie unbegreiflich gleich und groß die Menge ſammt dem Unterſcheid) Sie abzubilden, und nicht nur den Ohren, auch ſie hell und klar, Durch Schrift, den Augen vorzuſtellen. Dieß ſtammt aus keiner Menſchen Kraft, Vielmehr iſt es unwiederſprechlich was geiſtigs, und ein’ Eigenſchaft, Die ihrem Grund im Schoͤpfer hat, Und welche wehrt, daß unſer Geiſt, ſo viel er dazu Kraͤfte heget, Sich alles Ernſts dahin beſtrebe, daß mans nach Moͤglich- keit erweget; Weil nicht allein dieß Wunder-Werck auch an ſich ſelber mehr als wehrt, Daß man in aͤmſiger Betrachtung der GOttheit Goͤttlichs Weſen ehrt; Nein, weil ſo gar, auf dieſe Weiſe, die wir in Andacht vor- genommen, Wir gleichſam ſelbſt begreiffen koͤnnen, wie wir dem Schoͤp- fer naͤher kommen. Auf, laßt uns denn, mit ſtiller Andacht, in Ehrfurcht et- was ſtille ſtehn, Und hier den Brunnen aller Woͤrter und aller Sprachen Urſprung ſehn, Die Seele nemlich; und nachher den Flug, wo moͤglich hoͤher treiben, Um auch von ihrer groſſen Urqvell, woraus ſie ſtammen, was zu ſchreiben. Wenn
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Neu-Jahrs Gedichte.
Nachdem die Werckzeug’ ietzt betrachtet; betrachten
wir die Faͤhigkeit,
Der Seelen, Zeichen zu erdencken, ſie zu behalten, ja ſo gar
(Wie unbegreiflich gleich und groß die Menge ſammt dem
Unterſcheid)
Sie abzubilden, und nicht nur den Ohren, auch ſie hell
und klar,
Durch Schrift, den Augen vorzuſtellen. Dieß ſtammt aus
keiner Menſchen Kraft,
Vielmehr iſt es unwiederſprechlich was geiſtigs, und ein’
Eigenſchaft,
Die ihrem Grund im Schoͤpfer hat,
Und welche wehrt, daß unſer Geiſt, ſo viel er dazu Kraͤfte
heget,
Sich alles Ernſts dahin beſtrebe, daß mans nach Moͤglich-
keit erweget;
Weil nicht allein dieß Wunder-Werck auch an ſich ſelber
mehr als wehrt,
Daß man in aͤmſiger Betrachtung der GOttheit Goͤttlichs
Weſen ehrt;
Nein, weil ſo gar, auf dieſe Weiſe, die wir in Andacht vor-
genommen,
Wir gleichſam ſelbſt begreiffen koͤnnen, wie wir dem Schoͤp-
fer naͤher kommen.
Auf, laßt uns denn, mit ſtiller Andacht, in Ehrfurcht et-
was ſtille ſtehn,
Und hier den Brunnen aller Woͤrter und aller Sprachen
Urſprung ſehn,
Die Seele nemlich; und nachher den Flug, wo moͤglich
hoͤher treiben,
Um auch von ihrer groſſen Urqvell, woraus ſie ſtammen,
was zu ſchreiben.
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