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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736.

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Neu-Jahrs Gedichte.
Aber auch, von ihr besiegt, wenn derselben Loh' zu heftig,
Und sein Wiederstand zu schwach, seine Macht nicht gnug-
sam kräftig,

Muß er sich zurücke ziehen; dieses Beyspiel ist zwar gut
Und es weichet der Verstand oft der Leidenschaften Wuth;
Aber daraus folget eben, daß es nöthig, die Jdeen,
Jhre Wirckung, ihre Kraft, und Natur recht einzusehen,
Wenigstens so viel es möglich, um, wo möglich, ihrer
Macht

Durch die Kräfte der Vernunft, kräftiglich zu wiederstehen.
Denn wo dieß nicht möglich ist, bleibt es wahr, was ich
gedacht,

Daß, wie sehr wirs auch behaupten, wir doch keinen freyen
Willen,

Jn und bey uns haben könnten. Bleibt es nun gleich würck-
lich wahr,

Es kommt durch die Leidenschaft unser Geist oft in Gefahr,
Und es nimmt ihr schneller Trieb, und ihr Blitz geschwin-
der Brand,

Ehe wir es uns versehn, öfters bey uns überhand,
Wenn man nichts als Gegenwürf oder Grübeley allein
Jhrer Wuth entgegen setzt; aber darum muß man lernen,
Daß wir doch derselben Grimm von uns würcklich zu ent-
fernen,

Und zwar mehr, als man gedenckt, mehrentheils im Stande
seyn.

Dieses Mittel will ich zeigen. Wenn wir uns gerühret sehen
Durch die gar zu starcke Wirckung vieler hitzigen Jdeen;
Müssen wir mit allem Ernst eyfrig andere Jdeen
Jn uns zu erzielen suchen, und, durch ein verändert Dencken,
Statt der ersten nachzuhangen, und im Feuer stets zu schüren,
Jhm vielmehr die Nahrung rauben, und uns auf was anders
lencken.
So
J i 3
Neu-Jahrs Gedichte.
Aber auch, von ihr beſiegt, wenn derſelben Loh’ zu heftig,
Und ſein Wiederſtand zu ſchwach, ſeine Macht nicht gnug-
ſam kraͤftig,

Muß er ſich zuruͤcke ziehen; dieſes Beyſpiel iſt zwar gut
Und es weichet der Verſtand oft der Leidenſchaften Wuth;
Aber daraus folget eben, daß es noͤthig, die Jdeen,
Jhre Wirckung, ihre Kraft, und Natur recht einzuſehen,
Wenigſtens ſo viel es moͤglich, um, wo moͤglich, ihrer
Macht

Durch die Kraͤfte der Vernunft, kraͤftiglich zu wiederſtehen.
Denn wo dieß nicht moͤglich iſt, bleibt es wahr, was ich
gedacht,

Daß, wie ſehr wirs auch behaupten, wir doch keinen freyen
Willen,

Jn und bey uns haben koͤnnten. Bleibt es nun gleich wuͤrck-
lich wahr,

Es kommt durch die Leidenſchaft unſer Geiſt oft in Gefahr,
Und es nimmt ihr ſchneller Trieb, und ihr Blitz geſchwin-
der Brand,

Ehe wir es uns verſehn, oͤfters bey uns uͤberhand,
Wenn man nichts als Gegenwuͤrf oder Gruͤbeley allein
Jhrer Wuth entgegen ſetzt; aber darum muß man lernen,
Daß wir doch derſelben Grimm von uns wuͤrcklich zu ent-
fernen,

Und zwar mehr, als man gedenckt, mehrentheils im Stande
ſeyn.

Dieſes Mittel will ich zeigen. Wenn wir uns geruͤhret ſehen
Durch die gar zu ſtarcke Wirckung vieler hitzigen Jdeen;
Muͤſſen wir mit allem Ernſt eyfrig andere Jdeen
Jn uns zu erzielen ſuchen, und, durch ein veraͤndert Dencken,
Statt der erſten nachzuhangen, und im Feuer ſtets zu ſchuͤren,
Jhm vielmehr die Nahrung rauben, und uns auf was anders
lencken.
So
J i 3
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[501/0517] Neu-Jahrs Gedichte. Aber auch, von ihr beſiegt, wenn derſelben Loh’ zu heftig, Und ſein Wiederſtand zu ſchwach, ſeine Macht nicht gnug- ſam kraͤftig, Muß er ſich zuruͤcke ziehen; dieſes Beyſpiel iſt zwar gut Und es weichet der Verſtand oft der Leidenſchaften Wuth; Aber daraus folget eben, daß es noͤthig, die Jdeen, Jhre Wirckung, ihre Kraft, und Natur recht einzuſehen, Wenigſtens ſo viel es moͤglich, um, wo moͤglich, ihrer Macht Durch die Kraͤfte der Vernunft, kraͤftiglich zu wiederſtehen. Denn wo dieß nicht moͤglich iſt, bleibt es wahr, was ich gedacht, Daß, wie ſehr wirs auch behaupten, wir doch keinen freyen Willen, Jn und bey uns haben koͤnnten. Bleibt es nun gleich wuͤrck- lich wahr, Es kommt durch die Leidenſchaft unſer Geiſt oft in Gefahr, Und es nimmt ihr ſchneller Trieb, und ihr Blitz geſchwin- der Brand, Ehe wir es uns verſehn, oͤfters bey uns uͤberhand, Wenn man nichts als Gegenwuͤrf oder Gruͤbeley allein Jhrer Wuth entgegen ſetzt; aber darum muß man lernen, Daß wir doch derſelben Grimm von uns wuͤrcklich zu ent- fernen, Und zwar mehr, als man gedenckt, mehrentheils im Stande ſeyn. Dieſes Mittel will ich zeigen. Wenn wir uns geruͤhret ſehen Durch die gar zu ſtarcke Wirckung vieler hitzigen Jdeen; Muͤſſen wir mit allem Ernſt eyfrig andere Jdeen Jn uns zu erzielen ſuchen, und, durch ein veraͤndert Dencken, Statt der erſten nachzuhangen, und im Feuer ſtets zu ſchuͤren, Jhm vielmehr die Nahrung rauben, und uns auf was anders lencken. So J i 3

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Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736, S. 501. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen05_1736/517>, abgerufen am 23.11.2024.