Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736.Mancherley Vorwürffe der Sinnen. Jch stutzt' und meine Seel' empfand, wie diese Pracht Sie auch durchs Aug' empfind- und glücklich macht. Für Anmuth halb verwirrt, fiel mir hierüber bey: Wie doch in der Natur so mancherley Veränderung und Pracht, an Lust und Schönheit, sey. Man spürt es sonderlich an diesem Vögel-Par. Ein unsern Geist bezaubernd Singen Läßt von der gantzen Vögel-Schar Der Unansehnlichste, zu unsrer Lust, erklingen; Und ein verdrießliches und rauh Geschrey erschallt Aus eines Vogels Hals, der Himmlisch an Gestalt Fast mehr, als irdisch, ist. Diß kan ein Beyspiel seyn, Dacht ich, daß einer alle Gaben Nicht leichtlich soll beysammen haben. Kaum aber hatt ich dieß gedacht, Als mir, in Purpur-farbner Pracht, Ein frischer Rosen-Busch schnell in die Augen fiel. Der aber ward nicht nur allein der Augen, Er ward auch des Geruchs und meiner Nasen Ziel, Die beide sich daran recht zu ergetzen taugen. Wodurch ich denn, mit Uberzeugung, fand, Wie eine doppelte vergnügend' Eigenschaft, Jn dieser Blume, sich, zu unsrer Lust, verband. Dem Dencken gab ich ferner Raum, Und fand von ungefehr an einem Kirschen Baum, Der eben, voller Frucht, in süsser Röthe glühte, Daß er so gar Ein Gegenwurf von allen Sinnen war. Es dienet dem Geruch die angenehme Blühte, Der Zunge seine Frucht, sein Schatte dem Gefühl, Sein sanft Geräusch dem Ohr, die Farb und Form den Augen. Jch
Mancherley Vorwuͤrffe der Sinnen. Jch ſtutzt’ und meine Seel’ empfand, wie dieſe Pracht Sie auch durchs Aug’ empfind- und gluͤcklich macht. Fuͤr Anmuth halb verwirrt, fiel mir hieruͤber bey: Wie doch in der Natur ſo mancherley Veraͤnderung und Pracht, an Luſt und Schoͤnheit, ſey. Man ſpuͤrt es ſonderlich an dieſem Voͤgel-Par. Ein unſern Geiſt bezaubernd Singen Laͤßt von der gantzen Voͤgel-Schar Der Unanſehnlichſte, zu unſrer Luſt, erklingen; Und ein verdrießliches und rauh Geſchrey erſchallt Aus eines Vogels Hals, der Himmliſch an Geſtalt Faſt mehr, als irdiſch, iſt. Diß kan ein Beyſpiel ſeyn, Dacht ich, daß einer alle Gaben Nicht leichtlich ſoll beyſammen haben. Kaum aber hatt ich dieß gedacht, Als mir, in Purpur-farbner Pracht, Ein friſcher Roſen-Buſch ſchnell in die Augen fiel. Der aber ward nicht nur allein der Augen, Er ward auch des Geruchs und meiner Naſen Ziel, Die beide ſich daran recht zu ergetzen taugen. Wodurch ich denn, mit Uberzeugung, fand, Wie eine doppelte vergnuͤgend’ Eigenſchaft, Jn dieſer Blume, ſich, zu unſrer Luſt, verband. Dem Dencken gab ich ferner Raum, Und fand von ungefehr an einem Kirſchen Baum, Der eben, voller Frucht, in ſuͤſſer Roͤthe gluͤhte, Daß er ſo gar Ein Gegenwurf von allen Sinnen war. Es dienet dem Geruch die angenehme Bluͤhte, Der Zunge ſeine Frucht, ſein Schatte dem Gefuͤhl, Sein ſanft Geraͤuſch dem Ohr, die Farb und Form den Augen. Jch
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Mancherley Vorwuͤrffe der Sinnen.
Jch ſtutzt’ und meine Seel’ empfand, wie dieſe Pracht
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Fuͤr Anmuth halb verwirrt, fiel mir hieruͤber bey:
Wie doch in der Natur ſo mancherley
Veraͤnderung und Pracht, an Luſt und Schoͤnheit, ſey.
Man ſpuͤrt es ſonderlich an dieſem Voͤgel-Par.
Ein unſern Geiſt bezaubernd Singen
Laͤßt von der gantzen Voͤgel-Schar
Der Unanſehnlichſte, zu unſrer Luſt, erklingen;
Und ein verdrießliches und rauh Geſchrey erſchallt
Aus eines Vogels Hals, der Himmliſch an Geſtalt
Faſt mehr, als irdiſch, iſt. Diß kan ein Beyſpiel ſeyn,
Dacht ich, daß einer alle Gaben
Nicht leichtlich ſoll beyſammen haben.
Kaum aber hatt ich dieß gedacht,
Als mir, in Purpur-farbner Pracht,
Ein friſcher Roſen-Buſch ſchnell in die Augen fiel.
Der aber ward nicht nur allein der Augen,
Er ward auch des Geruchs und meiner Naſen Ziel,
Die beide ſich daran recht zu ergetzen taugen.
Wodurch ich denn, mit Uberzeugung, fand,
Wie eine doppelte vergnuͤgend’ Eigenſchaft,
Jn dieſer Blume, ſich, zu unſrer Luſt, verband.
Dem Dencken gab ich ferner Raum,
Und fand von ungefehr an einem Kirſchen Baum,
Der eben, voller Frucht, in ſuͤſſer Roͤthe gluͤhte,
Daß er ſo gar
Ein Gegenwurf von allen Sinnen war.
Es dienet dem Geruch die angenehme Bluͤhte,
Der Zunge ſeine Frucht, ſein Schatte dem Gefuͤhl,
Sein ſanft Geraͤuſch dem Ohr, die Farb und Form den
Augen.
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