So deutlich, daß auch in der klarsten Fluth, Wenn sie in sanfter Stille ruht, Die Vorwürf alle kaum so rein, Und deutlich vorgestellet seyn. Und weil zugleich das Eis so gar Durchsichtig und so lauter war, Daß man den sonst verborgnen Grund, Und alle Steinchen sehen kunnt: So scheute man, auf vielen Plätzen, Den furchtsam-bangen Fuß zu setzen.
Verführt durch den betrognen Blick, Zog unser Schritt sich oft zurück, Ob gleich die Schollen noch so dick. Was aber mir vor andern allen, Auf der bebrückten Fluth, gefallen, War, daß der rosenrothe Schein Der Sonne, die sich abwerts neigte, So hell, so deutlich und so rein, Sich in dem glatten Eise zeigte; Daß die bestralte Fläche, ganz Beflossen von des Himmels Glanz, Nicht mehr ein irdisch Dunkel wies, Nein, sondern fast verhimmelt ließ,
Es schien, als ob man ging und stunde, Auf einem ganz verklärten Grunde. Der sonsten dunkle Boden schien Ein wirklich funkelnder Rubin. Es war der Abendröthe Schimmern, Nicht nur an den saphiernen Zimmern, Und an des Firmamentes Höhn; Sie war, auch unter uns, zu sehn.
Kaum
Winter-Gedanken.
So deutlich, daß auch in der klarſten Fluth, Wenn ſie in ſanfter Stille ruht, Die Vorwuͤrf alle kaum ſo rein, Und deutlich vorgeſtellet ſeyn. Und weil zugleich das Eis ſo gar Durchſichtig und ſo lauter war, Daß man den ſonſt verborgnen Grund, Und alle Steinchen ſehen kunnt: So ſcheute man, auf vielen Plaͤtzen, Den furchtſam-bangen Fuß zu ſetzen.
Verfuͤhrt durch den betrognen Blick, Zog unſer Schritt ſich oft zuruͤck, Ob gleich die Schollen noch ſo dick. Was aber mir vor andern allen, Auf der bebruͤckten Fluth, gefallen, War, daß der roſenrothe Schein Der Sonne, die ſich abwerts neigte, So hell, ſo deutlich und ſo rein, Sich in dem glatten Eiſe zeigte; Daß die beſtralte Flaͤche, ganz Befloſſen von des Himmels Glanz, Nicht mehr ein irdiſch Dunkel wies, Nein, ſondern faſt verhimmelt ließ,
Es ſchien, als ob man ging und ſtunde, Auf einem ganz verklaͤrten Grunde. Der ſonſten dunkle Boden ſchien Ein wirklich funkelnder Rubin. Es war der Abendroͤthe Schimmern, Nicht nur an den ſaphiernen Zimmern, Und an des Firmamentes Hoͤhn; Sie war, auch unter uns, zu ſehn.
Kaum
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><lgn="11"><l><pbfacs="#f0211"n="187"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Winter-Gedanken.</hi></fw><lb/>
So deutlich, daß auch in der klarſten Fluth,</l><lb/><l>Wenn ſie in ſanfter Stille ruht,</l><lb/><l>Die Vorwuͤrf alle kaum ſo rein,</l><lb/><l>Und deutlich vorgeſtellet ſeyn.</l><lb/><l>Und weil zugleich das Eis ſo gar</l><lb/><l>Durchſichtig und ſo lauter war,</l><lb/><l>Daß man den ſonſt verborgnen Grund,</l><lb/><l>Und alle Steinchen ſehen kunnt:</l><lb/><l>So ſcheute man, auf vielen Plaͤtzen,</l><lb/><l>Den furchtſam-bangen Fuß zu ſetzen.</l></lg><lb/><lgn="12"><l>Verfuͤhrt durch den betrognen Blick,</l><lb/><l>Zog unſer Schritt ſich oft zuruͤck,</l><lb/><l>Ob gleich die Schollen noch ſo dick.</l><lb/><l>Was aber mir vor andern allen,</l><lb/><l>Auf der bebruͤckten Fluth, gefallen,</l><lb/><l>War, daß der roſenrothe Schein</l><lb/><l>Der Sonne, die ſich abwerts neigte,</l><lb/><l>So hell, ſo deutlich und ſo rein,</l><lb/><l>Sich in dem glatten Eiſe zeigte;</l><lb/><l>Daß die beſtralte Flaͤche, ganz</l><lb/><l>Befloſſen von des Himmels Glanz,</l><lb/><l>Nicht mehr ein irdiſch Dunkel wies,</l><lb/><l>Nein, ſondern faſt verhimmelt ließ,</l></lg><lb/><lgn="13"><l>Es ſchien, als ob man ging und ſtunde,</l><lb/><l>Auf einem ganz verklaͤrten Grunde.</l><lb/><l>Der ſonſten dunkle Boden ſchien</l><lb/><l>Ein wirklich funkelnder Rubin.</l><lb/><l>Es war der Abendroͤthe Schimmern,</l><lb/><l>Nicht nur an den ſaphiernen Zimmern,</l><lb/><l>Und an des Firmamentes Hoͤhn;</l><lb/><l>Sie war, auch unter uns, zu ſehn.</l></lg><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Kaum</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[187/0211]
Winter-Gedanken.
So deutlich, daß auch in der klarſten Fluth,
Wenn ſie in ſanfter Stille ruht,
Die Vorwuͤrf alle kaum ſo rein,
Und deutlich vorgeſtellet ſeyn.
Und weil zugleich das Eis ſo gar
Durchſichtig und ſo lauter war,
Daß man den ſonſt verborgnen Grund,
Und alle Steinchen ſehen kunnt:
So ſcheute man, auf vielen Plaͤtzen,
Den furchtſam-bangen Fuß zu ſetzen.
Verfuͤhrt durch den betrognen Blick,
Zog unſer Schritt ſich oft zuruͤck,
Ob gleich die Schollen noch ſo dick.
Was aber mir vor andern allen,
Auf der bebruͤckten Fluth, gefallen,
War, daß der roſenrothe Schein
Der Sonne, die ſich abwerts neigte,
So hell, ſo deutlich und ſo rein,
Sich in dem glatten Eiſe zeigte;
Daß die beſtralte Flaͤche, ganz
Befloſſen von des Himmels Glanz,
Nicht mehr ein irdiſch Dunkel wies,
Nein, ſondern faſt verhimmelt ließ,
Es ſchien, als ob man ging und ſtunde,
Auf einem ganz verklaͤrten Grunde.
Der ſonſten dunkle Boden ſchien
Ein wirklich funkelnder Rubin.
Es war der Abendroͤthe Schimmern,
Nicht nur an den ſaphiernen Zimmern,
Und an des Firmamentes Hoͤhn;
Sie war, auch unter uns, zu ſehn.
Kaum
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/211>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.