Beym Anblick dieser Bestien, wird auch der Kühneste ver- stummen, Man stutzt, man hält sich in Gefahr, die schwere Bratzen re- gen sich; Es drohen uns sechs offne Rachen; man sieht und hört recht fürchterlich, Ein wildes heiseres Gebrüll, ein Mord - und Blutbegierges Brummen. Man sieht hier schwere Lasten Fleisch, von Grimm und Grausamkeit belebt, Und ob den einen gleich der Schlummer in einen tiefen Schlaf begräbt: So fürchtet man doch sein Erwachen. Doch halt! sie sind ja nur gemalet, Wir können sicher näher treten! komm laßt uns Farb und Form besehn! Muß jeder, so im Bild, als Urbild der starken Bären, nicht gestehn, Daß auch aus ihnen, wie aus allem, ein helles Licht der All- macht stralet. Die Maaß, auch in so plumpen Gliedern, ein Art von Großmuth in dem Geist, Da er den Menschen ungereizt, nicht leichtlich, schadet noch zerreißt, Wo Hungen ihn nicht wütig macht, noch mehr, die uns er- wärmnde Haut, Womit er uns im Winter nützt, sind einer weisen Schöpfung Proben, Es wird auch eine weise Vorsorg, in diesem Thier, für uns geschaut, Wer wollte denn, auch in dem Bähren, des Schöpfers Lieb und Macht nicht loben!
Die
Die Baͤhren.
Die Baͤhren.
Beym Anblick dieſer Beſtien, wird auch der Kuͤhneſte ver- ſtummen, Man ſtutzt, man haͤlt ſich in Gefahr, die ſchwere Bratzen re- gen ſich; Es drohen uns ſechs offne Rachen; man ſieht und hoͤrt recht fuͤrchterlich, Ein wildes heiſeres Gebruͤll, ein Mord - und Blutbegierges Brummen. Man ſieht hier ſchwere Laſten Fleiſch, von Grimm und Grauſamkeit belebt, Und ob den einen gleich der Schlummer in einen tiefen Schlaf begraͤbt: So fuͤrchtet man doch ſein Erwachen. Doch halt! ſie ſind ja nur gemalet, Wir koͤnnen ſicher naͤher treten! komm laßt uns Farb und Form beſehn! Muß jeder, ſo im Bild, als Urbild der ſtarken Baͤren, nicht geſtehn, Daß auch aus ihnen, wie aus allem, ein helles Licht der All- macht ſtralet. Die Maaß, auch in ſo plumpen Gliedern, ein Art von Großmuth in dem Geiſt, Da er den Menſchen ungereizt, nicht leichtlich, ſchadet noch zerreißt, Wo Hungen ihn nicht wuͤtig macht, noch mehr, die uns er- waͤrmnde Haut, Womit er uns im Winter nuͤtzt, ſind einer weiſen Schoͤpfung Proben, Es wird auch eine weiſe Vorſorg, in dieſem Thier, fuͤr uns geſchaut, Wer wollte denn, auch in dem Baͤhren, des Schoͤpfers Lieb und Macht nicht loben!
Die
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Die Baͤhren.
Die Baͤhren.
Beym Anblick dieſer Beſtien, wird auch der Kuͤhneſte ver-
ſtummen,
Man ſtutzt, man haͤlt ſich in Gefahr, die ſchwere Bratzen re-
gen ſich;
Es drohen uns ſechs offne Rachen; man ſieht und hoͤrt recht
fuͤrchterlich,
Ein wildes heiſeres Gebruͤll, ein Mord - und Blutbegierges
Brummen.
Man ſieht hier ſchwere Laſten Fleiſch, von Grimm und
Grauſamkeit belebt,
Und ob den einen gleich der Schlummer in einen tiefen
Schlaf begraͤbt:
So fuͤrchtet man doch ſein Erwachen. Doch halt! ſie ſind ja
nur gemalet,
Wir koͤnnen ſicher naͤher treten! komm laßt uns Farb und
Form beſehn!
Muß jeder, ſo im Bild, als Urbild der ſtarken Baͤren, nicht geſtehn,
Daß auch aus ihnen, wie aus allem, ein helles Licht der All-
macht ſtralet.
Die Maaß, auch in ſo plumpen Gliedern, ein Art von
Großmuth in dem Geiſt,
Da er den Menſchen ungereizt, nicht leichtlich, ſchadet noch
zerreißt,
Wo Hungen ihn nicht wuͤtig macht, noch mehr, die uns er-
waͤrmnde Haut,
Womit er uns im Winter nuͤtzt, ſind einer weiſen Schoͤpfung
Proben,
Es wird auch eine weiſe Vorſorg, in dieſem Thier, fuͤr uns geſchaut,
Wer wollte denn, auch in dem Baͤhren, des Schoͤpfers Lieb und
Macht nicht loben!
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/259>, abgerufen am 22.11.2024.
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