Jn der Thiere Königinn regen Stellung sieht man hier, Muth und Sorge, Lieb und Grimm, recht verwunderlich vereinet. Aus den Augen brechen recht diese Regungen herfür, So, daß sie, nicht nach dem Leben nur gemalt, zu leben scheinet. Seht, mit welcher Zärtlichkeit, Vorsicht, Eifer, Sorg und Kraft, Sie, zum Schutz, die junge Zucht unter sich zusammen rafft, Und sie, mit sich selber decket! An der Jungen jungen Klauen, Kann man schon die Art und Stärke, können wir schon Löwen schauen. Sehet den, mit einer Tatzen, seine Mutter gleichsam reizen, Mit der andern sich schon bös, gegen seinen Schatten, spreizen!
Jn das flache Blatt-Papier, tritt das Thierhaus tief hinein, Und man siehet, fast mit Schrecken, wie die Gattern aufgezogen; Denn es scheint, es käm das Thier, gegen uns, herausgeflogen. Geht die Bildungs-Kunst nicht weit? Da sie, nicht nur durch den Schein, Unser' Augenlust vermehrt, sondern selbst die Seele rühret, Und zu einer Creatur, so Bewundrung - werth, uns führet, Die uns, wenn wir, wie ein Mensch denken sollte, denken, leitet Auf ein unbegreiflich Wesen, das so starker Glieder Pracht, Jn so richt'ger Eben - Maaß, nebst dem Geist, hervorgebracht: Und ein majestätisch Thier in dem Löwen zubereitet.
Die
Die Loͤwinn.
Die Loͤwinn.
Jn der Thiere Koͤniginn regen Stellung ſieht man hier, Muth und Sorge, Lieb und Grimm, recht verwunderlich vereinet. Aus den Augen brechen recht dieſe Regungen herfuͤr, So, daß ſie, nicht nach dem Leben nur gemalt, zu leben ſcheinet. Seht, mit welcher Zaͤrtlichkeit, Vorſicht, Eifer, Sorg und Kraft, Sie, zum Schutz, die junge Zucht unter ſich zuſammen rafft, Und ſie, mit ſich ſelber decket! An der Jungen jungen Klauen, Kann man ſchon die Art und Staͤrke, koͤnnen wir ſchon Loͤwen ſchauen. Sehet den, mit einer Tatzen, ſeine Mutter gleichſam reizen, Mit der andern ſich ſchon boͤſ, gegen ſeinen Schatten, ſpreizen!
Jn das flache Blatt-Papier, tritt das Thierhaus tief hinein, Und man ſiehet, faſt mit Schrecken, wie die Gattern aufgezogen; Denn es ſcheint, es kaͤm das Thier, gegen uns, herausgeflogen. Geht die Bildungs-Kunſt nicht weit? Da ſie, nicht nur durch den Schein, Unſer’ Augenluſt vermehrt, ſondern ſelbſt die Seele ruͤhret, Und zu einer Creatur, ſo Bewundrung - werth, uns fuͤhret, Die uns, wenn wir, wie ein Menſch denken ſollte, denken, leitet Auf ein unbegreiflich Weſen, das ſo ſtarker Glieder Pracht, Jn ſo richt’ger Eben - Maaß, nebſt dem Geiſt, hervorgebracht: Und ein majeſtaͤtiſch Thier in dem Loͤwen zubereitet.
Die
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Die Loͤwinn.
Die Loͤwinn.
Jn der Thiere Koͤniginn regen Stellung ſieht man hier,
Muth und Sorge, Lieb und Grimm, recht verwunderlich
vereinet.
Aus den Augen brechen recht dieſe Regungen herfuͤr,
So, daß ſie, nicht nach dem Leben nur gemalt, zu leben ſcheinet.
Seht, mit welcher Zaͤrtlichkeit, Vorſicht, Eifer, Sorg und Kraft,
Sie, zum Schutz, die junge Zucht unter ſich zuſammen rafft,
Und ſie, mit ſich ſelber decket! An der Jungen jungen Klauen,
Kann man ſchon die Art und Staͤrke, koͤnnen wir ſchon Loͤwen
ſchauen.
Sehet den, mit einer Tatzen, ſeine Mutter gleichſam reizen,
Mit der andern ſich ſchon boͤſ, gegen ſeinen Schatten, ſpreizen!
Jn das flache Blatt-Papier, tritt das Thierhaus tief hinein,
Und man ſiehet, faſt mit Schrecken, wie die Gattern aufgezogen;
Denn es ſcheint, es kaͤm das Thier, gegen uns, herausgeflogen.
Geht die Bildungs-Kunſt nicht weit? Da ſie, nicht nur durch
den Schein,
Unſer’ Augenluſt vermehrt, ſondern ſelbſt die Seele ruͤhret,
Und zu einer Creatur, ſo Bewundrung - werth, uns fuͤhret,
Die uns, wenn wir, wie ein Menſch denken ſollte, denken, leitet
Auf ein unbegreiflich Weſen, das ſo ſtarker Glieder Pracht,
Jn ſo richt’ger Eben - Maaß, nebſt dem Geiſt, hervorgebracht:
Und ein majeſtaͤtiſch Thier in dem Loͤwen zubereitet.
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/260>, abgerufen am 22.11.2024.
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