Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740.Nöthige Lese-Schule. Nöthige Lese-Schule. Der Jdee vom Natur-Buch dacht ich neulich bey mir nach, Bis mich deucht, daß die Natur selber folgends mit mir sprach: Jhr verstehet eure Wörter, und ihr könnet Schriften lesen, Meynt ihr denn, daß ihr allein Wörter habt, und Schriften kennet, Da ihr doch derselben Zeichen bloß allein durch mich benennet? Es sind meine Red-und Schriften immer in der Welt gewesen. Nehmt mein A B C zur Hand, das sind Körper und Figuren, Von so mancherley verhandnen ungezählten Creaturen. Berge, Bäume, Thier u. Kräuter, samt dem Meer u. denen Sternen, Sind so laut, als stumme Lettern. Aber ihr müßt lesen lernen. Euer Lesen lernet ihr, und gewiß nicht sonder Müh; Jst denn meine Schrift nicht werth, euch mit etwas Ernst, um sie Zu begreifen, zu bequemen, Und, des großen Jnhalts halber, etwas Müh zu übernehmen? Meine Lettern können euch unvernehmlicher nicht scheinen, Als wenn ihr Arabiens krummgezogne Schriften seht, Da ihr doch, durch etwas Müh, ihren Jnhalt bald versteht, Und ihr dürfet, daß die meinen ganz unlesbar sind, nicht meynen. Ja, gesetzt, ihr könnet nicht ihren Jnhalt bald ergründen: Werdet ihr schon Weisheit gnug fast in jeder Letter finden. Jeder Buchstab ist ein Buch, welches voller weisen Lehren, Jeder Körper eine Schrift, welche, zu des Schöpfers Ehren, Macht und Lieb und Weisheit weist. Fange doch nun jedermann, Jn dem großen Buch der Welt, erst zu zu buchstabiren an. Machet ihr euch hier geschickt, fertig nur zu buchstabiren, Als wozu ihr, hier auf Erden, glaublich nur bestimmet seyd: Werdet ihr vermuthlich fähig, und geschickt, nach dieser Zeit, Auf der rechten hohen Schulen, zu des Schöpfers Preis und Ehr, Als des Buchs der Creatur wahren Jnhalt, mehr und mehr, Jm beständigen Entzücken ewig selig, zu studiren. Wan- Br. VI. Th. R
Noͤthige Leſe-Schule. Noͤthige Leſe-Schule. Der Jdee vom Natur-Buch dacht ich neulich bey mir nach, Bis mich deucht, daß die Natur ſelber folgends mit mir ſprach: Jhr verſtehet eure Woͤrter, und ihr koͤnnet Schriften leſen, Meynt ihr denn, daß ihr allein Woͤrter habt, und Schriften kennet, Da ihr doch derſelben Zeichen bloß allein durch mich benennet? Es ſind meine Red-und Schriften immer in der Welt geweſen. Nehmt mein A B C zur Hand, das ſind Koͤrper und Figuren, Von ſo mancherley verhandnen ungezaͤhlten Creaturen. Berge, Baͤume, Thier u. Kraͤuter, ſamt dem Meer u. denen Sternen, Sind ſo laut, als ſtumme Lettern. Aber ihr muͤßt leſen lernen. Euer Leſen lernet ihr, und gewiß nicht ſonder Muͤh; Jſt denn meine Schrift nicht werth, euch mit etwas Ernſt, um ſie Zu begreifen, zu bequemen, Und, des großen Jnhalts halber, etwas Muͤh zu uͤbernehmen? Meine Lettern koͤnnen euch unvernehmlicher nicht ſcheinen, Als wenn ihr Arabiens krummgezogne Schriften ſeht, Da ihr doch, durch etwas Muͤh, ihren Jnhalt bald verſteht, Und ihr duͤrfet, daß die meinen ganz unlesbar ſind, nicht meynen. Ja, geſetzt, ihr koͤnnet nicht ihren Jnhalt bald ergruͤnden: Werdet ihr ſchon Weisheit gnug faſt in jeder Letter finden. Jeder Buchſtab iſt ein Buch, welches voller weiſen Lehren, Jeder Koͤrper eine Schrift, welche, zu des Schoͤpfers Ehren, Macht und Lieb und Weisheit weiſt. Fange doch nun jedermann, Jn dem großen Buch der Welt, erſt zu zu buchſtabiren an. Machet ihr euch hier geſchickt, fertig nur zu buchſtabiren, Als wozu ihr, hier auf Erden, glaublich nur beſtimmet ſeyd: Werdet ihr vermuthlich faͤhig, und geſchickt, nach dieſer Zeit, Auf der rechten hohen Schulen, zu des Schoͤpfers Preis und Ehr, Als des Buchs der Creatur wahren Jnhalt, mehr und mehr, Jm beſtaͤndigen Entzuͤcken ewig ſelig, zu ſtudiren. Wan- Br. VI. Th. R
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0281" n="257"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Noͤthige Leſe-Schule.</hi> </fw><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Noͤthige Leſe-Schule.</hi> </head><lb/> <lg type="poem"> <l><hi rendition="#in">D</hi>er Jdee vom Natur-Buch dacht ich neulich bey mir nach,</l><lb/> <l>Bis mich deucht, daß die Natur ſelber folgends mit mir<lb/><hi rendition="#et">ſprach:</hi></l><lb/> <l>Jhr verſtehet eure Woͤrter, und ihr koͤnnet Schriften leſen,</l><lb/> <l>Meynt ihr denn, daß ihr allein Woͤrter habt, und Schriften kennet,</l><lb/> <l>Da ihr doch derſelben Zeichen bloß allein durch mich benennet?</l><lb/> <l>Es ſind meine Red-und Schriften immer in der Welt geweſen.</l><lb/> <l>Nehmt mein A B C zur Hand, das ſind Koͤrper und Figuren,</l><lb/> <l>Von ſo mancherley verhandnen ungezaͤhlten Creaturen.</l><lb/> <l>Berge, Baͤume, Thier u. Kraͤuter, ſamt dem Meer u. denen Sternen,</l><lb/> <l>Sind ſo laut, als ſtumme Lettern. Aber ihr muͤßt leſen lernen.</l><lb/> <l>Euer Leſen lernet ihr, und gewiß nicht ſonder Muͤh;</l><lb/> <l>Jſt denn meine Schrift nicht werth, euch mit etwas Ernſt, um ſie</l><lb/> <l>Zu begreifen, zu bequemen,</l><lb/> <l>Und, des großen Jnhalts halber, etwas Muͤh zu uͤbernehmen?</l><lb/> <l>Meine Lettern koͤnnen euch unvernehmlicher nicht ſcheinen,</l><lb/> <l>Als wenn ihr Arabiens krummgezogne Schriften ſeht,</l><lb/> <l>Da ihr doch, durch etwas Muͤh, ihren Jnhalt bald verſteht,</l><lb/> <l>Und ihr duͤrfet, daß die meinen ganz unlesbar ſind, nicht meynen.</l><lb/> <l>Ja, geſetzt, ihr koͤnnet nicht ihren Jnhalt bald ergruͤnden:</l><lb/> <l>Werdet ihr ſchon Weisheit gnug faſt in jeder Letter finden.</l><lb/> <l>Jeder Buchſtab iſt ein Buch, welches voller weiſen Lehren,</l><lb/> <l>Jeder Koͤrper eine Schrift, welche, zu des Schoͤpfers Ehren,</l><lb/> <l>Macht und Lieb und Weisheit weiſt. Fange doch nun jedermann,</l><lb/> <l>Jn dem großen Buch der Welt, erſt zu zu buchſtabiren an.</l><lb/> <l>Machet ihr euch hier geſchickt, fertig nur zu buchſtabiren,</l><lb/> <l>Als wozu ihr, hier auf Erden, glaublich nur beſtimmet ſeyd:</l><lb/> <l>Werdet ihr vermuthlich faͤhig, und geſchickt, nach dieſer Zeit,</l><lb/> <l>Auf der rechten hohen Schulen, zu des Schoͤpfers Preis und Ehr,</l><lb/> <l>Als des Buchs der Creatur wahren Jnhalt, mehr und mehr,</l><lb/> <l>Jm beſtaͤndigen Entzuͤcken ewig ſelig, zu ſtudiren.</l> </lg> </div><lb/> <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#fr">Br.</hi><hi rendition="#aq">VI.</hi><hi rendition="#fr">Th.</hi> R</fw> <fw place="bottom" type="catch">Wan-</fw><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [257/0281]
Noͤthige Leſe-Schule.
Noͤthige Leſe-Schule.
Der Jdee vom Natur-Buch dacht ich neulich bey mir nach,
Bis mich deucht, daß die Natur ſelber folgends mit mir
ſprach:
Jhr verſtehet eure Woͤrter, und ihr koͤnnet Schriften leſen,
Meynt ihr denn, daß ihr allein Woͤrter habt, und Schriften kennet,
Da ihr doch derſelben Zeichen bloß allein durch mich benennet?
Es ſind meine Red-und Schriften immer in der Welt geweſen.
Nehmt mein A B C zur Hand, das ſind Koͤrper und Figuren,
Von ſo mancherley verhandnen ungezaͤhlten Creaturen.
Berge, Baͤume, Thier u. Kraͤuter, ſamt dem Meer u. denen Sternen,
Sind ſo laut, als ſtumme Lettern. Aber ihr muͤßt leſen lernen.
Euer Leſen lernet ihr, und gewiß nicht ſonder Muͤh;
Jſt denn meine Schrift nicht werth, euch mit etwas Ernſt, um ſie
Zu begreifen, zu bequemen,
Und, des großen Jnhalts halber, etwas Muͤh zu uͤbernehmen?
Meine Lettern koͤnnen euch unvernehmlicher nicht ſcheinen,
Als wenn ihr Arabiens krummgezogne Schriften ſeht,
Da ihr doch, durch etwas Muͤh, ihren Jnhalt bald verſteht,
Und ihr duͤrfet, daß die meinen ganz unlesbar ſind, nicht meynen.
Ja, geſetzt, ihr koͤnnet nicht ihren Jnhalt bald ergruͤnden:
Werdet ihr ſchon Weisheit gnug faſt in jeder Letter finden.
Jeder Buchſtab iſt ein Buch, welches voller weiſen Lehren,
Jeder Koͤrper eine Schrift, welche, zu des Schoͤpfers Ehren,
Macht und Lieb und Weisheit weiſt. Fange doch nun jedermann,
Jn dem großen Buch der Welt, erſt zu zu buchſtabiren an.
Machet ihr euch hier geſchickt, fertig nur zu buchſtabiren,
Als wozu ihr, hier auf Erden, glaublich nur beſtimmet ſeyd:
Werdet ihr vermuthlich faͤhig, und geſchickt, nach dieſer Zeit,
Auf der rechten hohen Schulen, zu des Schoͤpfers Preis und Ehr,
Als des Buchs der Creatur wahren Jnhalt, mehr und mehr,
Jm beſtaͤndigen Entzuͤcken ewig ſelig, zu ſtudiren.
Wan-
Br. VI. Th. R
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |