Wie oft und vielmal wünschten wir, Als uns der Winter alle Zier Der grünenden Natur beraubet, Das Kraut erstickt, die Bäum entlaubet; Da Feld und Wald mit Schnee bedeckt; Da uns der rauhe Nordwind schreckt: Ach wenn der Frühling wiederkäme, Und die Beschwerde von uns nähme! Ach wenn die Lüfte klar und rein, Erwärmt vom hellen Sonnenschein, Und lau, und sanft, und lieblich wären! Ach könnte man, in hellen Chören, Die bunten Vögel wieder hören! Ach sähen wir die gelben Aehren So angenehm als ungemein, Bey sanfter Kühlung, lieblich wallen! Ach möcht, in fliessenden Krystallen, Des grünen Ufers Wiederschein Zu sehen seyn! Wie wollten wir uns denn nicht freuen! Wir wollten Lob und Dank erneuen. Jetzt seht und hört ihr alles das, Was ihr gewünscht. Es ist erschienen Die Zeit, die so erwünschte Zeit. Die Welt ist voller Lieblichkeit; Es stehet jetzt, durch Laub und Gras, So Feld, als Wald, im holden Grünen. Es sind die Lüfte klar und rein, Erwärmt, vom heitern Sonnenschein.
Jhr
Wankelmuth der Menſchen.
Wankelmuth und Unachtſamkeit der Menſchen.
Wie oft und vielmal wuͤnſchten wir, Als uns der Winter alle Zier Der gruͤnenden Natur beraubet, Das Kraut erſtickt, die Baͤum entlaubet; Da Feld und Wald mit Schnee bedeckt; Da uns der rauhe Nordwind ſchreckt: Ach wenn der Fruͤhling wiederkaͤme, Und die Beſchwerde von uns naͤhme! Ach wenn die Luͤfte klar und rein, Erwaͤrmt vom hellen Sonnenſchein, Und lau, und ſanft, und lieblich waͤren! Ach koͤnnte man, in hellen Choͤren, Die bunten Voͤgel wieder hoͤren! Ach ſaͤhen wir die gelben Aehren So angenehm als ungemein, Bey ſanfter Kuͤhlung, lieblich wallen! Ach moͤcht, in flieſſenden Kryſtallen, Des gruͤnen Ufers Wiederſchein Zu ſehen ſeyn! Wie wollten wir uns denn nicht freuen! Wir wollten Lob und Dank erneuen. Jetzt ſeht und hoͤrt ihr alles das, Was ihr gewuͤnſcht. Es iſt erſchienen Die Zeit, die ſo erwuͤnſchte Zeit. Die Welt iſt voller Lieblichkeit; Es ſtehet jetzt, durch Laub und Gras, So Feld, als Wald, im holden Gruͤnen. Es ſind die Luͤfte klar und rein, Erwaͤrmt, vom heitern Sonnenſchein.
Jhr
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Wankelmuth der Menſchen.
Wankelmuth und Unachtſamkeit
der Menſchen.
Wie oft und vielmal wuͤnſchten wir,
Als uns der Winter alle Zier
Der gruͤnenden Natur beraubet,
Das Kraut erſtickt, die Baͤum entlaubet;
Da Feld und Wald mit Schnee bedeckt;
Da uns der rauhe Nordwind ſchreckt:
Ach wenn der Fruͤhling wiederkaͤme,
Und die Beſchwerde von uns naͤhme!
Ach wenn die Luͤfte klar und rein,
Erwaͤrmt vom hellen Sonnenſchein,
Und lau, und ſanft, und lieblich waͤren!
Ach koͤnnte man, in hellen Choͤren,
Die bunten Voͤgel wieder hoͤren!
Ach ſaͤhen wir die gelben Aehren
So angenehm als ungemein,
Bey ſanfter Kuͤhlung, lieblich wallen!
Ach moͤcht, in flieſſenden Kryſtallen,
Des gruͤnen Ufers Wiederſchein
Zu ſehen ſeyn!
Wie wollten wir uns denn nicht freuen!
Wir wollten Lob und Dank erneuen.
Jetzt ſeht und hoͤrt ihr alles das,
Was ihr gewuͤnſcht. Es iſt erſchienen
Die Zeit, die ſo erwuͤnſchte Zeit.
Die Welt iſt voller Lieblichkeit;
Es ſtehet jetzt, durch Laub und Gras,
So Feld, als Wald, im holden Gruͤnen.
Es ſind die Luͤfte klar und rein,
Erwaͤrmt, vom heitern Sonnenſchein.
Jhr
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/282>, abgerufen am 22.11.2024.
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