Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740.Macht des Aberglaubens. Von Crocodill-und Wasser-Drachen, mit aufgesperrten Ra-chen, fuhren, Die unglückseligen Vergnügte, die sich mit Fleiß zu ihnen drungen, Bald hie bald dort ergrimmt ergriffen, zerfleischt-zerquetschten und verschlungen. Durch diesen Anblick fast erstarrt, empfand ich schreckende Jdeen Jn meiner aufgebrachten Seele, mit Mitleid untermischt, ent- stehen, So daß ein tief gehohlter Seufzer aus meiner Brust voll Schwermuth brach, Und ich, mit einem heilgen Gram erfüllet, zu mir selber sprach: O Gott! du Schöpfer aller Dinge, unendlichs All! voll- kommner Geist, Selbständig ewge Lieb! o Vater von allem, was da Kinder heißt! Der du die innern Triebe siehst, die Absicht weißt, den Zweck erkennest, Von diesen irrenden Geschöpfen, die Menschen sind, so wohl als ich, Da sie ganz überzeuglich glauben, und sich versichern, daß sie dich, Mit ihres eignen Leibes Opfer, versöhnen und dich ehren können, Wenn sie, voll Hoffnung, unverzagt, dem schwarzen Tod in Ra- chen rennen. Wie unerforscht ist dein Gericht, wie unbegreiflich sind die Wege, Die du mit diesen Menschen gehst. Jch zittere, wenn ich mit Ernst, auf welche Weise solche That, Die so viel Finsterniß und Blindheit, als Lieb und Eifer, in sich hat, Von dir gerichtet werden wird, nach jedem Umstand überlege, Und stell in tief gebückter Demuth, o ewge Weisheit, dir allein Und deiner ewgen Lieb anheim, wie sie vor dir gerichtet seyn. Nur wend ich mich, um diesen Eifer, im Gottesdienst, mit dem, den wir, Darin S 3
Macht des Aberglaubens. Von Crocodill-und Waſſer-Drachen, mit aufgeſperrten Ra-chen, fuhren, Die ungluͤckſeligen Vergnuͤgte, die ſich mit Fleiß zu ihnen drungen, Bald hie bald dort ergrimmt ergriffen, zerfleiſcht-zerquetſchten und verſchlungen. Durch dieſen Anblick faſt erſtarrt, empfand ich ſchreckende Jdeen Jn meiner aufgebrachten Seele, mit Mitleid untermiſcht, ent- ſtehen, So daß ein tief gehohlter Seufzer aus meiner Bruſt voll Schwermuth brach, Und ich, mit einem heilgen Gram erfuͤllet, zu mir ſelber ſprach: O Gott! du Schoͤpfer aller Dinge, unendlichs All! voll- kommner Geiſt, Selbſtaͤndig ewge Lieb! o Vater von allem, was da Kinder heißt! Der du die innern Triebe ſiehſt, die Abſicht weißt, den Zweck erkenneſt, Von dieſen irrenden Geſchoͤpfen, die Menſchen ſind, ſo wohl als ich, Da ſie ganz uͤberzeuglich glauben, und ſich verſichern, daß ſie dich, Mit ihres eignen Leibes Opfer, verſoͤhnen und dich ehren koͤnnen, Wenn ſie, voll Hoffnung, unverzagt, dem ſchwarzen Tod in Ra- chen rennen. Wie unerforſcht iſt dein Gericht, wie unbegreiflich ſind die Wege, Die du mit dieſen Menſchen gehſt. Jch zittere, wenn ich mit Ernſt, auf welche Weiſe ſolche That, Die ſo viel Finſterniß und Blindheit, als Lieb und Eifer, in ſich hat, Von dir gerichtet werden wird, nach jedem Umſtand uͤberlege, Und ſtell in tief gebuͤckter Demuth, o ewge Weisheit, dir allein Und deiner ewgen Lieb anheim, wie ſie vor dir gerichtet ſeyn. Nur wend ich mich, um dieſen Eifer, im Gottesdienſt, mit dem, den wir, Darin S 3
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Macht des Aberglaubens.
Von Crocodill-und Waſſer-Drachen, mit aufgeſperrten Ra-
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Die ungluͤckſeligen Vergnuͤgte, die ſich mit Fleiß zu ihnen drungen,
Bald hie bald dort ergrimmt ergriffen, zerfleiſcht-zerquetſchten
und verſchlungen.
Durch dieſen Anblick faſt erſtarrt, empfand ich ſchreckende Jdeen
Jn meiner aufgebrachten Seele, mit Mitleid untermiſcht, ent-
ſtehen,
So daß ein tief gehohlter Seufzer aus meiner Bruſt voll
Schwermuth brach,
Und ich, mit einem heilgen Gram erfuͤllet, zu mir ſelber ſprach:
O Gott! du Schoͤpfer aller Dinge, unendlichs All! voll-
kommner Geiſt,
Selbſtaͤndig ewge Lieb! o Vater von allem, was da Kinder heißt!
Der du die innern Triebe ſiehſt, die Abſicht weißt, den Zweck
erkenneſt,
Von dieſen irrenden Geſchoͤpfen, die Menſchen ſind, ſo wohl
als ich,
Da ſie ganz uͤberzeuglich glauben, und ſich verſichern, daß ſie dich,
Mit ihres eignen Leibes Opfer, verſoͤhnen und dich ehren koͤnnen,
Wenn ſie, voll Hoffnung, unverzagt, dem ſchwarzen Tod in Ra-
chen rennen.
Wie unerforſcht iſt dein Gericht, wie unbegreiflich ſind die Wege,
Die du mit dieſen Menſchen gehſt.
Jch zittere, wenn ich mit Ernſt, auf welche Weiſe ſolche That,
Die ſo viel Finſterniß und Blindheit, als Lieb und Eifer, in
ſich hat,
Von dir gerichtet werden wird, nach jedem Umſtand uͤberlege,
Und ſtell in tief gebuͤckter Demuth, o ewge Weisheit, dir allein
Und deiner ewgen Lieb anheim, wie ſie vor dir gerichtet ſeyn.
Nur wend ich mich, um dieſen Eifer, im Gottesdienſt, mit dem,
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