Am allermeisten fähig sey. Zwar deucht mich, wendest du hier ein: Dieß, was du zeigest, ist nicht leicht. Es ist ja diese Kunst so schwer, Daß, unter tausenden, kaum einer, es sey denn recht von un- gefähr, Ein Mieris oder auch ein Denner zu werden, je geschickt wird seyn. So sag ich: Dieses braucht es nicht. Du darfst dich nur al- lein gewöhnen, Von Körpern etwas nachzuzeichnen, auch Farben dann und wann zu mischen, So wirst du, nicht allein durchs Aug, auch selber deinen Geist erfrischen; Du wirst, durch diese Fähigkeit, auch einen Weg zugleich dir bähnen, Die Welt, und Gott in ihr, zu sehn. Wär es nun gar mit dir zu spat, Nach deiner Meynung: Geb ich dir dennoch noch diesen guten Rath: Besorge, wenn du Kinder hast, daß sie, durch diese Kunst, bey- zeiten, Sich, zur Verehrung ihres Schöpfers, und ihrem eignen Glück, bereiten. So wird, für göttlicher Geschöpfe, die grobe Blindheit von der Erden, Zu Gottes Ehr und unserm Besten, auch allgemach vertrie- ben werden.
Stil-
Die Kunſt vernuͤnftig ſehen zu lernen.
Am allermeiſten faͤhig ſey. Zwar deucht mich, wendeſt du hier ein: Dieß, was du zeigeſt, iſt nicht leicht. Es iſt ja dieſe Kunſt ſo ſchwer, Daß, unter tauſenden, kaum einer, es ſey denn recht von un- gefaͤhr, Ein Mieris oder auch ein Denner zu werden, je geſchickt wird ſeyn. So ſag ich: Dieſes braucht es nicht. Du darfſt dich nur al- lein gewoͤhnen, Von Koͤrpern etwas nachzuzeichnen, auch Farben dann und wann zu miſchen, So wirſt du, nicht allein durchs Aug, auch ſelber deinen Geiſt erfriſchen; Du wirſt, durch dieſe Faͤhigkeit, auch einen Weg zugleich dir baͤhnen, Die Welt, und Gott in ihr, zu ſehn. Waͤr es nun gar mit dir zu ſpat, Nach deiner Meynung: Geb ich dir dennoch noch dieſen guten Rath: Beſorge, wenn du Kinder haſt, daß ſie, durch dieſe Kunſt, bey- zeiten, Sich, zur Verehrung ihres Schoͤpfers, und ihrem eignen Gluͤck, bereiten. So wird, fuͤr goͤttlicher Geſchoͤpfe, die grobe Blindheit von der Erden, Zu Gottes Ehr und unſerm Beſten, auch allgemach vertrie- ben werden.
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Die Kunſt vernuͤnftig ſehen zu lernen.
Am allermeiſten faͤhig ſey. Zwar deucht mich, wendeſt du
hier ein:
Dieß, was du zeigeſt, iſt nicht leicht. Es iſt ja dieſe Kunſt ſo
ſchwer,
Daß, unter tauſenden, kaum einer, es ſey denn recht von un-
gefaͤhr,
Ein Mieris oder auch ein Denner zu werden, je geſchickt
wird ſeyn.
So ſag ich: Dieſes braucht es nicht. Du darfſt dich nur al-
lein gewoͤhnen,
Von Koͤrpern etwas nachzuzeichnen, auch Farben dann und wann
zu miſchen,
So wirſt du, nicht allein durchs Aug, auch ſelber deinen Geiſt
erfriſchen;
Du wirſt, durch dieſe Faͤhigkeit, auch einen Weg zugleich dir
baͤhnen,
Die Welt, und Gott in ihr, zu ſehn. Waͤr es nun gar mit
dir zu ſpat,
Nach deiner Meynung: Geb ich dir dennoch noch dieſen guten
Rath:
Beſorge, wenn du Kinder haſt, daß ſie, durch dieſe Kunſt, bey-
zeiten,
Sich, zur Verehrung ihres Schoͤpfers, und ihrem eignen Gluͤck,
bereiten.
So wird, fuͤr goͤttlicher Geſchoͤpfe, die grobe Blindheit von
der Erden,
Zu Gottes Ehr und unſerm Beſten, auch allgemach vertrie-
ben werden.
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 334. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/358>, abgerufen am 22.11.2024.
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