Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740.Der Atheist. Wenn keine Furcht für künftge Strafen, auch keine gegenwärtger Lüste Sich zu berauben, (noch die Furcht mit schlechtern Geistern eins zu seyn, Die Geister roher Menschen plagte: So dürft ich, daß kein Atheiste Auf Erden je gewesen wäre, noch käme, kühnlich prophezeyn. Zur ersten Furcht hat sonder Zweifel, daß wir nur gar zu wenig sagen Von Gott, daß er die ewge Liebe, und daß man uns von sei- ner Macht, Und der Gerechtigkeit ein Bild, das fast tyrannisch, beygebracht, (Wodurch man sie nicht reizt, nur schreckt) gewiß ein großes beygetragen, Da sie die Gottheit anders nicht, als einen Rächer mit der Höllen, Und der sie ewig strafen will, aus Furcht, sich wissen vorzu- stellen, Einfolglich mit dem größten Eifer, wozu sie fähig, sich bemühn, Durch ihn verleugnende Gedanken, sich auch der Strafe zu entziehn, Und einer ewgen Höllen Gluht, die sie von seiner Streng allein, Da sie ihn nicht, als Vater, kennen, und anders nichts gewär- tig seyn. Zum andern, daß man, sonder Grund, uns manche Wol- lust in der Welt, Die uns erlaubt, ja gar gebothen, mehr als unchristlich vor- enthält, Wie sonderlich die Pietisten hierin am allermeisten fehlen, Die, durch die Mischungen des Körpers und bittere Melan- choley Verführet, allenthalben lehren, daß alle Lust verbothen sey, Wo- A a 3
Der Atheiſt. Wenn keine Furcht fuͤr kuͤnftge Strafen, auch keine gegenwaͤrtger Luͤſte Sich zu berauben, (noch die Furcht mit ſchlechtern Geiſtern eins zu ſeyn, Die Geiſter roher Menſchen plagte: So duͤrft ich, daß kein Atheiſte Auf Erden je geweſen waͤre, noch kaͤme, kuͤhnlich prophezeyn. Zur erſten Furcht hat ſonder Zweifel, daß wir nur gar zu wenig ſagen Von Gott, daß er die ewge Liebe, und daß man uns von ſei- ner Macht, Und der Gerechtigkeit ein Bild, das faſt tyranniſch, beygebracht, (Wodurch man ſie nicht reizt, nur ſchreckt) gewiß ein großes beygetragen, Da ſie die Gottheit anders nicht, als einen Raͤcher mit der Hoͤllen, Und der ſie ewig ſtrafen will, aus Furcht, ſich wiſſen vorzu- ſtellen, Einfolglich mit dem groͤßten Eifer, wozu ſie faͤhig, ſich bemuͤhn, Durch ihn verleugnende Gedanken, ſich auch der Strafe zu entziehn, Und einer ewgen Hoͤllen Gluht, die ſie von ſeiner Streng allein, Da ſie ihn nicht, als Vater, kennen, und anders nichts gewaͤr- tig ſeyn. Zum andern, daß man, ſonder Grund, uns manche Wol- luſt in der Welt, Die uns erlaubt, ja gar gebothen, mehr als unchriſtlich vor- enthaͤlt, Wie ſonderlich die Pietiſten hierin am allermeiſten fehlen, Die, durch die Miſchungen des Koͤrpers und bittere Melan- choley Verfuͤhret, allenthalben lehren, daß alle Luſt verbothen ſey, Wo- A a 3
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Der Atheiſt.
Wenn keine Furcht fuͤr kuͤnftge Strafen, auch keine
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Sich zu berauben, (noch die Furcht mit ſchlechtern
Geiſtern eins zu ſeyn,
Die Geiſter roher Menſchen plagte: So duͤrft ich, daß kein
Atheiſte
Auf Erden je geweſen waͤre, noch kaͤme, kuͤhnlich prophezeyn.
Zur erſten Furcht hat ſonder Zweifel, daß wir nur gar
zu wenig ſagen
Von Gott, daß er die ewge Liebe, und daß man uns von ſei-
ner Macht,
Und der Gerechtigkeit ein Bild, das faſt tyranniſch, beygebracht,
(Wodurch man ſie nicht reizt, nur ſchreckt) gewiß ein großes
beygetragen,
Da ſie die Gottheit anders nicht, als einen Raͤcher mit der
Hoͤllen,
Und der ſie ewig ſtrafen will, aus Furcht, ſich wiſſen vorzu-
ſtellen,
Einfolglich mit dem groͤßten Eifer, wozu ſie faͤhig, ſich bemuͤhn,
Durch ihn verleugnende Gedanken, ſich auch der Strafe zu
entziehn,
Und einer ewgen Hoͤllen Gluht, die ſie von ſeiner Streng allein,
Da ſie ihn nicht, als Vater, kennen, und anders nichts gewaͤr-
tig ſeyn.
Zum andern, daß man, ſonder Grund, uns manche Wol-
luſt in der Welt,
Die uns erlaubt, ja gar gebothen, mehr als unchriſtlich vor-
enthaͤlt,
Wie ſonderlich die Pietiſten hierin am allermeiſten fehlen,
Die, durch die Miſchungen des Koͤrpers und bittere Melan-
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