Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740.

Bild:
<< vorherige Seite
Auflösung eines gewissen Einwurfs.
Wie wichtig dieser Zweifel scheinet,
Jst er bey weiten doch so stark nicht, als man meynet.
Jst dieses wohl des Schöpfers Schuld? Und hätt er Men-
schen zwingen sollen,

Daß sie, bey ihrem freyen Willen, sie dennoch hätten müssen
wollen?
Er leget ihnen tausend Schätze, in seinen Creaturen, vor;
Er macht sie wunderbarlich sinnlich; er schenket ihnen Aug
und Ohr,

Giebt ihren Seelen Kraft, zu denken, sie zu gebrauchen, an den
Schätzen

Sich gar, zu seiner Ehr, o Wunder! zu freuen und sich zu er-
getzen:

So ist es ja der Menschen Schuld, wenn sie das, wozu sie ver-
pflichtet,

Und zwar zu ihrer eignen Lust, sich selber strafend, nicht ver-
richtet.
Er selbst verlieret nichts dabey. Wie können ihm Ge-
schöpfe fehlen,

Die seine Weisheit, Macht und Ehre besingen, preisen und
erhöhn?

Da wir, nicht nur in der Natur, auch selber in der Bibel, sehn,
Daß selbst die Feste seine Werke, die Himmel Gottes Ehr er-
zählen,

Daß aller Morgensterne Schaaren, in ihrem Lob, ihm Ehr er-
weisen,

Daß Seraphim und Cherubim, mit stetem Lobgesang, ihn preisen.
Auch ist es überdem nicht billig, (vielleicht aus Hochmuth)
zu gedenken,

Als ob wir auf der Welt allein uns, durch Geschöpf, zum
Schöpfer lenken,
Als
Aufloͤſung eines gewiſſen Einwurfs.
Wie wichtig dieſer Zweifel ſcheinet,
Jſt er bey weiten doch ſo ſtark nicht, als man meynet.
Jſt dieſes wohl des Schoͤpfers Schuld? Und haͤtt er Men-
ſchen zwingen ſollen,

Daß ſie, bey ihrem freyen Willen, ſie dennoch haͤtten muͤſſen
wollen?
Er leget ihnen tauſend Schaͤtze, in ſeinen Creaturen, vor;
Er macht ſie wunderbarlich ſinnlich; er ſchenket ihnen Aug
und Ohr,

Giebt ihren Seelen Kraft, zu denken, ſie zu gebrauchen, an den
Schaͤtzen

Sich gar, zu ſeiner Ehr, o Wunder! zu freuen und ſich zu er-
getzen:

So iſt es ja der Menſchen Schuld, wenn ſie das, wozu ſie ver-
pflichtet,

Und zwar zu ihrer eignen Luſt, ſich ſelber ſtrafend, nicht ver-
richtet.
Er ſelbſt verlieret nichts dabey. Wie koͤnnen ihm Ge-
ſchoͤpfe fehlen,

Die ſeine Weisheit, Macht und Ehre beſingen, preiſen und
erhoͤhn?

Da wir, nicht nur in der Natur, auch ſelber in der Bibel, ſehn,
Daß ſelbſt die Feſte ſeine Werke, die Himmel Gottes Ehr er-
zaͤhlen,

Daß aller Morgenſterne Schaaren, in ihrem Lob, ihm Ehr er-
weiſen,

Daß Seraphim und Cherubim, mit ſtetem Lobgeſang, ihn preiſen.
Auch iſt es uͤberdem nicht billig, (vielleicht aus Hochmuth)
zu gedenken,

Als ob wir auf der Welt allein uns, durch Geſchoͤpf, zum
Schoͤpfer lenken,
Als
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0418" n="394"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Auflo&#x0364;&#x017F;ung eines gewi&#x017F;&#x017F;en Einwurfs.</hi> </fw><lb/>
          <lg n="3">
            <l>Wie wichtig die&#x017F;er Zweifel &#x017F;cheinet,</l><lb/>
            <l>J&#x017F;t er bey weiten doch &#x017F;o &#x017F;tark nicht, als man meynet.</l><lb/>
            <l>J&#x017F;t die&#x017F;es wohl des Scho&#x0364;pfers Schuld? Und ha&#x0364;tt er Men-<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;chen zwingen &#x017F;ollen,</hi></l><lb/>
            <l>Daß &#x017F;ie, bey ihrem freyen Willen, &#x017F;ie dennoch ha&#x0364;tten mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en<lb/><hi rendition="#et">wollen?</hi></l>
          </lg><lb/>
          <lg n="4">
            <l>Er leget ihnen tau&#x017F;end Scha&#x0364;tze, in &#x017F;einen Creaturen, vor;</l><lb/>
            <l>Er macht &#x017F;ie wunderbarlich &#x017F;innlich; er &#x017F;chenket ihnen Aug<lb/><hi rendition="#et">und Ohr,</hi></l><lb/>
            <l>Giebt ihren Seelen Kraft, zu denken, &#x017F;ie zu gebrauchen, an den<lb/><hi rendition="#et">Scha&#x0364;tzen</hi></l><lb/>
            <l>Sich gar, zu &#x017F;einer Ehr, o Wunder! zu freuen und &#x017F;ich zu er-<lb/><hi rendition="#et">getzen:</hi></l><lb/>
            <l>So i&#x017F;t es ja der Men&#x017F;chen Schuld, wenn &#x017F;ie das, wozu &#x017F;ie ver-<lb/><hi rendition="#et">pflichtet,</hi></l><lb/>
            <l>Und zwar zu ihrer eignen Lu&#x017F;t, &#x017F;ich &#x017F;elber &#x017F;trafend, nicht ver-<lb/><hi rendition="#et">richtet.</hi></l>
          </lg><lb/>
          <lg n="5">
            <l>Er &#x017F;elb&#x017F;t verlieret nichts dabey. Wie ko&#x0364;nnen ihm Ge-<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;cho&#x0364;pfe fehlen,</hi></l><lb/>
            <l>Die &#x017F;eine Weisheit, Macht und Ehre be&#x017F;ingen, prei&#x017F;en und<lb/><hi rendition="#et">erho&#x0364;hn?</hi></l><lb/>
            <l>Da wir, nicht nur in der Natur, auch &#x017F;elber in der Bibel, &#x017F;ehn,</l><lb/>
            <l>Daß &#x017F;elb&#x017F;t die Fe&#x017F;te &#x017F;eine Werke, die Himmel Gottes Ehr er-<lb/><hi rendition="#et">za&#x0364;hlen,</hi></l><lb/>
            <l>Daß aller Morgen&#x017F;terne Schaaren, in ihrem Lob, ihm Ehr er-<lb/><hi rendition="#et">wei&#x017F;en,</hi></l><lb/>
            <l>Daß Seraphim und Cherubim, mit &#x017F;tetem Lobge&#x017F;ang, ihn prei&#x017F;en.</l><lb/>
            <l>Auch i&#x017F;t es u&#x0364;berdem nicht billig, (vielleicht aus Hochmuth)<lb/><hi rendition="#et">zu gedenken,</hi></l><lb/>
            <l>Als ob wir auf der Welt allein uns, durch Ge&#x017F;cho&#x0364;pf, zum<lb/><hi rendition="#et">Scho&#x0364;pfer lenken,</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Als</fw><lb/></l>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[394/0418] Aufloͤſung eines gewiſſen Einwurfs. Wie wichtig dieſer Zweifel ſcheinet, Jſt er bey weiten doch ſo ſtark nicht, als man meynet. Jſt dieſes wohl des Schoͤpfers Schuld? Und haͤtt er Men- ſchen zwingen ſollen, Daß ſie, bey ihrem freyen Willen, ſie dennoch haͤtten muͤſſen wollen? Er leget ihnen tauſend Schaͤtze, in ſeinen Creaturen, vor; Er macht ſie wunderbarlich ſinnlich; er ſchenket ihnen Aug und Ohr, Giebt ihren Seelen Kraft, zu denken, ſie zu gebrauchen, an den Schaͤtzen Sich gar, zu ſeiner Ehr, o Wunder! zu freuen und ſich zu er- getzen: So iſt es ja der Menſchen Schuld, wenn ſie das, wozu ſie ver- pflichtet, Und zwar zu ihrer eignen Luſt, ſich ſelber ſtrafend, nicht ver- richtet. Er ſelbſt verlieret nichts dabey. Wie koͤnnen ihm Ge- ſchoͤpfe fehlen, Die ſeine Weisheit, Macht und Ehre beſingen, preiſen und erhoͤhn? Da wir, nicht nur in der Natur, auch ſelber in der Bibel, ſehn, Daß ſelbſt die Feſte ſeine Werke, die Himmel Gottes Ehr er- zaͤhlen, Daß aller Morgenſterne Schaaren, in ihrem Lob, ihm Ehr er- weiſen, Daß Seraphim und Cherubim, mit ſtetem Lobgeſang, ihn preiſen. Auch iſt es uͤberdem nicht billig, (vielleicht aus Hochmuth) zu gedenken, Als ob wir auf der Welt allein uns, durch Geſchoͤpf, zum Schoͤpfer lenken, Als

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/418
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 394. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/418>, abgerufen am 22.11.2024.