Jch weis gewiß nicht, ob wir uns gar weit vom Weg der Wahrheit trennen, Wenn wir den Kolben-förmgen Schedel, lebendge hohle Spie- gel nennen, Worin der Geist die Bilder fühlt, und sie bald ordnen, bald vermischen, Bald wiederum ergreifen kann. Doch bleibt desselben wahrer Stand, Wie scharf man gleich aufs Denken denkt, doch in der That uns unbekannt.
Es scheint uns, wie mit unserm Aug, auch so mit unserm Geist, zu gehn, Der Geist so wohl, als unser Auge, kann alles, nur sich selbst nicht, sehn: Es läßt jedoch auf diese Weise, wenn wir des Schedels Ründ ergründen, Als ob, wo nicht die Seele selber, wir doch derselben Gren- zen finden, Denn daß sie, in der That, sich weiter, als ihr Behälter, sollt erstrecken, Davon kann unsre Seele selber, wie schon erwähnet, nichts entdecken.
Jch stelle denn den Kopf der Menschen, als einen kleinen Schauplatz, mir, Worauf der Schmuck der schönen Welt verkleinert uns sich zeiget, für. Die Augenlieder scheinen Decken, die Bilder-förmigen Jdeen, Worauf, wenn selbe sich verbinden (so wie aus Lettern Wort entstehen,)
Ge-
Br.VI.Th. F f
Die Werkſtatt der Seelen.
Jch weis gewiß nicht, ob wir uns gar weit vom Weg der Wahrheit trennen, Wenn wir den Kolben-foͤrmgen Schedel, lebendge hohle Spie- gel nennen, Worin der Geiſt die Bilder fuͤhlt, und ſie bald ordnen, bald vermiſchen, Bald wiederum ergreifen kann. Doch bleibt deſſelben wahrer Stand, Wie ſcharf man gleich aufs Denken denkt, doch in der That uns unbekannt.
Es ſcheint uns, wie mit unſerm Aug, auch ſo mit unſerm Geiſt, zu gehn, Der Geiſt ſo wohl, als unſer Auge, kann alles, nur ſich ſelbſt nicht, ſehn: Es laͤßt jedoch auf dieſe Weiſe, wenn wir des Schedels Ruͤnd ergruͤnden, Als ob, wo nicht die Seele ſelber, wir doch derſelben Gren- zen finden, Denn daß ſie, in der That, ſich weiter, als ihr Behaͤlter, ſollt erſtrecken, Davon kann unſre Seele ſelber, wie ſchon erwaͤhnet, nichts entdecken.
Jch ſtelle denn den Kopf der Menſchen, als einen kleinen Schauplatz, mir, Worauf der Schmuck der ſchoͤnen Welt verkleinert uns ſich zeiget, fuͤr. Die Augenlieder ſcheinen Decken, die Bilder-foͤrmigen Jdeen, Worauf, wenn ſelbe ſich verbinden (ſo wie aus Lettern Wort entſtehen,)
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Die Werkſtatt der Seelen.
Jch weis gewiß nicht, ob wir uns gar weit vom Weg
der Wahrheit trennen,
Wenn wir den Kolben-foͤrmgen Schedel, lebendge hohle Spie-
gel nennen,
Worin der Geiſt die Bilder fuͤhlt, und ſie bald ordnen, bald
vermiſchen,
Bald wiederum ergreifen kann. Doch bleibt deſſelben wahrer
Stand,
Wie ſcharf man gleich aufs Denken denkt, doch in der That
uns unbekannt.
Es ſcheint uns, wie mit unſerm Aug, auch ſo mit unſerm
Geiſt, zu gehn,
Der Geiſt ſo wohl, als unſer Auge, kann alles, nur ſich ſelbſt
nicht, ſehn:
Es laͤßt jedoch auf dieſe Weiſe, wenn wir des Schedels Ruͤnd
ergruͤnden,
Als ob, wo nicht die Seele ſelber, wir doch derſelben Gren-
zen finden,
Denn daß ſie, in der That, ſich weiter, als ihr Behaͤlter, ſollt
erſtrecken,
Davon kann unſre Seele ſelber, wie ſchon erwaͤhnet, nichts
entdecken.
Jch ſtelle denn den Kopf der Menſchen, als einen kleinen
Schauplatz, mir,
Worauf der Schmuck der ſchoͤnen Welt verkleinert uns ſich
zeiget, fuͤr.
Die Augenlieder ſcheinen Decken, die Bilder-foͤrmigen Jdeen,
Worauf, wenn ſelbe ſich verbinden (ſo wie aus Lettern Wort
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 449. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/473>, abgerufen am 22.11.2024.
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