Und Hoheit, die wir bisher an ihr geglaubt, nicht überein. Allein, wir dürfen so nicht denken, wenn wir erwegen, daß die Seele, Jn dieser wirklich knöchernen, und in der That so kleinen Höhle, Sich dergestalt verschrenkt nicht finde, daß sie durch Augen Mund und Hand, Jn Minen, Reden, Wirken, Schreiben, nicht den durchdrin- genden Verstand, Als wie im Stral, nicht sollte scheinen und in die Ferne wir- ken lassen, Daß sie imgleichen, was von weiten, durch Lesen, auch nicht sollte fassen, Nein, daß sie auch, in fernen Ländern, aus ihrem kleinen Sitz, regier, Und über eine große Zahl Geschöpf ein Art von Herrschaft führ, So daß sie wunderbarlich groß, zugleich auch wunderbar- lich klein, Jn beyden folglich unbegreiflich, mit Recht wohl wird zu nen- nen seyn.
Jn dieser Ungewißheit nun, ist es ja wohl, in unserm Leben, Das allerbest, und sicherste, wenn wir mit Vorsicht uns bestreben, Daß wir, zu unsers Schöpfers Ehren, wenn wir der See- len Stand erwegen, Zu wenig nicht, auch nicht zu viel derselben Wesen schätzen mögen.
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Die Werkſtatt der Seelen.
Und Hoheit, die wir bisher an ihr geglaubt, nicht uͤberein. Allein, wir duͤrfen ſo nicht denken, wenn wir erwegen, daß die Seele, Jn dieſer wirklich knoͤchernen, und in der That ſo kleinen Hoͤhle, Sich dergeſtalt verſchrenkt nicht finde, daß ſie durch Augen Mund und Hand, Jn Minen, Reden, Wirken, Schreiben, nicht den durchdrin- genden Verſtand, Als wie im Stral, nicht ſollte ſcheinen und in die Ferne wir- ken laſſen, Daß ſie imgleichen, was von weiten, durch Leſen, auch nicht ſollte faſſen, Nein, daß ſie auch, in fernen Laͤndern, aus ihrem kleinen Sitz, regier, Und uͤber eine große Zahl Geſchoͤpf ein Art von Herrſchaft fuͤhr, So daß ſie wunderbarlich groß, zugleich auch wunderbar- lich klein, Jn beyden folglich unbegreiflich, mit Recht wohl wird zu nen- nen ſeyn.
Jn dieſer Ungewißheit nun, iſt es ja wohl, in unſerm Leben, Das allerbeſt, und ſicherſte, wenn wir mit Vorſicht uns beſtreben, Daß wir, zu unſers Schoͤpfers Ehren, wenn wir der See- len Stand erwegen, Zu wenig nicht, auch nicht zu viel derſelben Weſen ſchaͤtzen moͤgen.
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Die Werkſtatt der Seelen.
Und Hoheit, die wir bisher an ihr geglaubt, nicht uͤberein.
Allein, wir duͤrfen ſo nicht denken, wenn wir erwegen, daß
die Seele,
Jn dieſer wirklich knoͤchernen, und in der That ſo kleinen Hoͤhle,
Sich dergeſtalt verſchrenkt nicht finde, daß ſie durch Augen
Mund und Hand,
Jn Minen, Reden, Wirken, Schreiben, nicht den durchdrin-
genden Verſtand,
Als wie im Stral, nicht ſollte ſcheinen und in die Ferne wir-
ken laſſen,
Daß ſie imgleichen, was von weiten, durch Leſen, auch nicht
ſollte faſſen,
Nein, daß ſie auch, in fernen Laͤndern, aus ihrem kleinen Sitz,
regier,
Und uͤber eine große Zahl Geſchoͤpf ein Art von Herrſchaft fuͤhr,
So daß ſie wunderbarlich groß, zugleich auch wunderbar-
lich klein,
Jn beyden folglich unbegreiflich, mit Recht wohl wird zu nen-
nen ſeyn.
Jn dieſer Ungewißheit nun, iſt es ja wohl, in unſerm Leben,
Das allerbeſt, und ſicherſte, wenn wir mit Vorſicht uns beſtreben,
Daß wir, zu unſers Schoͤpfers Ehren, wenn wir der See-
len Stand erwegen,
Zu wenig nicht, auch nicht zu viel derſelben Weſen ſchaͤtzen
moͤgen.
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 457. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/481>, abgerufen am 22.11.2024.
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