Jn einem schönen Blumen-Garten, worin auf einem Blumen- Beet, Jn tausendfach gefärbtem Glanz, theils niedrig, und zum Theil erhöht, Ein wunderschönes Blumen-Heer, in seiner schönsten Zierde, Ging Chrysidor, mit seinem Hunde, (stunde, Unachtsam hin und her spatzieren. So wenig der gefärbte Schmelz, als des Geruchs gewürz- te Kraft, Vermochten den geschäfftgen Hund, noch minder Chrysidor zu rühren, Sie wußten nichts von ihrer Zierde, nichts von der Balsams- Eigenschaft. Jch saß in einer Sommerlaube, sah heimlich beyder Hand- lung an, Betrübte mich, daß aller Schmuck ein Menschen-Herz nicht rühren kann, Und dachte mit fast bitterm Gram; wie kann doch dieses möglich seyn! Zuletzt gab die Betrübniß mir darüber die Gedanken ein: Ein Mensch, der seine Pflichten kennt, muß billig über das Betragen Der Menschen, mit den bloß für sie so schön erschaffnen Blu- men, klagen: Wie viele Menschen gehn, wie Hunde, auch mit den schönsten Blumen um! Wie oder soll ich lieber sagen, mit einem Mitleid-vollem Grimm: Es geht ein Hund, es geht ein Thier, Mit dem so schönen Schmuck der Erden, den Blu- men, eben um, als wir?
Be-
Klage.
Klage.
Jn einem ſchoͤnen Blumen-Garten, worin auf einem Blumen- Beet, Jn tauſendfach gefaͤrbtem Glanz, theils niedrig, und zum Theil erhoͤht, Ein wunderſchoͤnes Blumen-Heer, in ſeiner ſchoͤnſten Zierde, Ging Chryſidor, mit ſeinem Hunde, (ſtunde, Unachtſam hin und her ſpatzieren. So wenig der gefaͤrbte Schmelz, als des Geruchs gewuͤrz- te Kraft, Vermochten den geſchaͤfftgen Hund, noch minder Chryſidor zu ruͤhren, Sie wußten nichts von ihrer Zierde, nichts von der Balſams- Eigenſchaft. Jch ſaß in einer Sommerlaube, ſah heimlich beyder Hand- lung an, Betruͤbte mich, daß aller Schmuck ein Menſchen-Herz nicht ruͤhren kann, Und dachte mit faſt bitterm Gram; wie kann doch dieſes moͤglich ſeyn! Zuletzt gab die Betruͤbniß mir daruͤber die Gedanken ein: Ein Menſch, der ſeine Pflichten kennt, muß billig uͤber das Betragen Der Menſchen, mit den bloß fuͤr ſie ſo ſchoͤn erſchaffnen Blu- men, klagen: Wie viele Menſchen gehn, wie Hunde, auch mit den ſchoͤnſten Blumen um! Wie oder ſoll ich lieber ſagen, mit einem Mitleid-vollem Grimm: Es geht ein Hund, es geht ein Thier, Mit dem ſo ſchoͤnen Schmuck der Erden, den Blu- men, eben um, als wir?
Be-
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Klage.
Klage.
Jn einem ſchoͤnen Blumen-Garten, worin auf einem Blumen-
Beet,
Jn tauſendfach gefaͤrbtem Glanz, theils niedrig, und zum Theil
erhoͤht,
Ein wunderſchoͤnes Blumen-Heer, in ſeiner ſchoͤnſten Zierde,
Ging Chryſidor, mit ſeinem Hunde, (ſtunde,
Unachtſam hin und her ſpatzieren.
So wenig der gefaͤrbte Schmelz, als des Geruchs gewuͤrz-
te Kraft,
Vermochten den geſchaͤfftgen Hund, noch minder Chryſidor zu
ruͤhren,
Sie wußten nichts von ihrer Zierde, nichts von der Balſams-
Eigenſchaft.
Jch ſaß in einer Sommerlaube, ſah heimlich beyder Hand-
lung an,
Betruͤbte mich, daß aller Schmuck ein Menſchen-Herz nicht
ruͤhren kann,
Und dachte mit faſt bitterm Gram; wie kann doch dieſes
moͤglich ſeyn!
Zuletzt gab die Betruͤbniß mir daruͤber die Gedanken ein:
Ein Menſch, der ſeine Pflichten kennt, muß billig uͤber das
Betragen
Der Menſchen, mit den bloß fuͤr ſie ſo ſchoͤn erſchaffnen Blu-
men, klagen:
Wie viele Menſchen gehn, wie Hunde, auch mit
den ſchoͤnſten Blumen um!
Wie oder ſoll ich lieber ſagen, mit einem Mitleid-vollem Grimm:
Es geht ein Hund, es geht ein Thier,
Mit dem ſo ſchoͤnen Schmuck der Erden, den Blu-
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 492. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/516>, abgerufen am 22.11.2024.
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