So wie die Pflicht der Nächsten Liebe die größte fast von unsern Pflichten, Die uns Natur und Schrift befiehlt, uns selbst zum Besten, aus- zurichten: So ist, von dieser Liebes-Pflicht, die süsse Neigung in der Eh, Als wie der Kern der Nächsten-Liebe, vor allen die beträcht- lichste, Die nöthigste von allen andern, da wir ja überzeuglich finden, Daß sich die Nächst-und Eigen-Liebe in ihr unmittelbar ver- binden.
Wie sehr ist es denn zu bedauren, und fast mit Thränen zu beklagen, Daß eine von Natur für uns bestimmte Quelle vieler Freuden, Vergnügens, Lieblichkeit und Anmuth, ein rechter Pfuhl von Qual und Leiden, Verdruß, Verzweiflung, Bitterkeit, Haß, Thränen Ekel, Gram und Plagen, Durch eigene Bemühung, wird. Wir selber mischen Gall und Gift, Jn unsrer Ehe süße Kost, da es uns denn ja selber trifft, Wenn wir den Tod in Töpfen finden. Die allermeisten Men- schen meynen, Sie lieben sich, da sie jedoch, wenn man es wohl erweget, scheinen, Ob haßten sie sich selbst am meisten. Dadurch, daß wir am Nächsten nichts, Als seine Schwachheit, sein Bergehn, und seine Fehler nur betrachten,
Und
Die Ehe.
Die Ehe.
So wie die Pflicht der Naͤchſten Liebe die groͤßte faſt von unſern Pflichten, Die uns Natur und Schrift befiehlt, uns ſelbſt zum Beſten, aus- zurichten: So iſt, von dieſer Liebes-Pflicht, die ſuͤſſe Neigung in der Eh, Als wie der Kern der Naͤchſten-Liebe, vor allen die betraͤcht- lichſte, Die noͤthigſte von allen andern, da wir ja uͤberzeuglich finden, Daß ſich die Naͤchſt-und Eigen-Liebe in ihr unmittelbar ver- binden.
Wie ſehr iſt es denn zu bedauren, und faſt mit Thraͤnen zu beklagen, Daß eine von Natur fuͤr uns beſtimmte Quelle vieler Freuden, Vergnuͤgens, Lieblichkeit und Anmuth, ein rechter Pfuhl von Qual und Leiden, Verdruß, Verzweiflung, Bitterkeit, Haß, Thraͤnen Ekel, Gram und Plagen, Durch eigene Bemuͤhung, wird. Wir ſelber miſchen Gall und Gift, Jn unſrer Ehe ſuͤße Koſt, da es uns denn ja ſelber trifft, Wenn wir den Tod in Toͤpfen finden. Die allermeiſten Men- ſchen meynen, Sie lieben ſich, da ſie jedoch, wenn man es wohl erweget, ſcheinen, Ob haßten ſie ſich ſelbſt am meiſten. Dadurch, daß wir am Naͤchſten nichts, Als ſeine Schwachheit, ſein Bergehn, und ſeine Fehler nur betrachten,
Und
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Die Ehe.
Die Ehe.
So wie die Pflicht der Naͤchſten Liebe die groͤßte faſt von
unſern Pflichten,
Die uns Natur und Schrift befiehlt, uns ſelbſt zum Beſten, aus-
zurichten:
So iſt, von dieſer Liebes-Pflicht, die ſuͤſſe Neigung in der Eh,
Als wie der Kern der Naͤchſten-Liebe, vor allen die betraͤcht-
lichſte,
Die noͤthigſte von allen andern, da wir ja uͤberzeuglich finden,
Daß ſich die Naͤchſt-und Eigen-Liebe in ihr unmittelbar ver-
binden.
Wie ſehr iſt es denn zu bedauren, und faſt mit Thraͤnen
zu beklagen,
Daß eine von Natur fuͤr uns beſtimmte Quelle vieler Freuden,
Vergnuͤgens, Lieblichkeit und Anmuth, ein rechter Pfuhl von
Qual und Leiden,
Verdruß, Verzweiflung, Bitterkeit, Haß, Thraͤnen Ekel,
Gram und Plagen,
Durch eigene Bemuͤhung, wird. Wir ſelber miſchen Gall
und Gift,
Jn unſrer Ehe ſuͤße Koſt, da es uns denn ja ſelber trifft,
Wenn wir den Tod in Toͤpfen finden. Die allermeiſten Men-
ſchen meynen,
Sie lieben ſich, da ſie jedoch, wenn man es wohl erweget,
ſcheinen,
Ob haßten ſie ſich ſelbſt am meiſten. Dadurch, daß wir am
Naͤchſten nichts,
Als ſeine Schwachheit, ſein Bergehn, und ſeine Fehler nur
betrachten,
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 558. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/582>, abgerufen am 22.11.2024.
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