Und auf das Gute, das er hat, so wenig, ja fast nimmer achten, Jhn immer von der schlimmen Seite beschauen; dadurch bloß geschichts, Daß wir, durch ihn, uns selber quälen. So bald wir ihn geringe schätzen, Verlieren wir, zu erst für uns, ein sonst an ihm gehabt Er- götzen, Wodurch sichs Aeusser' an uns ändert: Das Feur der Freund- lichkeit wird kalt, Dieß zeiget sich in spröden Minen, die merket jener also bald, Auch wenn er es fast selbst nicht merkt. Da er sich denn be- fuget hält, Wenn das, was er an dich erblickt, und was du thust ihm nicht gefällt, Mit gleichem gleiches zu vergelten. Sein Blick wird spröder, als er war. Dieß bleibt dir gleichfalls nicht verborgen; und ob du es gleich selbst erreget, Und Ursach an der Aendrung bist; wird es doch ihm zur Last geleget, Und dergestalt wird, zwischen euch, der Widersinn bald of- fenbar. Man fühlt, daß man den andern haßt. Um uns nun selbst zu überführen, Daß wir ihn nicht mit Unrecht hassen: So will die Habe- Rechterey, Daß er ein abgeschmackt Geschöpf, und gar nicht liebenswür- dig sey.
Man sucht, mit äusserstem Bemühn, nur seinen Fehlern nachzuspüren.
Man
Die Ehe.
Und auf das Gute, das er hat, ſo wenig, ja faſt nimmer achten, Jhn immer von der ſchlimmen Seite beſchauen; dadurch bloß geſchichts, Daß wir, durch ihn, uns ſelber quaͤlen. So bald wir ihn geringe ſchaͤtzen, Verlieren wir, zu erſt fuͤr uns, ein ſonſt an ihm gehabt Er- goͤtzen, Wodurch ſichs Aeuſſer’ an uns aͤndert: Das Feur der Freund- lichkeit wird kalt, Dieß zeiget ſich in ſproͤden Minen, die merket jener alſo bald, Auch wenn er es faſt ſelbſt nicht merkt. Da er ſich denn be- fuget haͤlt, Wenn das, was er an dich erblickt, und was du thuſt ihm nicht gefaͤllt, Mit gleichem gleiches zu vergelten. Sein Blick wird ſproͤder, als er war. Dieß bleibt dir gleichfalls nicht verborgen; und ob du es gleich ſelbſt erreget, Und Urſach an der Aendrung biſt; wird es doch ihm zur Laſt geleget, Und dergeſtalt wird, zwiſchen euch, der Widerſinn bald of- fenbar. Man fuͤhlt, daß man den andern haßt. Um uns nun ſelbſt zu uͤberfuͤhren, Daß wir ihn nicht mit Unrecht haſſen: So will die Habe- Rechterey, Daß er ein abgeſchmackt Geſchoͤpf, und gar nicht liebenswuͤr- dig ſey.
Man ſucht, mit aͤuſſerſtem Bemuͤhn, nur ſeinen Fehlern nachzuſpuͤren.
Man
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Die Ehe.
Und auf das Gute, das er hat, ſo wenig, ja faſt nimmer achten,
Jhn immer von der ſchlimmen Seite beſchauen; dadurch bloß
geſchichts,
Daß wir, durch ihn, uns ſelber quaͤlen. So bald wir ihn
geringe ſchaͤtzen,
Verlieren wir, zu erſt fuͤr uns, ein ſonſt an ihm gehabt Er-
goͤtzen,
Wodurch ſichs Aeuſſer’ an uns aͤndert: Das Feur der Freund-
lichkeit wird kalt,
Dieß zeiget ſich in ſproͤden Minen, die merket jener alſo bald,
Auch wenn er es faſt ſelbſt nicht merkt. Da er ſich denn be-
fuget haͤlt,
Wenn das, was er an dich erblickt, und was du thuſt ihm
nicht gefaͤllt,
Mit gleichem gleiches zu vergelten. Sein Blick wird ſproͤder,
als er war.
Dieß bleibt dir gleichfalls nicht verborgen; und ob du es
gleich ſelbſt erreget,
Und Urſach an der Aendrung biſt; wird es doch ihm zur Laſt
geleget,
Und dergeſtalt wird, zwiſchen euch, der Widerſinn bald of-
fenbar.
Man fuͤhlt, daß man den andern haßt. Um uns nun ſelbſt
zu uͤberfuͤhren,
Daß wir ihn nicht mit Unrecht haſſen: So will die Habe-
Rechterey,
Daß er ein abgeſchmackt Geſchoͤpf, und gar nicht liebenswuͤr-
dig ſey.
Man ſucht, mit aͤuſſerſtem Bemuͤhn, nur ſeinen Fehlern
nachzuſpuͤren.
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 559. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/583>, abgerufen am 22.11.2024.
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