Man kneipt mit Fleiß die Augen zu, für alle seine gute Gaben, Und will doch nicht, daß er mit uns, auf gleiche Art verfah- ren, haben.
Wenn es nun erst so weit gediehen: So strömt von Aer- gerniß, Verdruß, Verläumdung, Zank, Verfolgung, Haß, als wie ein rechter Unglücks-Fluß, Von allen Seiten auf uns zu. Man möchte fast, für Gram, vergehn. Dieß ist nun leider! mehrentheils die Lebensart mit unserm Nächsten, Zusammt der unglückselgen Folg, in stetem Krieg und Kampf zu stehn.
Wenn wir dergleichen Lebensart nun in dem Ehestand besehn: So wird die Plage noch viel größer, und kömmt so dann die Noth am höchsten, Da wir an unserm Feind verbunden, beständig mit ihm um- zu gehn, Des Nachts ihn mit zu Bett zu nehmen, des Morgens mit ihm aufzustehn, Auch lebenslang gezwungen sind. Mich deucht, ich hör, ob fragtest du: Wie ändert man denn dieses Kreuz? und was ist doch für Rath dazu?
Nimm dir die hälfte Mühe nur, die du dir nimmst, Betrug und Sünden, Und Bosheit bey ihm anzutreffen, was wirklich an ihm guts zu finden, Zu sehn, zu suchen, zu betrachten: Ein jeder thu, so viel er kann, Und seh den Gatten in der Ehe, von seiner guten Seiten, an.
Du
Die Ehe.
Man kneipt mit Fleiß die Augen zu, fuͤr alle ſeine gute Gaben, Und will doch nicht, daß er mit uns, auf gleiche Art verfah- ren, haben.
Wenn es nun erſt ſo weit gediehen: So ſtroͤmt von Aer- gerniß, Verdruß, Verlaͤumdung, Zank, Verfolgung, Haß, als wie ein rechter Ungluͤcks-Fluß, Von allen Seiten auf uns zu. Man moͤchte faſt, fuͤr Gram, vergehn. Dieß iſt nun leider! mehrentheils die Lebensart mit unſerm Naͤchſten, Zuſammt der ungluͤckſelgen Folg, in ſtetem Krieg und Kampf zu ſtehn.
Wenn wir dergleichen Lebensart nun in dem Eheſtand beſehn: So wird die Plage noch viel groͤßer, und koͤmmt ſo dann die Noth am hoͤchſten, Da wir an unſerm Feind verbunden, beſtaͤndig mit ihm um- zu gehn, Des Nachts ihn mit zu Bett zu nehmen, des Morgens mit ihm aufzuſtehn, Auch lebenslang gezwungen ſind. Mich deucht, ich hoͤr, ob fragteſt du: Wie aͤndert man denn dieſes Kreuz? und was iſt doch fuͤr Rath dazu?
Nimm dir die haͤlfte Muͤhe nur, die du dir nimmſt, Betrug und Suͤnden, Und Bosheit bey ihm anzutreffen, was wirklich an ihm guts zu finden, Zu ſehn, zu ſuchen, zu betrachten: Ein jeder thu, ſo viel er kann, Und ſeh den Gatten in der Ehe, von ſeiner guten Seiten, an.
Du
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Die Ehe.
Man kneipt mit Fleiß die Augen zu, fuͤr alle ſeine gute Gaben,
Und will doch nicht, daß er mit uns, auf gleiche Art verfah-
ren, haben.
Wenn es nun erſt ſo weit gediehen: So ſtroͤmt von Aer-
gerniß, Verdruß,
Verlaͤumdung, Zank, Verfolgung, Haß, als wie ein rechter
Ungluͤcks-Fluß,
Von allen Seiten auf uns zu. Man moͤchte faſt, fuͤr Gram,
vergehn.
Dieß iſt nun leider! mehrentheils die Lebensart mit unſerm
Naͤchſten,
Zuſammt der ungluͤckſelgen Folg, in ſtetem Krieg und
Kampf zu ſtehn.
Wenn wir dergleichen Lebensart nun in dem Eheſtand beſehn:
So wird die Plage noch viel groͤßer, und koͤmmt ſo dann die
Noth am hoͤchſten,
Da wir an unſerm Feind verbunden, beſtaͤndig mit ihm um-
zu gehn,
Des Nachts ihn mit zu Bett zu nehmen, des Morgens mit
ihm aufzuſtehn,
Auch lebenslang gezwungen ſind. Mich deucht, ich hoͤr, ob
fragteſt du:
Wie aͤndert man denn dieſes Kreuz? und was iſt doch fuͤr
Rath dazu?
Nimm dir die haͤlfte Muͤhe nur, die du dir nimmſt, Betrug
und Suͤnden,
Und Bosheit bey ihm anzutreffen, was wirklich an ihm guts
zu finden,
Zu ſehn, zu ſuchen, zu betrachten: Ein jeder thu, ſo viel
er kann,
Und ſeh den Gatten in der Ehe, von ſeiner guten Seiten, an.
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 560. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/584>, abgerufen am 22.11.2024.
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