Wodurch ein Roth, wie Rosen, spielt, nicht vor Vergnüglich- keit geschaut? Was giebt der Liebreiz eines Mundes, was eine rundgewölb- te Brust, Die sich von keuscher Liebe schwellt, so Händ-als Blicken nicht vor Lust! Wenn wir als Menschen sehn und fühlen, das heißt, wenn wir zugleich das Denken, Beym wirklichen Besitz der Schönheit, auf das, was man be- sitzet, lenken; Wenn wir das, was, eh wir es hatten, sehr schön war, und noch wirklich schön, Daß es unwidersprechlich schön, bedachtsam und vernünf- tig sehn: Jndem an unsrer wirklichen Zufriedenheit, Vollkommenheit, Nichts anders fast zu fehlen scheinet, als Dauer und Aufmerk- samkeit.
Das Band, das in erlaubter Liebe, so wohl den Geist, als Körper, bindet, Wenn man das Feuer der Natur, ohn Ueberlegung, nicht empfindet, Jst an sich selbst so süß, so lieblich, daß wenn man recht ver- nünftig wär, Man billig aller Sinnen Kräfte, damit man immer mehr und mehr, Es fest zu schlingen fähig wäre, und zum Genuß so holder Lüste, Das größte Theil von unsern Kräften zu brauchen, sich bestre- ben müßte.
Wir sollte[n], recht mit Fleiß und Ernst, auf tausend Art und Wege denken, Uns unsre Lüste zu verlängern, anstatt uns selbst mit Müh zu kränken.
So
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Die Ehe.
Wodurch ein Roth, wie Roſen, ſpielt, nicht vor Vergnuͤglich- keit geſchaut? Was giebt der Liebreiz eines Mundes, was eine rundgewoͤlb- te Bruſt, Die ſich von keuſcher Liebe ſchwellt, ſo Haͤnd-als Blicken nicht vor Luſt! Wenn wir als Menſchen ſehn und fuͤhlen, das heißt, wenn wir zugleich das Denken, Beym wirklichen Beſitz der Schoͤnheit, auf das, was man be- ſitzet, lenken; Wenn wir das, was, eh wir es hatten, ſehr ſchoͤn war, und noch wirklich ſchoͤn, Daß es unwiderſprechlich ſchoͤn, bedachtſam und vernuͤnf- tig ſehn: Jndem an unſrer wirklichen Zufriedenheit, Vollkommenheit, Nichts anders faſt zu fehlen ſcheinet, als Dauer und Aufmerk- ſamkeit.
Das Band, das in erlaubter Liebe, ſo wohl den Geiſt, als Koͤrper, bindet, Wenn man das Feuer der Natur, ohn Ueberlegung, nicht empfindet, Jſt an ſich ſelbſt ſo ſuͤß, ſo lieblich, daß wenn man recht ver- nuͤnftig waͤr, Man billig aller Sinnen Kraͤfte, damit man immer mehr und mehr, Es feſt zu ſchlingen faͤhig waͤre, und zum Genuß ſo holder Luͤſte, Das groͤßte Theil von unſern Kraͤften zu brauchen, ſich beſtre- ben muͤßte.
Wir ſollte[n], recht mit Fleiß und Ernſt, auf tauſend Art und Wege denken, Uns unſre Luͤſte zu verlaͤngern, anſtatt uns ſelbſt mit Muͤh zu kraͤnken.
So
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Die Ehe.
Wodurch ein Roth, wie Roſen, ſpielt, nicht vor Vergnuͤglich-
keit geſchaut?
Was giebt der Liebreiz eines Mundes, was eine rundgewoͤlb-
te Bruſt,
Die ſich von keuſcher Liebe ſchwellt, ſo Haͤnd-als Blicken nicht
vor Luſt!
Wenn wir als Menſchen ſehn und fuͤhlen, das heißt, wenn wir
zugleich das Denken,
Beym wirklichen Beſitz der Schoͤnheit, auf das, was man be-
ſitzet, lenken;
Wenn wir das, was, eh wir es hatten, ſehr ſchoͤn war, und
noch wirklich ſchoͤn,
Daß es unwiderſprechlich ſchoͤn, bedachtſam und vernuͤnf-
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Jndem an unſrer wirklichen Zufriedenheit, Vollkommenheit,
Nichts anders faſt zu fehlen ſcheinet, als Dauer und Aufmerk-
ſamkeit.
Das Band, das in erlaubter Liebe, ſo wohl den Geiſt, als
Koͤrper, bindet,
Wenn man das Feuer der Natur, ohn Ueberlegung, nicht
empfindet,
Jſt an ſich ſelbſt ſo ſuͤß, ſo lieblich, daß wenn man recht ver-
nuͤnftig waͤr,
Man billig aller Sinnen Kraͤfte, damit man immer mehr
und mehr,
Es feſt zu ſchlingen faͤhig waͤre, und zum Genuß ſo holder Luͤſte,
Das groͤßte Theil von unſern Kraͤften zu brauchen, ſich beſtre-
ben muͤßte.
Wir ſollten, recht mit Fleiß und Ernſt, auf tauſend Art und
Wege denken,
Uns unſre Luͤſte zu verlaͤngern, anſtatt uns ſelbſt mit Muͤh
zu kraͤnken.
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 567. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/591>, abgerufen am 22.11.2024.
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