Zwar mir die Ehre lange nicht, die Charitine, Rühl- weininn, Und Doris ihren Herrn gebracht in ihren süssen Liedern, bringen, Und meinen Ruhm erheben wird. Doch hat der Leser, zum Gewinn, Vielleicht Erbauung, Trost und Nutzen. Jch hab oft bey mir überlegt, Was der nun seligen Belise, da ihr der Schöpfer doch im Leben, An Leib, an Geist, und andern Gütern, viel Guts im Ueber- fluß gegeben, Sie, vor viel tausenden, begabt, doch ein so öfters Leid erregt.
Jch leugne nicht, daß etwas leiblichs, von andern Grün- den nichts zu sagen, Und achtzehn Wochenbetten wohl, vielleicht ein vieles bey- getragen, Da nemlich ihre Lebensgeister, und im Geblüth des Körpers Kräfte, Der Muskeln Stärke, nebst den Nerven, und die subtilen Lebens- Säfte Erschöpfet und vermindert worden. Doch schreib ich dem geschwächten Geiste, Durch Vorurtheile, Zärtlichkeit, und ernsten Meynungen das Meiste, Mit größtem Recht vermuthlich, zu. Jch setze dieß bey ihr zum Grunde, Daß ihr die Gottheit nur gerecht, und liebreich nie, vor Au- gen stunde,
Wor-
Gedanken uͤber den Tod der Beliſe.
Zwar mir die Ehre lange nicht, die Charitine, Ruͤhl- weininn, Und Doris ihren Herrn gebracht in ihren ſuͤſſen Liedern, bringen, Und meinen Ruhm erheben wird. Doch hat der Leſer, zum Gewinn, Vielleicht Erbauung, Troſt und Nutzen. Jch hab oft bey mir uͤberlegt, Was der nun ſeligen Beliſe, da ihr der Schoͤpfer doch im Leben, An Leib, an Geiſt, und andern Guͤtern, viel Guts im Ueber- fluß gegeben, Sie, vor viel tauſenden, begabt, doch ein ſo oͤfters Leid erregt.
Jch leugne nicht, daß etwas leiblichs, von andern Gruͤn- den nichts zu ſagen, Und achtzehn Wochenbetten wohl, vielleicht ein vieles bey- getragen, Da nemlich ihre Lebensgeiſter, und im Gebluͤth des Koͤrpers Kraͤfte, Der Muskeln Staͤrke, nebſt den Nerven, und die ſubtilen Lebens- Saͤfte Erſchoͤpfet und vermindert worden. Doch ſchreib ich dem geſchwaͤchten Geiſte, Durch Vorurtheile, Zaͤrtlichkeit, und ernſten Meynungen das Meiſte, Mit groͤßtem Recht vermuthlich, zu. Jch ſetze dieß bey ihr zum Grunde, Daß ihr die Gottheit nur gerecht, und liebreich nie, vor Au- gen ſtunde,
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Gedanken uͤber den Tod der Beliſe.
Zwar mir die Ehre lange nicht, die Charitine, Ruͤhl-
weininn,
Und Doris ihren Herrn gebracht in ihren ſuͤſſen Liedern,
bringen,
Und meinen Ruhm erheben wird. Doch hat der Leſer, zum
Gewinn,
Vielleicht Erbauung, Troſt und Nutzen. Jch hab oft bey mir
uͤberlegt,
Was der nun ſeligen Beliſe, da ihr der Schoͤpfer doch
im Leben,
An Leib, an Geiſt, und andern Guͤtern, viel Guts im Ueber-
fluß gegeben,
Sie, vor viel tauſenden, begabt, doch ein ſo oͤfters Leid
erregt.
Jch leugne nicht, daß etwas leiblichs, von andern Gruͤn-
den nichts zu ſagen,
Und achtzehn Wochenbetten wohl, vielleicht ein vieles bey-
getragen,
Da nemlich ihre Lebensgeiſter, und im Gebluͤth des Koͤrpers
Kraͤfte,
Der Muskeln Staͤrke, nebſt den Nerven, und die ſubtilen Lebens-
Saͤfte
Erſchoͤpfet und vermindert worden. Doch ſchreib ich dem
geſchwaͤchten Geiſte,
Durch Vorurtheile, Zaͤrtlichkeit, und ernſten Meynungen das
Meiſte,
Mit groͤßtem Recht vermuthlich, zu. Jch ſetze dieß bey ihr
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 575. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/599>, abgerufen am 22.11.2024.
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