Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740.

Bild:
<< vorherige Seite

Versuch der Kraft unsers Geistes,
Da dieselben doch so nöthig, wie wir es im vorgen Jahr,
Jm Gedicht von unsern Pflichten, gegen Gott fast Sonnenklar,
Nach Vermögen, dargethan, wovon ein paar Stellen hier
Noch einmal zu wiederholen, mein geliebter Leser, dir,
Hoff ich, nicht misfallen wird.



Wann wir nun unsrer Seelen Kräfte, so viel uns möglich
ist, ergründen:

So werden wir von der Bewundrung, ganz überzeuglich
dieß befinden,

Daß sie die allerwürdigste Beschäfftigung zu Gottes Ehren,
Zu der wir aufgeleget seyn, das nichts die Ehrfurcht mehr
zu mehren,

Die Demuth zu vergrössern fähig, die Liebe zu erwecken
mächtig,

Ja, daß nur sie allein uns zeige, wie Gott so liebreich, weis
und mächtig,

Wie ihm allein nur Preis gebühr, nicht weniger, wie wir so
klein,

So schwach, umschränket, kraftlos, flüchtig, uud eitel von uns
selber seyn.
Nur die Bewunderung erweiset den Vorzug, den wir
vor den Thieren,

Von Gott, aus Lieb, erhalten haben, und welchen wir in uns
verspüren.

Sie können riechen, fühlen, schmecken, so wohl als wir, ja
sehn und hören;

Doch weil sie nicht bewundern können, so können sie auch Gott
nicht ehren,
Zum

Verſuch der Kraft unſers Geiſtes,
Da dieſelben doch ſo noͤthig, wie wir es im vorgen Jahr,
Jm Gedicht von unſern Pflichten, gegen Gott faſt Sonnenklar,
Nach Vermoͤgen, dargethan, wovon ein paar Stellen hier
Noch einmal zu wiederholen, mein geliebter Leſer, dir,
Hoff ich, nicht misfallen wird.



Wann wir nun unſrer Seelen Kraͤfte, ſo viel uns moͤglich
iſt, ergruͤnden:

So werden wir von der Bewundrung, ganz uͤberzeuglich
dieß befinden,

Daß ſie die allerwuͤrdigſte Beſchaͤfftigung zu Gottes Ehren,
Zu der wir aufgeleget ſeyn, das nichts die Ehrfurcht mehr
zu mehren,

Die Demuth zu vergroͤſſern faͤhig, die Liebe zu erwecken
maͤchtig,

Ja, daß nur ſie allein uns zeige, wie Gott ſo liebreich, weiſ
und maͤchtig,

Wie ihm allein nur Preis gebuͤhr, nicht weniger, wie wir ſo
klein,

So ſchwach, umſchraͤnket, kraftlos, fluͤchtig, uud eitel von uns
ſelber ſeyn.
Nur die Bewunderung erweiſet den Vorzug, den wir
vor den Thieren,

Von Gott, aus Lieb, erhalten haben, und welchen wir in uns
verſpuͤren.

Sie koͤnnen riechen, fuͤhlen, ſchmecken, ſo wohl als wir, ja
ſehn und hoͤren;

Doch weil ſie nicht bewundern koͤnnen, ſo koͤnnen ſie auch Gott
nicht ehren,
Zum
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg n="34">
            <l><pb facs="#f0712" n="688"/><fw place="top" type="header">Ver&#x017F;uch der Kraft un&#x017F;ers Gei&#x017F;tes,</fw><lb/>
Da die&#x017F;elben doch &#x017F;o no&#x0364;thig, wie wir es im vorgen Jahr,</l><lb/>
            <l>Jm Gedicht von un&#x017F;ern Pflichten, gegen Gott fa&#x017F;t Sonnenklar,</l><lb/>
            <l>Nach Vermo&#x0364;gen, dargethan, wovon ein paar Stellen hier</l><lb/>
            <l>Noch einmal zu wiederholen, mein geliebter Le&#x017F;er, dir,</l><lb/>
            <l>Hoff ich, nicht misfallen wird.</l>
          </lg><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <lg n="35">
            <l>Wann wir nun un&#x017F;rer Seelen Kra&#x0364;fte, &#x017F;o viel uns mo&#x0364;glich<lb/><hi rendition="#et">i&#x017F;t, ergru&#x0364;nden:</hi></l><lb/>
            <l>So werden wir von der <hi rendition="#fr">Bewundrung</hi>, ganz u&#x0364;berzeuglich<lb/><hi rendition="#et">dieß befinden,</hi></l><lb/>
            <l>Daß &#x017F;ie die allerwu&#x0364;rdig&#x017F;te Be&#x017F;cha&#x0364;fftigung zu Gottes Ehren,</l><lb/>
            <l>Zu der wir aufgeleget &#x017F;eyn, das nichts die <hi rendition="#fr">Ehrfurcht</hi> mehr<lb/><hi rendition="#et">zu mehren,</hi></l><lb/>
            <l>Die <hi rendition="#fr">Demuth</hi> zu vergro&#x0364;&#x017F;&#x017F;ern fa&#x0364;hig, die <hi rendition="#fr">Liebe</hi> zu erwecken<lb/><hi rendition="#et">ma&#x0364;chtig,</hi></l><lb/>
            <l>Ja, daß nur &#x017F;ie allein uns zeige, wie Gott &#x017F;o liebreich, wei&#x017F;<lb/><hi rendition="#et">und ma&#x0364;chtig,</hi></l><lb/>
            <l>Wie ihm allein nur Preis gebu&#x0364;hr, nicht weniger, wie wir &#x017F;o<lb/><hi rendition="#et">klein,</hi></l><lb/>
            <l>So &#x017F;chwach, um&#x017F;chra&#x0364;nket, kraftlos, flu&#x0364;chtig, uud eitel von uns<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;elber &#x017F;eyn.</hi></l>
          </lg><lb/>
          <lg n="36">
            <l>Nur die <hi rendition="#fr">Bewunderung</hi> erwei&#x017F;et den Vorzug, den wir<lb/><hi rendition="#et">vor den Thieren,</hi></l><lb/>
            <l>Von Gott, aus Lieb, erhalten haben, und welchen wir in uns<lb/><hi rendition="#et">ver&#x017F;pu&#x0364;ren.</hi></l><lb/>
            <l>Sie ko&#x0364;nnen riechen, fu&#x0364;hlen, &#x017F;chmecken, &#x017F;o wohl als wir, ja<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;ehn und ho&#x0364;ren;</hi></l><lb/>
            <l>Doch weil &#x017F;ie nicht bewundern ko&#x0364;nnen, &#x017F;o ko&#x0364;nnen &#x017F;ie auch Gott<lb/><hi rendition="#et">nicht ehren,</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Zum</fw><lb/></l>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[688/0712] Verſuch der Kraft unſers Geiſtes, Da dieſelben doch ſo noͤthig, wie wir es im vorgen Jahr, Jm Gedicht von unſern Pflichten, gegen Gott faſt Sonnenklar, Nach Vermoͤgen, dargethan, wovon ein paar Stellen hier Noch einmal zu wiederholen, mein geliebter Leſer, dir, Hoff ich, nicht misfallen wird. Wann wir nun unſrer Seelen Kraͤfte, ſo viel uns moͤglich iſt, ergruͤnden: So werden wir von der Bewundrung, ganz uͤberzeuglich dieß befinden, Daß ſie die allerwuͤrdigſte Beſchaͤfftigung zu Gottes Ehren, Zu der wir aufgeleget ſeyn, das nichts die Ehrfurcht mehr zu mehren, Die Demuth zu vergroͤſſern faͤhig, die Liebe zu erwecken maͤchtig, Ja, daß nur ſie allein uns zeige, wie Gott ſo liebreich, weiſ und maͤchtig, Wie ihm allein nur Preis gebuͤhr, nicht weniger, wie wir ſo klein, So ſchwach, umſchraͤnket, kraftlos, fluͤchtig, uud eitel von uns ſelber ſeyn. Nur die Bewunderung erweiſet den Vorzug, den wir vor den Thieren, Von Gott, aus Lieb, erhalten haben, und welchen wir in uns verſpuͤren. Sie koͤnnen riechen, fuͤhlen, ſchmecken, ſo wohl als wir, ja ſehn und hoͤren; Doch weil ſie nicht bewundern koͤnnen, ſo koͤnnen ſie auch Gott nicht ehren, Zum

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/712
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 688. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/712>, abgerufen am 01.06.2024.