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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740.

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Die Roſe.
Die Roſe.
Fabel.
Wie ein kleiner Roſenknopf immer bliebe, wie er war,
Und ſich krumm zuſammen zog, ſprach der andern Roſen
Schaar:

„Oeffneſt du, geliebte Schweſter, bey dem warmen Sonnenlicht,
„Bey der ſanften Fruͤhlingsluft, bey dem angenehmen Wetter,
„Aus dem noch geſchloßnen Knopf, deine friſch- und holden Blaͤtter
„Auch ſo, wie wir andern, nicht?
„Willſt du dich nicht auch entſchlieſſen,
„Und des holden Sonnenlichts
„Auch nicht ſo, wie wir, genießen?
„Soll von deinem Balſam nichts
„Jn die lauen Luͤfte flieſſen?
Nein. Weil unſre Zeit ſo kurz, ſo vergaͤnglich ſchnell und fluͤchtig,
Alles, was ich um mich ſeh, eitel, wandelbar und nichtig;
Jſt es nicht der Muͤhe werth, daß ich mich eroͤffne, bluͤhe,
Daß ich warme Sonnenſtralen in mich ziehe,
Daß ich mich daran ergetze, daß mich ſchoͤne Farben ſchmuͤcken,
Daß ich, andere zu reizen, faͤhig bin, und zu erquicken.
Da ich kaum drey Tage waͤhre, und ſo bald verwelken muß:
So iſt dieß mein feſter Schluß:
Jch will lieber nichts genießen, da ich nicht beſtaͤndig bleiben
Und nicht laͤnger dauren kann, als die mir beſtimmte Zeit
Mich vergnuͤgen, andern nuͤtzen; es iſt alles Eitelkeit.
Wenn ein Roſenknopf ſo ſpraͤche, und verwelkt’ unaufgebrochen,
Haͤtte ſolcher wohl gethan, und nach ſeiner Pflicht geſprochen?
Eben ſo hat keiner recht, viel von Aenderung zu ſagen,
Und, mit einem bittern Murren, uͤber Eitelkeit zu klagen.
Es

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Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/85>, abgerufen am 03.02.2025.