Es heißt eitel, was vergänglich, wandelbar, veränderlich. Aber ist denn dieß was böses? Nein. Wenn wir es recht betrachten, Und auf das, was in der Welt, sich verändert, redlich achten, Und vernünftig überlegen, zeiget, in der Aendrung, sich Eine Weisheit, welche man Nimmer gnug bewundern kann.
Wären auf dem Erdenkreis alle Ding unwandelbar; Aenderte sich nichts bey uns, weder Tage, Zeit noch Jahr; Würden wir, und wenn auch gleich alles, im beblühmten Lenzen, Sonder Wechsel, herrlich blühn, lieblich prangen sollt, u. glänzen, Dennoch nicht vergnüget seyn, auf der noch so schönen Erden. Durch ein träges Einerley, würd uns alles widrig werden.
Warum will man überall, mit betrübtem Murren, klagen: Daß so wir, als alles eitel? Kann die Ordnung sträflich seyn, Die der weise Gott gesetzt? Ja wodurch wir selbst entstanden? Denn, wenn alles unvergänglich, wird von allem, was vorhanden, Wirklich nichts vorhanden seyn. Hätten wohl, wenn nichts verginge So viel Millionen Menschen, Millionen andre Dinge Kommen und entstehen können?
Wer dieß tadeln will, muß wissen, Daß er selber auf der Welt auch nicht hätte kommen müssen, Auch nicht hätte kommen können, wenn nicht andre seines gleichen, Nach der Ordnung der Natur, ihm erst hätten müssen weichen.
Mit dem regen Fluß der Zeit, laßt uns denn gelassen fließen, Aller uns erlaubten Lüste, mit Bedachtsamkeit, genießen. Dem, der sie uns gönnet, danken, selbst vergnüget, uns bestreben, Andern, zur Vergnüglichkeit, auch Gelegenheit zu geben. Daß, so viel an uns, auf Erden, Gott von uns, von andern auch, frölich mag gepriesen werden.
Frü-
Die Roſe.
Es heißt eitel, was vergaͤnglich, wandelbar, veraͤnderlich. Aber iſt denn dieß was boͤſes? Nein. Wenn wir es recht betrachten, Und auf das, was in der Welt, ſich veraͤndert, redlich achten, Und vernuͤnftig uͤberlegen, zeiget, in der Aendrung, ſich Eine Weisheit, welche man Nimmer gnug bewundern kann.
Waͤren auf dem Erdenkreis alle Ding unwandelbar; Aenderte ſich nichts bey uns, weder Tage, Zeit noch Jahr; Wuͤrden wir, und wenn auch gleich alles, im bebluͤhmten Lenzen, Sonder Wechſel, herrlich bluͤhn, lieblich prangen ſollt, u. glaͤnzen, Dennoch nicht vergnuͤget ſeyn, auf der noch ſo ſchoͤnen Erden. Durch ein traͤges Einerley, wuͤrd uns alles widrig werden.
Warum will man uͤberall, mit betruͤbtem Murren, klagen: Daß ſo wir, als alles eitel? Kann die Ordnung ſtraͤflich ſeyn, Die der weiſe Gott geſetzt? Ja wodurch wir ſelbſt entſtanden? Denn, wenn alles unvergaͤnglich, wird von allem, was vorhanden, Wirklich nichts vorhanden ſeyn. Haͤtten wohl, weñ nichts verginge So viel Millionen Menſchen, Millionen andre Dinge Kommen und entſtehen koͤnnen?
Wer dieß tadeln will, muß wiſſen, Daß er ſelber auf der Welt auch nicht haͤtte kommen muͤſſen, Auch nicht haͤtte kommen koͤnnen, wenn nicht andre ſeines gleichen, Nach der Ordnung der Natur, ihm erſt haͤtten muͤſſen weichen.
Mit dem regen Fluß der Zeit, laßt uns denn gelaſſen fließen, Aller uns erlaubten Luͤſte, mit Bedachtſamkeit, genießen. Dem, der ſie uns goͤnnet, danken, ſelbſt vergnuͤget, uns beſtreben, Andern, zur Vergnuͤglichkeit, auch Gelegenheit zu geben. Daß, ſo viel an uns, auf Erden, Gott von uns, von andern auch, froͤlich mag geprieſen werden.
Fruͤ-
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Die Roſe.
Es heißt eitel, was vergaͤnglich, wandelbar, veraͤnderlich.
Aber iſt denn dieß was boͤſes? Nein. Wenn wir es recht
betrachten,
Und auf das, was in der Welt, ſich veraͤndert, redlich achten,
Und vernuͤnftig uͤberlegen, zeiget, in der Aendrung, ſich
Eine Weisheit, welche man
Nimmer gnug bewundern kann.
Waͤren auf dem Erdenkreis alle Ding unwandelbar;
Aenderte ſich nichts bey uns, weder Tage, Zeit noch Jahr;
Wuͤrden wir, und wenn auch gleich alles, im bebluͤhmten Lenzen,
Sonder Wechſel, herrlich bluͤhn, lieblich prangen ſollt, u. glaͤnzen,
Dennoch nicht vergnuͤget ſeyn, auf der noch ſo ſchoͤnen Erden.
Durch ein traͤges Einerley, wuͤrd uns alles widrig werden.
Warum will man uͤberall, mit betruͤbtem Murren, klagen:
Daß ſo wir, als alles eitel? Kann die Ordnung ſtraͤflich ſeyn,
Die der weiſe Gott geſetzt? Ja wodurch wir ſelbſt entſtanden?
Denn, wenn alles unvergaͤnglich, wird von allem, was vorhanden,
Wirklich nichts vorhanden ſeyn. Haͤtten wohl, weñ nichts verginge
So viel Millionen Menſchen, Millionen andre Dinge
Kommen und entſtehen koͤnnen?
Wer dieß tadeln will, muß wiſſen,
Daß er ſelber auf der Welt auch nicht haͤtte kommen muͤſſen,
Auch nicht haͤtte kommen koͤnnen, wenn nicht andre ſeines gleichen,
Nach der Ordnung der Natur, ihm erſt haͤtten muͤſſen weichen.
Mit dem regen Fluß der Zeit, laßt uns denn gelaſſen fließen,
Aller uns erlaubten Luͤſte, mit Bedachtſamkeit, genießen.
Dem, der ſie uns goͤnnet, danken, ſelbſt vergnuͤget, uns beſtreben,
Andern, zur Vergnuͤglichkeit, auch Gelegenheit zu geben.
Daß, ſo viel an uns, auf Erden,
Gott von uns, von andern auch, froͤlich mag geprieſen werden.
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/86>, abgerufen am 03.02.2025.
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