Auf Feldern hinkt schon hie und dort, im feuchten grünlich- grauen Grase, Mit einem ungeschickten Hüpfen, der feige lang-geohrte Haase. Jn Wäldern sieht das leichte Wild den unverhofften Wan- dersmann, Mit stutzigen verstöhrten Blicken, und ausgereckten Hälsen, an.
Ein' unvermuhtete Music erwachet gleichsam hin und wieder, Jn ganz verschiednen Tönen schallen der Creaturen Morgen- Lieder. Der Vögel angenehmes Gurgeln, der Ochsen und der Schafe Blecken, Das helle Wiehern muntrer Pferde, der frühen Hähne scharfes Krähn, Das hohle Girren treuer Tauben, der Enten schnatterndes Getön Formieren eine Harmonie. Sie scheinen gleichsam zu entdecken, Daß sie Dem, Der sie schuf, zur Ehr', mit Freuden leben, fühlen, schmecken. Will denn der, sich zum Schaden, faul- und träge Mensch das Bett nicht lassen, Des kühlen Morgens zu geniessen, den lieblichen Geruch zu fassen, Der aus bethauten Bluhmen quillt? Will er der stillen Stunden sich Denn nicht erfreuen, die zum Denken und frohen Danken eigentlich Bestimmt und ihm geschenket scheinen? Will man, da so viel Guts zu spühren,
Denn,
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Morgen-Gedanken.
Auf Feldern hinkt ſchon hie und dort, im feuchten gruͤnlich- grauen Graſe, Mit einem ungeſchickten Huͤpfen, der feige lang-geohrte Haaſe. Jn Waͤldern ſieht das leichte Wild den unverhofften Wan- dersmann, Mit ſtutzigen verſtoͤhrten Blicken, und ausgereckten Haͤlſen, an.
Ein’ unvermuhtete Muſic erwachet gleichſam hin und wieder, Jn ganz verſchiednen Toͤnen ſchallen der Creaturen Morgen- Lieder. Der Voͤgel angenehmes Gurgeln, der Ochſen und der Schafe Blecken, Das helle Wiehern muntrer Pferde, der fruͤhen Haͤhne ſcharfes Kraͤhn, Das hohle Girren treuer Tauben, der Enten ſchnatterndes Getoͤn Formieren eine Harmonie. Sie ſcheinen gleichſam zu entdecken, Daß ſie Dem, Der ſie ſchuf, zur Ehr’, mit Freuden leben, fuͤhlen, ſchmecken. Will denn der, ſich zum Schaden, faul- und traͤge Menſch das Bett nicht laſſen, Des kuͤhlen Morgens zu genieſſen, den lieblichen Geruch zu faſſen, Der aus bethauten Bluhmen quillt? Will er der ſtillen Stunden ſich Denn nicht erfreuen, die zum Denken und frohen Danken eigentlich Beſtimmt und ihm geſchenket ſcheinen? Will man, da ſo viel Guts zu ſpuͤhren,
Denn,
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Morgen-Gedanken.
Auf Feldern hinkt ſchon hie und dort, im feuchten gruͤnlich-
grauen Graſe,
Mit einem ungeſchickten Huͤpfen, der feige lang-geohrte
Haaſe.
Jn Waͤldern ſieht das leichte Wild den unverhofften Wan-
dersmann,
Mit ſtutzigen verſtoͤhrten Blicken, und ausgereckten Haͤlſen,
an.
Ein’ unvermuhtete Muſic erwachet gleichſam hin und
wieder,
Jn ganz verſchiednen Toͤnen ſchallen der Creaturen Morgen-
Lieder.
Der Voͤgel angenehmes Gurgeln, der Ochſen und der Schafe
Blecken,
Das helle Wiehern muntrer Pferde, der fruͤhen Haͤhne
ſcharfes Kraͤhn,
Das hohle Girren treuer Tauben, der Enten ſchnatterndes
Getoͤn
Formieren eine Harmonie. Sie ſcheinen gleichſam zu
entdecken,
Daß ſie Dem, Der ſie ſchuf, zur Ehr’, mit Freuden leben,
fuͤhlen, ſchmecken.
Will denn der, ſich zum Schaden, faul- und traͤge Menſch
das Bett nicht laſſen,
Des kuͤhlen Morgens zu genieſſen, den lieblichen Geruch zu
faſſen,
Der aus bethauten Bluhmen quillt? Will er der ſtillen
Stunden ſich
Denn nicht erfreuen, die zum Denken und frohen Danken
eigentlich
Beſtimmt und ihm geſchenket ſcheinen? Will man, da ſo viel
Guts zu ſpuͤhren,
Denn,
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/199>, abgerufen am 24.11.2024.
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