Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite
Morgen-Gedanken.
Denn, in der That sich selbst bestehlend, so viele Lust mit Fleiß
verlieren?
Will man die schönste Zeit des Lebens, die eigentlich für uns
geschaffen,
Nur unvernünft'gen Thieren lassen, und sie verschnarchen
und verschlafen?
Jst es erlaubt, in gleichsam todter Vergessenheit, in schwar-
zen Träumen,
Den schönsten Theil von unsrer Zeit, den frischen Morgen,
zu versäumen?
Da, leyder! tausend Menschen sterben, die, wie die frühe Zeit
so schön,
Wie lieblich denn die Welt geschmückt, auch nicht ein einzigs
mahl gesehn.
Wie werden wir, da GOtt der HErr uns so viel Gutes wollen
gönnen,
Und wir es gleichsam von uns stossen, doch unser Thun
beschönen können?
Erwacht! dort steigt des hellen Tages durchlauchtiger
Monarch hervor,
Mit güldnem Glanz und Licht gekrönt. Es überschwemmt
sein Strahlen-Heer
Die ganze sichtbare Natur, als wie mit einem Segens-
Meer.
Es wird der, erst durch Jhn so schön geschmückt gewes'ne,
Wolken-Flor,
Durch seine Gegenwart, beschämt. Jhr erst so schöner
Putz verschwindet,
Da man des Lichtes Quelle selbst noch tausend mahl so herr-
lich findet.
Die sich nunmehr vermindernde, verdünnend' und zertheiln-
de Düfte,
Das
Morgen-Gedanken.
Denn, in der That ſich ſelbſt beſtehlend, ſo viele Luſt mit Fleiß
verlieren?
Will man die ſchoͤnſte Zeit des Lebens, die eigentlich fuͤr uns
geſchaffen,
Nur unvernuͤnft’gen Thieren laſſen, und ſie verſchnarchen
und verſchlafen?
Jſt es erlaubt, in gleichſam todter Vergeſſenheit, in ſchwar-
zen Traͤumen,
Den ſchoͤnſten Theil von unſrer Zeit, den friſchen Morgen,
zu verſaͤumen?
Da, leyder! tauſend Menſchen ſterben, die, wie die fruͤhe Zeit
ſo ſchoͤn,
Wie lieblich denn die Welt geſchmuͤckt, auch nicht ein einzigs
mahl geſehn.
Wie werden wir, da GOtt der HErr uns ſo viel Gutes wollen
goͤnnen,
Und wir es gleichſam von uns ſtoſſen, doch unſer Thun
beſchoͤnen koͤnnen?
Erwacht! dort ſteigt des hellen Tages durchlauchtiger
Monarch hervor,
Mit guͤldnem Glanz und Licht gekroͤnt. Es uͤberſchwemmt
ſein Strahlen-Heer
Die ganze ſichtbare Natur, als wie mit einem Segens-
Meer.
Es wird der, erſt durch Jhn ſo ſchoͤn geſchmuͤckt geweſ’ne,
Wolken-Flor,
Durch ſeine Gegenwart, beſchaͤmt. Jhr erſt ſo ſchoͤner
Putz verſchwindet,
Da man des Lichtes Quelle ſelbſt noch tauſend mahl ſo herr-
lich findet.
Die ſich nunmehr vermindernde, verduͤnnend’ und zertheiln-
de Duͤfte,
Das
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <lg type="poem">
              <pb facs="#f0200" n="182"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Morgen-Gedanken.</hi> </fw><lb/>
              <lg n="4">
                <l>Denn, in der That &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t be&#x017F;tehlend, &#x017F;o viele Lu&#x017F;t mit Fleiß</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">verlieren?</hi> </l><lb/>
                <l>Will man die &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;te Zeit des Lebens, die eigentlich fu&#x0364;r uns</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">ge&#x017F;chaffen,</hi> </l><lb/>
                <l>Nur unvernu&#x0364;nft&#x2019;gen Thieren la&#x017F;&#x017F;en, und &#x017F;ie ver&#x017F;chnarchen</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">und ver&#x017F;chlafen?</hi> </l><lb/>
                <l>J&#x017F;t es erlaubt, in gleich&#x017F;am todter Verge&#x017F;&#x017F;enheit, in &#x017F;chwar-</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">zen Tra&#x0364;umen,</hi> </l><lb/>
                <l>Den &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;ten Theil von un&#x017F;rer Zeit, den fri&#x017F;chen Morgen,</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">zu ver&#x017F;a&#x0364;umen?</hi> </l><lb/>
                <l>Da, leyder! tau&#x017F;end Men&#x017F;chen &#x017F;terben, die, wie die fru&#x0364;he Zeit</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">&#x017F;o &#x017F;cho&#x0364;n,</hi> </l><lb/>
                <l>Wie lieblich denn die Welt ge&#x017F;chmu&#x0364;ckt, auch nicht ein einzigs</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">mahl ge&#x017F;ehn.</hi> </l><lb/>
                <l>Wie werden wir, da GOtt der HErr uns &#x017F;o viel Gutes wollen</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">go&#x0364;nnen,</hi> </l><lb/>
                <l>Und wir es gleich&#x017F;am von uns &#x017F;to&#x017F;&#x017F;en, doch un&#x017F;er Thun</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">be&#x017F;cho&#x0364;nen ko&#x0364;nnen?</hi> </l><lb/>
                <l>Erwacht! dort &#x017F;teigt des hellen Tages durchlauchtiger</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">Monarch hervor,</hi> </l><lb/>
                <l>Mit gu&#x0364;ldnem Glanz und Licht gekro&#x0364;nt. Es u&#x0364;ber&#x017F;chwemmt</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">&#x017F;ein Strahlen-Heer</hi> </l><lb/>
                <l>Die ganze &#x017F;ichtbare Natur, als wie mit einem Segens-</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">Meer.</hi> </l><lb/>
                <l>Es wird der, er&#x017F;t durch Jhn &#x017F;o &#x017F;cho&#x0364;n ge&#x017F;chmu&#x0364;ckt gewe&#x017F;&#x2019;ne,</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">Wolken-Flor,</hi> </l><lb/>
                <l>Durch &#x017F;eine Gegenwart, be&#x017F;cha&#x0364;mt. Jhr er&#x017F;t &#x017F;o &#x017F;cho&#x0364;ner</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">Putz ver&#x017F;chwindet,</hi> </l><lb/>
                <l>Da man des Lichtes Quelle &#x017F;elb&#x017F;t noch tau&#x017F;end mahl &#x017F;o herr-</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">lich findet.</hi> </l><lb/>
                <l>Die &#x017F;ich nunmehr vermindernde, verdu&#x0364;nnend&#x2019; und zertheiln-</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">de Du&#x0364;fte,</hi> </l>
              </lg><lb/>
              <fw place="bottom" type="catch">Das</fw><lb/>
            </lg>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[182/0200] Morgen-Gedanken. Denn, in der That ſich ſelbſt beſtehlend, ſo viele Luſt mit Fleiß verlieren? Will man die ſchoͤnſte Zeit des Lebens, die eigentlich fuͤr uns geſchaffen, Nur unvernuͤnft’gen Thieren laſſen, und ſie verſchnarchen und verſchlafen? Jſt es erlaubt, in gleichſam todter Vergeſſenheit, in ſchwar- zen Traͤumen, Den ſchoͤnſten Theil von unſrer Zeit, den friſchen Morgen, zu verſaͤumen? Da, leyder! tauſend Menſchen ſterben, die, wie die fruͤhe Zeit ſo ſchoͤn, Wie lieblich denn die Welt geſchmuͤckt, auch nicht ein einzigs mahl geſehn. Wie werden wir, da GOtt der HErr uns ſo viel Gutes wollen goͤnnen, Und wir es gleichſam von uns ſtoſſen, doch unſer Thun beſchoͤnen koͤnnen? Erwacht! dort ſteigt des hellen Tages durchlauchtiger Monarch hervor, Mit guͤldnem Glanz und Licht gekroͤnt. Es uͤberſchwemmt ſein Strahlen-Heer Die ganze ſichtbare Natur, als wie mit einem Segens- Meer. Es wird der, erſt durch Jhn ſo ſchoͤn geſchmuͤckt geweſ’ne, Wolken-Flor, Durch ſeine Gegenwart, beſchaͤmt. Jhr erſt ſo ſchoͤner Putz verſchwindet, Da man des Lichtes Quelle ſelbſt noch tauſend mahl ſo herr- lich findet. Die ſich nunmehr vermindernde, verduͤnnend’ und zertheiln- de Duͤfte, Das

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/200
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/200>, abgerufen am 24.11.2024.