Jm Grase ruhig bey den Schafen, der spielt dort auf der Feld-Schallmey, Ein Reisender geht, ohne Sorg' und bösen Willen, schnell vorbey. So laßt uns auch, in dieser Handlung, des Schöpfers Ord- nungen erkennen. Da Er, als wie ein Eigenthum, die Welt dem Menschen wollen gönnen; Muß alles das, was ihm beschwehrlich, so bald als er erschei- net, fliehn, Und, was ihm schädlich, wenn er kommt, sich seiner Gegen- wart entziehn. Das Wild, das ihn sonst hindern könnte, muß seinem Mei- ster weichen lernen. Die unsichtbare Wunder-Hand des Schöpfers weiß sie zu entfernen; So daß der Mensch, der Herr der Erden, wenn er sein Eigen- thum besehn, Und auf demselben wirken will, in einer sichern Freyheit gehn, Sich ungestört beschäft'gen kann. Es muß, was ihn behin- dern können, Durch ein gewiß, ich weiß nicht was, entweichen und sich von ihm trennen.
Mit noch viel mehr- und andern Schätzen sieht man den All- erfreu'nden Morgen, Noch eh' die Sonne selbst erscheint, uns, in dem kühlen Thau, versorgen. Ein Heer von Luft- und Wasser-Bläschen, so gestern, durch die Sonn', erhöht, Und in die obre Luft gezogen, so bald die kalte Nacht vergeht,
Wird
Die Morgen-Roͤhte.
Jm Graſe ruhig bey den Schafen, der ſpielt dort auf der Feld-Schallmey, Ein Reiſender geht, ohne Sorg’ und boͤſen Willen, ſchnell vorbey. So laßt uns auch, in dieſer Handlung, des Schoͤpfers Ord- nungen erkennen. Da Er, als wie ein Eigenthum, die Welt dem Menſchen wollen goͤnnen; Muß alles das, was ihm beſchwehrlich, ſo bald als er erſchei- net, fliehn, Und, was ihm ſchaͤdlich, wenn er kommt, ſich ſeiner Gegen- wart entziehn. Das Wild, das ihn ſonſt hindern koͤnnte, muß ſeinem Mei- ſter weichen lernen. Die unſichtbare Wunder-Hand des Schoͤpfers weiß ſie zu entfernen; So daß der Menſch, der Herr der Erden, wenn er ſein Eigen- thum beſehn, Und auf demſelben wirken will, in einer ſichern Freyheit gehn, Sich ungeſtoͤrt beſchaͤft’gen kann. Es muß, was ihn behin- dern koͤnnen, Durch ein gewiß, ich weiß nicht was, entweichen und ſich von ihm trennen.
Mit noch viel mehr- und andern Schaͤtzen ſieht man den All- erfreu’nden Morgen, Noch eh’ die Sonne ſelbſt erſcheint, uns, in dem kuͤhlen Thau, verſorgen. Ein Heer von Luft- und Waſſer-Blaͤschen, ſo geſtern, durch die Sonn’, erhoͤht, Und in die obre Luft gezogen, ſo bald die kalte Nacht vergeht,
Wird
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Die Morgen-Roͤhte.
Jm Graſe ruhig bey den Schafen, der ſpielt dort auf der
Feld-Schallmey,
Ein Reiſender geht, ohne Sorg’ und boͤſen Willen, ſchnell
vorbey.
So laßt uns auch, in dieſer Handlung, des Schoͤpfers Ord-
nungen erkennen.
Da Er, als wie ein Eigenthum, die Welt dem Menſchen
wollen goͤnnen;
Muß alles das, was ihm beſchwehrlich, ſo bald als er erſchei-
net, fliehn,
Und, was ihm ſchaͤdlich, wenn er kommt, ſich ſeiner Gegen-
wart entziehn.
Das Wild, das ihn ſonſt hindern koͤnnte, muß ſeinem Mei-
ſter weichen lernen.
Die unſichtbare Wunder-Hand des Schoͤpfers weiß ſie zu
entfernen;
So daß der Menſch, der Herr der Erden, wenn er ſein Eigen-
thum beſehn,
Und auf demſelben wirken will, in einer ſichern Freyheit
gehn,
Sich ungeſtoͤrt beſchaͤft’gen kann. Es muß, was ihn behin-
dern koͤnnen,
Durch ein gewiß, ich weiß nicht was, entweichen und ſich von
ihm trennen.
Mit noch viel mehr- und andern Schaͤtzen ſieht man den
All- erfreu’nden Morgen,
Noch eh’ die Sonne ſelbſt erſcheint, uns, in dem kuͤhlen Thau,
verſorgen.
Ein Heer von Luft- und Waſſer-Blaͤschen, ſo geſtern, durch
die Sonn’, erhoͤht,
Und in die obre Luft gezogen, ſo bald die kalte Nacht vergeht,
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/225>, abgerufen am 24.11.2024.
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