Es schien, ob sucht' in Kraut und Bluhmen, im grünen und im bunten Schein, Bald das vor diesen, dieses bald vor das, zuerst gesehn zu seyn. Jch sah' zuerst den holden Klee in seiner dichten Lieblichkeit, Da, vor der Menge, kaum ein Blatt sich aus einander breiten kann. Dieß zeigte mir, von ihrer Zeichnung, unzählige Verschie- denheit, Da sie bald Seiten-werts gedrängt, bald offen, bald gefaltet sitzen. Durch ihre lieblich- runden Blätter sieht man sich öfters kleine Spitzen, Von zart- und feinem Grase, stechen, das denn im Gegensatz die Pracht, Die allen Schmelz weit übergeht, um desto angenehmer macht. Zumahl, wenn zwischen ihrem Schmuck die liebliche Vergiß mein nicht, Jn ihrem Himmel-blauen Glanz, mit Gold geziert, als wie ein Licht, Von einem spielenden Sapphir, durch schimmernde Sma- ragden bricht.
Es scheint, man wird von unsrer Mutter, der Erd', in dieser holden Pracht, Annoch vor vielen andern Orten, auf solchen Stellen ange- lacht. Jch sah', von Farben und Figur ganz unterschieden, noch bey ihnen, Auf ungezählte Art geformt, viel ungezählte Kräuter grünen,
Und
Lieblichkeit des Graſes.
Es ſchien, ob ſucht’ in Kraut und Bluhmen, im gruͤnen und im bunten Schein, Bald das vor dieſen, dieſes bald vor das, zuerſt geſehn zu ſeyn. Jch ſah’ zuerſt den holden Klee in ſeiner dichten Lieblichkeit, Da, vor der Menge, kaum ein Blatt ſich aus einander breiten kann. Dieß zeigte mir, von ihrer Zeichnung, unzaͤhlige Verſchie- denheit, Da ſie bald Seiten-werts gedraͤngt, bald offen, bald gefaltet ſitzen. Durch ihre lieblich- runden Blaͤtter ſieht man ſich oͤfters kleine Spitzen, Von zart- und feinem Graſe, ſtechen, das denn im Gegenſatz die Pracht, Die allen Schmelz weit uͤbergeht, um deſto angenehmer macht. Zumahl, wenn zwiſchen ihrem Schmuck die liebliche Vergiß mein nicht, Jn ihrem Himmel-blauen Glanz, mit Gold geziert, als wie ein Licht, Von einem ſpielenden Sapphir, durch ſchimmernde Sma- ragden bricht.
Es ſcheint, man wird von unſrer Mutter, der Erd’, in dieſer holden Pracht, Annoch vor vielen andern Orten, auf ſolchen Stellen ange- lacht. Jch ſah’, von Farben und Figur ganz unterſchieden, noch bey ihnen, Auf ungezaͤhlte Art geformt, viel ungezaͤhlte Kraͤuter gruͤnen,
Und
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Lieblichkeit des Graſes.
Es ſchien, ob ſucht’ in Kraut und Bluhmen, im gruͤnen und
im bunten Schein,
Bald das vor dieſen, dieſes bald vor das, zuerſt geſehn zu
ſeyn.
Jch ſah’ zuerſt den holden Klee in ſeiner dichten Lieblichkeit,
Da, vor der Menge, kaum ein Blatt ſich aus einander breiten
kann.
Dieß zeigte mir, von ihrer Zeichnung, unzaͤhlige Verſchie-
denheit,
Da ſie bald Seiten-werts gedraͤngt, bald offen, bald gefaltet
ſitzen.
Durch ihre lieblich- runden Blaͤtter ſieht man ſich oͤfters
kleine Spitzen,
Von zart- und feinem Graſe, ſtechen, das denn im Gegenſatz
die Pracht,
Die allen Schmelz weit uͤbergeht, um deſto angenehmer
macht.
Zumahl, wenn zwiſchen ihrem Schmuck die liebliche Vergiß
mein nicht,
Jn ihrem Himmel-blauen Glanz, mit Gold geziert, als wie
ein Licht,
Von einem ſpielenden Sapphir, durch ſchimmernde Sma-
ragden bricht.
Es ſcheint, man wird von unſrer Mutter, der Erd’, in dieſer
holden Pracht,
Annoch vor vielen andern Orten, auf ſolchen Stellen ange-
lacht.
Jch ſah’, von Farben und Figur ganz unterſchieden, noch
bey ihnen,
Auf ungezaͤhlte Art geformt, viel ungezaͤhlte Kraͤuter
gruͤnen,
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/310>, abgerufen am 24.11.2024.
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