Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite
Lieblichkeit des Grases.
Jn einem angenehmen Wäldchen, im Schatten einer
dichten Linden,
Worunter ich zum öftern Ruh, in stiller Anmuht, pflag zu
finden,
Setzt' ich mich auf ein grünes Plätzchen in junges, dicht- und
frisches Gras,
Woselbst ich anfangs zwar ein Buch, mit innigem Vergnü-
gen, las;
Allein, es rief das grüne Prangen des Grases, das den
schönsten Sammt,
Wie Diamant das Glas beschämet, zumahl, wenn oft bald
hier bald dort
Der Sonnen Strahl, durch dunkle Schatten der Zweige,
brach, an manchem Ort,
Auf tausendfach gefärbte Stellen, in unterschiednen Lichtern
flammt,
Mich aus dem Buch auf seinen Schmuck. Es schien mich
zu sich hin zu winken.
Dem Wink konnt' ich nicht widersteh'n,
Jch ließ das Buch gemählig sinken,
Um seine Schönheit zu beseh'n.
Mein GOtt! wie vielerley Figuren! welch' eine Form-
und Farben-Menge
Brach aus den Kräutern, Gras und Klee, allein im grünen
Schmuck, hervor!
Es huben die gefärbten Häupter, in einem wirklichen Ge-
dränge,
Nebst ihnen auch viel tausend Bluhmen, recht gleichsam in
die Wett' empor.
Es
T 2
Lieblichkeit des Graſes.
Jn einem angenehmen Waͤldchen, im Schatten einer
dichten Linden,
Worunter ich zum oͤftern Ruh, in ſtiller Anmuht, pflag zu
finden,
Setzt’ ich mich auf ein gruͤnes Plaͤtzchen in junges, dicht- und
friſches Gras,
Woſelbſt ich anfangs zwar ein Buch, mit innigem Vergnuͤ-
gen, las;
Allein, es rief das gruͤne Prangen des Graſes, das den
ſchoͤnſten Sammt,
Wie Diamant das Glas beſchaͤmet, zumahl, wenn oft bald
hier bald dort
Der Sonnen Strahl, durch dunkle Schatten der Zweige,
brach, an manchem Ort,
Auf tauſendfach gefaͤrbte Stellen, in unterſchiednen Lichtern
flammt,
Mich aus dem Buch auf ſeinen Schmuck. Es ſchien mich
zu ſich hin zu winken.
Dem Wink konnt’ ich nicht widerſteh’n,
Jch ließ das Buch gemaͤhlig ſinken,
Um ſeine Schoͤnheit zu beſeh’n.
Mein GOtt! wie vielerley Figuren! welch’ eine Form-
und Farben-Menge
Brach aus den Kraͤutern, Gras und Klee, allein im gruͤnen
Schmuck, hervor!
Es huben die gefaͤrbten Haͤupter, in einem wirklichen Ge-
draͤnge,
Nebſt ihnen auch viel tauſend Bluhmen, recht gleichſam in
die Wett’ empor.
Es
T 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0309" n="291"/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">Lieblichkeit des Gra&#x017F;es.</hi> </head><lb/>
            <lg type="poem">
              <lg n="1">
                <l><hi rendition="#in">J</hi>n einem angenehmen Wa&#x0364;ldchen, im Schatten einer</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">dichten Linden,</hi> </l><lb/>
                <l>Worunter ich zum o&#x0364;ftern Ruh, in &#x017F;tiller Anmuht, pflag zu</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">finden,</hi> </l><lb/>
                <l>Setzt&#x2019; ich mich auf ein gru&#x0364;nes Pla&#x0364;tzchen in junges, dicht- und</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">fri&#x017F;ches Gras,</hi> </l><lb/>
                <l>Wo&#x017F;elb&#x017F;t ich anfangs zwar ein Buch, mit innigem Vergnu&#x0364;-</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">gen, las;</hi> </l><lb/>
                <l>Allein, es rief das gru&#x0364;ne Prangen des Gra&#x017F;es, das den</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">&#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;ten Sammt,</hi> </l><lb/>
                <l>Wie Diamant das Glas be&#x017F;cha&#x0364;met, zumahl, wenn oft bald</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">hier bald dort</hi> </l><lb/>
                <l>Der Sonnen Strahl, durch dunkle Schatten der Zweige,</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">brach, an manchem Ort,</hi> </l><lb/>
                <l>Auf tau&#x017F;endfach gefa&#x0364;rbte Stellen, in unter&#x017F;chiednen Lichtern</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">flammt,</hi> </l><lb/>
                <l>Mich aus dem Buch auf &#x017F;einen Schmuck. Es &#x017F;chien mich</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">zu &#x017F;ich hin zu winken.</hi> </l><lb/>
                <l>Dem Wink konnt&#x2019; ich nicht wider&#x017F;teh&#x2019;n,</l><lb/>
                <l>Jch ließ das Buch gema&#x0364;hlig &#x017F;inken,</l><lb/>
                <l>Um &#x017F;eine Scho&#x0364;nheit zu be&#x017F;eh&#x2019;n.</l>
              </lg><lb/>
              <lg n="2">
                <l>Mein GOtt! wie vielerley Figuren! welch&#x2019; eine Form-</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">und Farben-Menge</hi> </l><lb/>
                <l>Brach aus den Kra&#x0364;utern, Gras und Klee, allein im gru&#x0364;nen</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">Schmuck, hervor!</hi> </l><lb/>
                <l>Es huben die gefa&#x0364;rbten Ha&#x0364;upter, in einem wirklichen Ge-</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">dra&#x0364;nge,</hi> </l><lb/>
                <l>Neb&#x017F;t ihnen auch viel tau&#x017F;end Bluhmen, recht gleich&#x017F;am in</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">die Wett&#x2019; empor.</hi> </l>
              </lg><lb/>
              <fw place="bottom" type="sig">T 2</fw>
              <fw place="bottom" type="catch">Es</fw><lb/>
            </lg>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[291/0309] Lieblichkeit des Graſes. Jn einem angenehmen Waͤldchen, im Schatten einer dichten Linden, Worunter ich zum oͤftern Ruh, in ſtiller Anmuht, pflag zu finden, Setzt’ ich mich auf ein gruͤnes Plaͤtzchen in junges, dicht- und friſches Gras, Woſelbſt ich anfangs zwar ein Buch, mit innigem Vergnuͤ- gen, las; Allein, es rief das gruͤne Prangen des Graſes, das den ſchoͤnſten Sammt, Wie Diamant das Glas beſchaͤmet, zumahl, wenn oft bald hier bald dort Der Sonnen Strahl, durch dunkle Schatten der Zweige, brach, an manchem Ort, Auf tauſendfach gefaͤrbte Stellen, in unterſchiednen Lichtern flammt, Mich aus dem Buch auf ſeinen Schmuck. Es ſchien mich zu ſich hin zu winken. Dem Wink konnt’ ich nicht widerſteh’n, Jch ließ das Buch gemaͤhlig ſinken, Um ſeine Schoͤnheit zu beſeh’n. Mein GOtt! wie vielerley Figuren! welch’ eine Form- und Farben-Menge Brach aus den Kraͤutern, Gras und Klee, allein im gruͤnen Schmuck, hervor! Es huben die gefaͤrbten Haͤupter, in einem wirklichen Ge- draͤnge, Nebſt ihnen auch viel tauſend Bluhmen, recht gleichſam in die Wett’ empor. Es T 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/309
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/309>, abgerufen am 24.11.2024.