Da sonst, so wie die Menschen meynen, die Wärme meist der Früchte Leben. Nunmehr ist unser aller Wunsch: Der grosse Geber wolle geben, Daß, da die Erndte-Zeit vorhanden, die schönen Frücht' auch mögen reifen, Daß der nunmehr so öftre Regen den Schatz der Früchte nicht vermindre, Noch, durch zu viele Feuchtigkeit, die frohe Erndte nicht verhindre, Damit man den gezeugten Segen bey gutem Wetter möge heben, Und daß wir, wenn wir ihn bekommen, auch GOtt zu danken uns bestreben; Doch auch zugleich dabey erwegen, daß, da wir, trotz der dürren, kalten Und pftmahls nassen Witterung, doch so viel Heu und Korn erhalten, Es fast ein doppelt Wunder sey; in welchem man zugleich entdeckt, Daß in dem Wege der Natur ein' offenbahre Warnung steckt, Daß wir nicht künftig, wie vorhin, bey unserer Gewohnheit bleiben, Der Erndte Segen unserm Fleiß und unsrer Arbeit zuzu- schreiben, Und denken, ohne daß wir uns der Huld des grossen Gebers freuen, Es sey des Himmels Schuldigkeit, die Erndte müsse wohl gedeyen. Auch laßt uns sonderlich hiebey zu überlegen nicht vergessen, Was vor ein Schatz im Grase stecke, und seinen grossen Wehrt ermessen.
Da
Das kalte und doch
Da ſonſt, ſo wie die Menſchen meynen, die Waͤrme meiſt der Fruͤchte Leben. Nunmehr iſt unſer aller Wunſch: Der groſſe Geber wolle geben, Daß, da die Erndte-Zeit vorhanden, die ſchoͤnen Fruͤcht’ auch moͤgen reifen, Daß der nunmehr ſo oͤftre Regen den Schatz der Fruͤchte nicht vermindre, Noch, durch zu viele Feuchtigkeit, die frohe Erndte nicht verhindre, Damit man den gezeugten Segen bey gutem Wetter moͤge heben, Und daß wir, wenn wir ihn bekommen, auch GOtt zu danken uns beſtreben; Doch auch zugleich dabey erwegen, daß, da wir, trotz der duͤrren, kalten Und pftmahls naſſen Witterung, doch ſo viel Heu und Korn erhalten, Es faſt ein doppelt Wunder ſey; in welchem man zugleich entdeckt, Daß in dem Wege der Natur ein’ offenbahre Warnung ſteckt, Daß wir nicht kuͤnftig, wie vorhin, bey unſerer Gewohnheit bleiben, Der Erndte Segen unſerm Fleiß und unſrer Arbeit zuzu- ſchreiben, Und denken, ohne daß wir uns der Huld des groſſen Gebers freuen, Es ſey des Himmels Schuldigkeit, die Erndte muͤſſe wohl gedeyen. Auch laßt uns ſonderlich hiebey zu uͤberlegen nicht vergeſſen, Was vor ein Schatz im Graſe ſtecke, und ſeinen groſſen Wehrt ermeſſen.
Da
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Das kalte und doch
Da ſonſt, ſo wie die Menſchen meynen, die Waͤrme meiſt der
Fruͤchte Leben.
Nunmehr iſt unſer aller Wunſch: Der groſſe Geber wolle
geben,
Daß, da die Erndte-Zeit vorhanden, die ſchoͤnen Fruͤcht’
auch moͤgen reifen,
Daß der nunmehr ſo oͤftre Regen den Schatz der Fruͤchte
nicht vermindre,
Noch, durch zu viele Feuchtigkeit, die frohe Erndte nicht
verhindre,
Damit man den gezeugten Segen bey gutem Wetter moͤge
heben,
Und daß wir, wenn wir ihn bekommen, auch GOtt zu danken
uns beſtreben;
Doch auch zugleich dabey erwegen, daß, da wir, trotz der
duͤrren, kalten
Und pftmahls naſſen Witterung, doch ſo viel Heu und Korn
erhalten,
Es faſt ein doppelt Wunder ſey; in welchem man zugleich
entdeckt,
Daß in dem Wege der Natur ein’ offenbahre Warnung
ſteckt,
Daß wir nicht kuͤnftig, wie vorhin, bey unſerer Gewohnheit
bleiben,
Der Erndte Segen unſerm Fleiß und unſrer Arbeit zuzu-
ſchreiben,
Und denken, ohne daß wir uns der Huld des groſſen Gebers
freuen,
Es ſey des Himmels Schuldigkeit, die Erndte muͤſſe wohl
gedeyen.
Auch laßt uns ſonderlich hiebey zu uͤberlegen nicht vergeſſen,
Was vor ein Schatz im Graſe ſtecke, und ſeinen groſſen
Wehrt ermeſſen.
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 402. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/420>, abgerufen am 22.11.2024.
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