Wenn wir den Stoff, aus welchem wir besteh'n, Wenn wir wodurch, worinn, womit, und wie wir leben, Und wovon wir die Nahrung heben, Mit einiger Aufmerksamkeit, beseh'n; Wird uns ein Schauer übergeh'n, Weil es fast unbegreiflich ist, Wenn man die Mischungen ermißt, Nur einen Augenblick gesund zu bleiben, Wenn wir zugleich den grossen Unterscheid Der Neigungen, der Absicht, Dürftigkeit, Der Uebereilungen, der Unvollkommenheit, Von andern Menschen auch beachten, Und ihr stets neidisches, geliebtes Jch betrachten; So ist es wohl Bewunderns wehrt, Daß auf dem Lebens-Meer, worauf man fährt, Uns tausend Strudel nicht versenken.
Jch bin, o HErr! durch Deine Güte, Bisher ohn' Anstoß fortgeschifft, Und weil mich noch, GOtt Lob! kein schwehrer Unfall trifft, So lob' und preis' ich dich. Und mein Gemühte Wird, in der Grösse der Gefahr, Die Grösse Deiner Gnad' und Huld gewahr.
Noch mehr, aus ungezählten Gaben, Die wir noch ausser dem von Dir erhalten haben, Erhellet Deine Lieb' und Gnaden-reiche Treu, Die bey mir alle Morgen neu.
Es sind dieselben nicht zu zählen, Doch muß ich eine noch von so viel tausend wählen, Und dafür, mit gerührter Seelen, Dir, HErr! ein Freuden-Opfer bringen.
Zu
7 Theil. F f
An meinem Gebuhrts-Tage.
Wenn wir den Stoff, aus welchem wir beſteh’n, Wenn wir wodurch, worinn, womit, und wie wir leben, Und wovon wir die Nahrung heben, Mit einiger Aufmerkſamkeit, beſeh’n; Wird uns ein Schauer uͤbergeh’n, Weil es faſt unbegreiflich iſt, Wenn man die Miſchungen ermißt, Nur einen Augenblick geſund zu bleiben, Wenn wir zugleich den groſſen Unterſcheid Der Neigungen, der Abſicht, Duͤrftigkeit, Der Uebereilungen, der Unvollkommenheit, Von andern Menſchen auch beachten, Und ihr ſtets neidiſches, geliebtes Jch betrachten; So iſt es wohl Bewunderns wehrt, Daß auf dem Lebens-Meer, worauf man faͤhrt, Uns tauſend Strudel nicht verſenken.
Jch bin, o HErr! durch Deine Guͤte, Bisher ohn’ Anſtoß fortgeſchifft, Und weil mich noch, GOtt Lob! kein ſchwehrer Unfall trifft, So lob’ und preiſ’ ich dich. Und mein Gemuͤhte Wird, in der Groͤſſe der Gefahr, Die Groͤſſe Deiner Gnad’ und Huld gewahr.
Noch mehr, aus ungezaͤhlten Gaben, Die wir noch auſſer dem von Dir erhalten haben, Erhellet Deine Lieb’ und Gnaden-reiche Treu, Die bey mir alle Morgen neu.
Es ſind dieſelben nicht zu zaͤhlen, Doch muß ich eine noch von ſo viel tauſend waͤhlen, Und dafuͤr, mit geruͤhrter Seelen, Dir, HErr! ein Freuden-Opfer bringen.
Zu
7 Theil. F f
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An meinem Gebuhrts-Tage.
Wenn wir den Stoff, aus welchem wir beſteh’n,
Wenn wir wodurch, worinn, womit, und wie wir leben,
Und wovon wir die Nahrung heben,
Mit einiger Aufmerkſamkeit, beſeh’n;
Wird uns ein Schauer uͤbergeh’n,
Weil es faſt unbegreiflich iſt,
Wenn man die Miſchungen ermißt,
Nur einen Augenblick geſund zu bleiben,
Wenn wir zugleich den groſſen Unterſcheid
Der Neigungen, der Abſicht, Duͤrftigkeit,
Der Uebereilungen, der Unvollkommenheit,
Von andern Menſchen auch beachten,
Und ihr ſtets neidiſches, geliebtes Jch betrachten;
So iſt es wohl Bewunderns wehrt,
Daß auf dem Lebens-Meer, worauf man faͤhrt,
Uns tauſend Strudel nicht verſenken.
Jch bin, o HErr! durch Deine Guͤte,
Bisher ohn’ Anſtoß fortgeſchifft,
Und weil mich noch, GOtt Lob! kein ſchwehrer Unfall trifft,
So lob’ und preiſ’ ich dich. Und mein Gemuͤhte
Wird, in der Groͤſſe der Gefahr,
Die Groͤſſe Deiner Gnad’ und Huld gewahr.
Noch mehr, aus ungezaͤhlten Gaben,
Die wir noch auſſer dem von Dir erhalten haben,
Erhellet Deine Lieb’ und Gnaden-reiche Treu,
Die bey mir alle Morgen neu.
Es ſind dieſelben nicht zu zaͤhlen,
Doch muß ich eine noch von ſo viel tauſend waͤhlen,
Und dafuͤr, mit geruͤhrter Seelen,
Dir, HErr! ein Freuden-Opfer bringen.
Zu
7 Theil. F f
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 449. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/467>, abgerufen am 22.11.2024.
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