Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743.Der Apfel-Baum. Unglaublich ist die mannigfache Weise, Wie, auf jedweden Apfels Kreise, Das bald sich ründende, bald rückwerts fall'nde Licht, Bald abwerts gleitend, sich bald senkt, bald bricht. Wie mannigfach die schnell dadurch erzeugten Schatten Sich, unsrer Augen Lust noch zu vermehren, gatten. Wie oft ein nettes Schatten-Blatt Auf einem Apfel sich formieret hat. Wie oft sich dunkle, grüne Stellen, Durchs schnelle Schlag-Licht, schnell erhellen. Durch welches bunte Licht- und bunte Schatten-Spiel Ein gleichsam bebendes annehmliches Gewühl Jm ganzen Baum entsteht, das lieblich, bunt und schön. Ein menschlich Auge kann sich matt, nicht satt, dran seh'n. Wie ich mich nun gar oft an seinem bunten Schein Vergnügt', auch oft dabey gedacht: GOtt Lob! Der diesen Baum gemacht! GOtt Lob auch! daß er mein! GOtt Lob! daß ich, wie er so schön, Kann mit gesunden Augen seh'n! GOtt Lob! daß ich, durch ihn, an Den, Der seine Pracht, Sowohl für mich, als jedermann, Aus lauter Lieb' hervorgebracht, Mit Andacht und mit Lust gedacht! GOtt Lob! daß ich Jhm dank', auch daß ich danken kann! Wie, sag' ich, alles dieß oft bey dem Baum gescheh'n; Fragt' einst mein Gärtner, ob ich wollte, Daß er, dieweil sie reif, die Aepfel schütteln sollte? Jch konnte mich dazu zu anfangs kaum versteh'n, Weil ich die Augen-Lust nicht gern verlohr; Doch aber kam es mir, wie ich so dachte, vor, Als
Der Apfel-Baum. Unglaublich iſt die mannigfache Weiſe, Wie, auf jedweden Apfels Kreiſe, Das bald ſich ruͤndende, bald ruͤckwerts fall’nde Licht, Bald abwerts gleitend, ſich bald ſenkt, bald bricht. Wie mannigfach die ſchnell dadurch erzeugten Schatten Sich, unſrer Augen Luſt noch zu vermehren, gatten. Wie oft ein nettes Schatten-Blatt Auf einem Apfel ſich formieret hat. Wie oft ſich dunkle, gruͤne Stellen, Durchs ſchnelle Schlag-Licht, ſchnell erhellen. Durch welches bunte Licht- und bunte Schatten-Spiel Ein gleichſam bebendes annehmliches Gewuͤhl Jm ganzen Baum entſteht, das lieblich, bunt und ſchoͤn. Ein menſchlich Auge kann ſich matt, nicht ſatt, dran ſeh’n. Wie ich mich nun gar oft an ſeinem bunten Schein Vergnuͤgt’, auch oft dabey gedacht: GOtt Lob! Der dieſen Baum gemacht! GOtt Lob auch! daß er mein! GOtt Lob! daß ich, wie er ſo ſchoͤn, Kann mit geſunden Augen ſeh’n! GOtt Lob! daß ich, durch ihn, an Den, Der ſeine Pracht, Sowohl fuͤr mich, als jedermann, Aus lauter Lieb’ hervorgebracht, Mit Andacht und mit Luſt gedacht! GOtt Lob! daß ich Jhm dank’, auch daß ich danken kann! Wie, ſag’ ich, alles dieß oft bey dem Baum geſcheh’n; Fragt’ einſt mein Gaͤrtner, ob ich wollte, Daß er, dieweil ſie reif, die Aepfel ſchuͤtteln ſollte? Jch konnte mich dazu zu anfangs kaum verſteh’n, Weil ich die Augen-Luſt nicht gern verlohr; Doch aber kam es mir, wie ich ſo dachte, vor, Als
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Der Apfel-Baum.
Unglaublich iſt die mannigfache Weiſe,
Wie, auf jedweden Apfels Kreiſe,
Das bald ſich ruͤndende, bald ruͤckwerts fall’nde Licht,
Bald abwerts gleitend, ſich bald ſenkt, bald bricht.
Wie mannigfach die ſchnell dadurch erzeugten Schatten
Sich, unſrer Augen Luſt noch zu vermehren, gatten.
Wie oft ein nettes Schatten-Blatt
Auf einem Apfel ſich formieret hat.
Wie oft ſich dunkle, gruͤne Stellen,
Durchs ſchnelle Schlag-Licht, ſchnell erhellen.
Durch welches bunte Licht- und bunte Schatten-Spiel
Ein gleichſam bebendes annehmliches Gewuͤhl
Jm ganzen Baum entſteht, das lieblich, bunt und ſchoͤn.
Ein menſchlich Auge kann ſich matt, nicht ſatt, dran ſeh’n.
Wie ich mich nun gar oft an ſeinem bunten Schein
Vergnuͤgt’, auch oft dabey gedacht:
GOtt Lob! Der dieſen Baum gemacht!
GOtt Lob auch! daß er mein!
GOtt Lob! daß ich, wie er ſo ſchoͤn,
Kann mit geſunden Augen ſeh’n!
GOtt Lob! daß ich, durch ihn, an Den, Der ſeine Pracht,
Sowohl fuͤr mich, als jedermann,
Aus lauter Lieb’ hervorgebracht,
Mit Andacht und mit Luſt gedacht!
GOtt Lob! daß ich Jhm dank’, auch daß ich danken kann!
Wie, ſag’ ich, alles dieß oft bey dem Baum geſcheh’n;
Fragt’ einſt mein Gaͤrtner, ob ich wollte,
Daß er, dieweil ſie reif, die Aepfel ſchuͤtteln ſollte?
Jch konnte mich dazu zu anfangs kaum verſteh’n,
Weil ich die Augen-Luſt nicht gern verlohr;
Doch aber kam es mir, wie ich ſo dachte, vor,
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