Von manchem Baum, der borst und brach, Hört' man ein fürchterlich Gekrach. Die Berge schrien, die Wälder heulten, Die Wurzeln stiegen aus der Erden. Hier welzten Häuser, dorten Heerden, So wie die Fluhten sie ereilten.
Mit allgemeinem Klag-Geschrey Sah man, von grossen Balken, Trümmer, Da schwummen Dächer, halbe Zimmer, Sie fuhren, wie ein Strahl, vorbey. Hier schwung, mit weiß beschäumtem Grimm, Ein strenger Strudel alles üm. Die reife Saat ward unterdruckt, Gemähte Garben weggespühlet, Der Boden selbst ward aufgewühlet, Die höchsten Ufer eingeschluckt. Es füllt ein dunkler Wasser-Schwall Die hohlen Tiefen überall, Auch war von den erhabnen Höhen Nicht eins die Stelle mehr zu sehen. Feld, Aecker, Berg' und Thäler deckte Ein' Ebne, die das Auge schreckte.
Jch sahe dieß erstaunet an, Und dacht': Ein blosser Regen kann Der Erden Fläche ganz verheeren, Der Menschen Werk so schnell verstöhren, Daß alles sinket, stürzet, bricht, Und alles unterst oben kehren! Mit welcher Ehrfurcht sollte nicht
Das
Die ſchreckliche Gewalt
Von manchem Baum, der borſt und brach, Hoͤrt’ man ein fuͤrchterlich Gekrach. Die Berge ſchrien, die Waͤlder heulten, Die Wurzeln ſtiegen aus der Erden. Hier welzten Haͤuſer, dorten Heerden, So wie die Fluhten ſie ereilten.
Mit allgemeinem Klag-Geſchrey Sah man, von groſſen Balken, Truͤmmer, Da ſchwummen Daͤcher, halbe Zimmer, Sie fuhren, wie ein Strahl, vorbey. Hier ſchwung, mit weiß beſchaͤumtem Grimm, Ein ſtrenger Strudel alles uͤm. Die reife Saat ward unterdruckt, Gemaͤhte Garben weggeſpuͤhlet, Der Boden ſelbſt ward aufgewuͤhlet, Die hoͤchſten Ufer eingeſchluckt. Es fuͤllt ein dunkler Waſſer-Schwall Die hohlen Tiefen uͤberall, Auch war von den erhabnen Hoͤhen Nicht eins die Stelle mehr zu ſehen. Feld, Aecker, Berg’ und Thaͤler deckte Ein’ Ebne, die das Auge ſchreckte.
Jch ſahe dieß erſtaunet an, Und dacht’: Ein bloſſer Regen kann Der Erden Flaͤche ganz verheeren, Der Menſchen Werk ſo ſchnell verſtoͤhren, Daß alles ſinket, ſtuͤrzet, bricht, Und alles unterſt oben kehren! Mit welcher Ehrfurcht ſollte nicht
Das
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Die ſchreckliche Gewalt
Von manchem Baum, der borſt und brach,
Hoͤrt’ man ein fuͤrchterlich Gekrach.
Die Berge ſchrien, die Waͤlder heulten,
Die Wurzeln ſtiegen aus der Erden.
Hier welzten Haͤuſer, dorten Heerden,
So wie die Fluhten ſie ereilten.
Mit allgemeinem Klag-Geſchrey
Sah man, von groſſen Balken, Truͤmmer,
Da ſchwummen Daͤcher, halbe Zimmer,
Sie fuhren, wie ein Strahl, vorbey.
Hier ſchwung, mit weiß beſchaͤumtem Grimm,
Ein ſtrenger Strudel alles uͤm.
Die reife Saat ward unterdruckt,
Gemaͤhte Garben weggeſpuͤhlet,
Der Boden ſelbſt ward aufgewuͤhlet,
Die hoͤchſten Ufer eingeſchluckt.
Es fuͤllt ein dunkler Waſſer-Schwall
Die hohlen Tiefen uͤberall,
Auch war von den erhabnen Hoͤhen
Nicht eins die Stelle mehr zu ſehen.
Feld, Aecker, Berg’ und Thaͤler deckte
Ein’ Ebne, die das Auge ſchreckte.
Jch ſahe dieß erſtaunet an,
Und dacht’: Ein bloſſer Regen kann
Der Erden Flaͤche ganz verheeren,
Der Menſchen Werk ſo ſchnell verſtoͤhren,
Daß alles ſinket, ſtuͤrzet, bricht,
Und alles unterſt oben kehren!
Mit welcher Ehrfurcht ſollte nicht
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 500. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/518>, abgerufen am 22.11.2024.
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